Die Eröffnung der neuen Bundesligasaison ist ein feierlicher Akt - aber nach Feiern ist beiden Vereinen nicht zumute, bevor sie am Freitag ein Millionenpublikum in aller Welt beglücken sollen. Bei Werder und Bayern herrscht eher dicke Luft.
Die Münchner brauchen nach der Niederlage im Supercup dringend einen Sieg, damit die Stimmung nicht kippt. 100-Millionen-Stürmer Harry Kane soll im Weserstadion für die nötigen Tore sorgen. Bei Werder konnte man zuletzt den Eindruck gewinnen, die Stimmung sei schon gekippt: Nach der erschreckenden Vorstellung beim Pokal-Aus gegen den Drittligisten Viktoria Köln gerieten Spieler, Trainer und Vereinsführung in einen Gegenwind, dessen Wucht nur im Gesamtkontext zu verstehen ist.
Die eklatanten Fehler, die zum Abstieg führten, heften der Vereinsführung weiterhin an. Sie hat bei den Fans offenbar weniger Kredit als bei den Bremer Banken, wo für die Sünden der Vergangenheit noch viele Jahre Schulden zu tilgen sind. Zudem schienen grundlegende Veränderungen im Kader nach der schwachen Rückrunde unausweichlich. Dass die Mannschaft stattdessen beim Pokal-Aus nicht nur in gleicher Besetzung agierte, sondern auch in gleicher Verfassung, war ein hausgemachter Stimmungskiller.
Es ist das Schicksal von Traditionsvereinen, dass sie viele Menschen bewegen, aber auch schnell viele Leute enttäuschen können. Die Emotionen im Fußball sind Fluch und Segen, denn wenn das kickende oder leitende Personal eines solchen Klubs nicht abliefert, entstehen Spannungen, die sich gerade im digitalen Zeitalter ausbreiten wie ein Lauffeuer. Diese Wucht scheint die Macher bei Werder oft zu überraschen, dabei ist sie die logische Folge ihres Tuns: Die Fans sehen nur das, was auf dem Spielfeld passiert und das, was auf dem Transfermarkt nicht passiert. Wenn es gute Gründe gibt, warum die Ergebnisse in beiden Teilbereichen bisher mal wieder unbefriedigend waren, dann hat es Werder offensichtlich nicht geschafft, das rüberzubringen und die Fans „mitzunehmen“, wie es im Fußball heute heißt.
Der Vorwurf ist weder neu noch falsch, dass es im Verein eine Art „Werder-Blase“ gibt, mit eigenem Rhythmus sowie zuweilen eigenwilligen Ansichten. Letztlich geht es im Profifußball nur um den bestmöglichen Erfolg zum Wohle der Fans - wenn die aber eher rätselnd vor dem Gesamtgebilde stehen, weil sie viele Entscheidungen nicht mehr nachvollziehen können, wird es schwierig. Etwas nahbarer zu sein, sich mehr zu öffnen, das könnte den Werder-Machern helfen – wenn es schon keinen Erfolg gibt, der alle rund um den Klub zusammenschweißen würde.
Dass die finanziellen Möglichkeiten begrenzt sind, schränkt natürlich ein, darf aber kein Mantra werden. In der jetzigen Verfassung kann Werder jederzeit wieder absteigen, so realistisch muss man sein. Aber man kann die Wahrscheinlichkeit verändern, durch gutes Wirtschaften und clevere Transfers. Die Verpflichtung des verletzungsanfälligen Naby Keita war hierbei – rein sportlich - bisher ein unnötiges Risiko. Dass die Defensive offenkundig das dringlichere Problem ist, wurde bei der Personalplanung hingegen ausgespart.
Entsprechend berechtigt war die Kritik von Niclas Füllkrug an Werders Fehlerkette. Wie schonungslos der ehrgeizige Nationalspieler die Wahrheit aussprach, lässt erahnen, was bei Werder los ist. Das ist unangenehm für die Beteiligten, weshalb sie diese Kritik lieber intern und damit unterm Deckel gehalten hätten. Aber genau das scheint ja nicht zu helfen.
Die nächsten zwei Wochen mit den Spielen gegen Bayern und in Freiburg werden mit darüber entscheiden, ob das Pokal-Aus ein Ausrutscher war oder Werders Weg in die falsche Richtung führt. Eine gewisse Euphorie wäre für das schwierige Auftaktprogramm hilfreich gewesen.
Vielleicht ist es mal wieder Zeit für ein Wunder von der Weser. Ein Sieg gegen Bayern würde die Fans versöhnen. Das tolle Publikum ist - neben der Tradition - Werders letztes Plus. Diese Fans können eine Mannschaft tragen. Dazu muss man ihnen aber mehr bieten als immer neue Gründe zur Sorge.