Bevor die Bundesliga-Saison beginnt, wartet die erste Pokalrunde. Im Idealfall ist das erste Pflichtspiel der Saison zugleich das letzte Testspiel. Gegen einen unterklassigen Gegner darf der Erstligist noch einmal jene taktischen Prinzipien festigen, die er in der Vorbereitung eingeübt hat. Im Idealfall. Die frühe Rote Karte gegen Amos Pieper nahm Werder Bremen die Möglichkeit, sich im DFB-Pokalspiel bei Viktoria Köln im neuen 3-4-3-System einzuspielen.
Neues System währt nur kurz
In der vergangenen Saison wagte Werder-Coach Ole Werner nur selten Experimente. Fast jede Partie begannen die Bremer in einer 5-3-2-Formation. In der neuen Saison möchte Werner seine Elf flexibler aufstellen, in der Vorbereitung experimentierte der Trainer daher ausgiebig mit einer 3-4-3-Variante. Hier gesellte sich ein weiterer Stürmer neben Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch. Gegen Viktoria Köln fiel diese Rolle Romano Schmid zu.
Zwar schob Schmid bereits in der vergangenen Saison häufig aus dem Mittelfeld auf eine Höhe mit den beiden Stürmern. Dass er gänzlich als dritter Stürmer agierte, sah man aber selten. Werder wollte mit dem 3-4-3-System offensiver agieren als in der Vergangenheit. Dazu trug auch Rechtsverteidiger Oliver Burke bei, der weit vorrückte. Mit dem 3-4-3-System konnte Werder zudem das 5-3-2-System der Kölner mannorientiert pressen: Jeder Stürmer nahm einen gegnerischen Innenverteidiger auf.
Wie gut das 3-4-3-System im Ernstfall funktioniert, lässt sich aus dem DFB-Pokalspiel jedoch nicht ableiten. Bereits nach elf Minuten sah Pieper nach einer Notbremse die Rote Karte. In Unterzahl musste Werder umstellen. Anthony Jung rückte in die Innenverteidigung, Schmid wechselte auf die linke Außenbahn. So hielt Werder weiterhin an der Dreierkette fest. Diese wurde jetzt fast durchgehend als Fünferkette interpretiert: Werder stellte sich im 5-2-2-System hinten rein.
Viktoria lässt Ball und Gegner laufen
Zunächst gelang es Viktoria einige Male, über das Mittelfeld Raumgewinne zu erzielen. Leonardo Bittencourt und Jens Stage sahen sich drei Mittelfeldspielern gegenüber. Zudem ließen sich die umtriebigen Angreifer Lucas Marseiler und der ehemalige Bremer David Philipp fallen. Nach einigen Minuten wechselte daher Ducksch die Position. Er füllte als dritter Akteur das Mittelfeld auf. Werder verteidigte im 5-3-1 – und ließ somit dem Gegner kaum Spielraum im Zentrum.
Die Kölner suchten ihr Glück in der Folge auf den Flügeln. Die Außenverteidiger rückten weit nach vorne, um die Bremer Außenverteidiger nach hinten zu locken. Die zentralen Mittelfeldspieler stießen in die Lücken vor den Außenverteidigern, um aus der Tiefe das Spiel anzukurbeln. Wirklich Zählbares sprang bei diesen Aufbau-Situationen selten heraus. Die Flügelangriffe des Drittligisten blieben wirkungslos - auch, weil kein groß gewachsener Stürmer im Strafraum lauerte.
Werder konnte in dieser ersten Halbzeit nur selten für Entlastung sorgen. Schnelle Konter waren aufgrund der tiefen Grundposition der gesamten Mannschaft kaum möglich. Die Angreifer erschwerten sich selbst das Leben, indem sie selbst einfache Pässe nicht an den Mann brachten. Dem Bremer Führungstreffer lag entsprechend nicht Spielfreude, sondern Einsatzwille zugrunde: Nach einem Freistoß eroberte Werder gleich mehrfach den zweiten Ball, die dritte Hereingabe führte schließlich zum Treffer (43.).
Viktorias Umstellung führt zu Powerplay
Der Rückstand zur Halbzeitpause veranlasste Viktorias Trainer Olaf Janßen, seine Taktik umzustellen. Die Kölner lösten ihre Dreierkette auf, Abwehrchef Moritz Fritz rückte vor ins Mittelfeld. Viktoria griff fortan in einem 4-2-2-2-System an. Die Angreifer wechselten weiterhin häufig ihre Positionen. So hatte Viktoria viel Präsenz im offensiven Mittelfeld. Auf den Außen hingegen agierten einzig die Außenverteidiger.
Werder muss sich vorwerfen lassen, in dieser Phase zu tief verteidigt zu haben. Während Viktoria den Ball in der ersten Halbzeit praktisch nur in der Abwehr laufen ließ, konnte das Team im neuen System das Spiel aus dem Mittelfeld heraus kontrollieren. Werder übte kaum Druck aus auf die gegnerische Doppelsechs. Das änderte sich auch nicht, als Christian Groß für das zentrale Mittelfeld eingewechselt wurde (60.).
In der zweiten Halbzeit kamen zudem Probleme zum Vorschein, die Werder bereits in der vergangenen Saison plagten. Zu Bremens Verteidigungsstrategie gehört, dass einzelne Innenverteidiger immer wieder aus der Abwehr vorrücken. Sie verfolgen gegnerische Stürmer, die sich fallen lassen. Gerade gegen die wuseligen Angreifer der Kölner war dies nötig. Allerdings füllte die Bremer Abwehr die entstehenden Lücken nicht ordnungsgemäß auf. Sowohl beim ersten (72.) als auch beim zweiten Kölner Treffer (79.) klaffte eine riesige Lücke im Bremer Abwehrzentrum.
Aufbäumen kommt zu spät
In den letzten zwanzig Minuten stemmte sich Werder gegen die Niederlage. Den Bremern gelang es nun häufiger, die gegnerischen Lücken auf den Flügeln auszunutzen. Burke unterstrich seine Geschwindigkeit, während Schmid mit cleveren Finten den Ball in Richtung Spielfeldmitte trieb. Doch die Bremer Angriffe waren nur kleine Strohfeuer. Das Spiel gestaltete Viktoria, sie sammelten über sechzig Prozent Ballbesitz. Und sie belohnten sich in der Nachspielzeit mit dem 3:2-Siegtreffer.
So startet Werders Saison mit einer Demütigung. Die Rote Karte setzte früh den Ton für das Spiel. Werder sah sich in eine Abwehrschlacht gedrängt. Für solch eine Strategie fehlt Werder aber die defensive Stabilität. In jeder Partie gönnt sich die Fünferkette mindestens einen gravierenden Patzer, so diesmal Schmid, der den Ball vor dem 1:1 nicht wegdrosch. Vor Trainer Werner liegt noch viel Arbeit. Ein Satz, den kein Trainer nach der ersten Pokalrunde gerne liest.