Mit Baustellen ist das ja so eine Sache. Sie sind lästig, verlangsamen das Geschehen und bleiben gern auch mal länger als gewünscht. Aber: In der Regel sind sie zwingend nötig. Beim SV Werder ist das nicht anders. Da hakt es sogar in mehreren Bereichen, was besonders unschön ist, weil das große Ganze dadurch besonders unrund läuft. Umso dringender muss gehandelt werden. „Wir sind noch nicht am Optimum“, beschrieb jüngst auch Sportchef Frank Baumann die vertrackte Situation. „Man sieht, dass die Abläufe nicht sitzen, da haben wir Nachholbedarf.“ Die nur knappe Niederlage in Dortmund hat an der Aktualität dieser Erkenntnis wenig geändert. Mutmacher hin oder her. Werder braucht Optimierungen – auch oder gerade dort, wo bisherige Leistungsträger unterwegs sind.
Weiser zeigt sich defensiv anfällig
Mitchell Weiser zum Beispiel. Der 29-Jährige ist so etwas wie der Prototyp dessen, wie Werder sich einen Flügelspieler vorstellt. Wenn er denn funktioniert. Weiser bringt viel Tempo mit, scheut keinerlei Dribblings und besitzt große Qualitäten als Vorlagengeber. In der vergangenen Saison begeisterte er die Fans mit zehn Assists und zwei Treffern. Doch auch damals schon begleitete ein leidiges Thema die Auftritte des gebürtigen Troisdorfers: Über die rechte Seite der Bremer fielen einfach zu viele Gegentore. In der Rückrunde der vergangenen Saison waren es allein acht Treffer nach elf Partien – in dieser Spielzeit wurde der Wert schon nach acht Spieltagen erreicht. Nicht immer stand Weiser dabei auf dem Feld, zwei Tore setzte es zum Auftakt gegen den FC Bayern München, während Oliver Burke zum Zuge kam.
Nun wäre es ohnehin völlig falsch, Mitchell Weiser als Alleinschuldigen für die Misere auszumachen – wenngleich er durch seine offensive Spielweise und teils gefährlichen Ballverluste ein Teil des Dilemmas ist. Auch das Positionsspiel und die Rückwärtsbewegung müssen mitunter besser sein. Die vorherigen Zahlen zeigen aber, dass Werder in dieser Zone generell nicht in der Lage ist, die nötige Balance zu finden. Denn wo Weiser attackiert, muss dahinter die Absicherung stimmen. Im 3-5-2-System ist das nicht immer ganz so einfach, insbesondere dann, wenn der Gegner sprintstarke Angreifer mitbringt oder die sich bietenden Räume clever bespielt. Im Grunde müsste für Weiser eine komplett neue Position geschaffen werden, die es in Werders aktueller Ausrichtung aber nicht gibt. Eine Umstellung von Dreier- auf Viererkette will Ole Werner zudem zwar auch weiterhin „grundsätzlich nicht ausschließen“, eine sofortige Risikominimierung in einem Team, das jetzt zwei Jahre lang im gewohnten Konstrukt agierte, lässt sich dennoch nicht garantieren. Da ist viel Disziplin gefragt.
Den defensiven Problemen hält Mitchell Weiser momentan zwei Vorlagen und einen Treffer entgegen. Dass es nicht mehr sind, liegt nicht nur an ihm, sondern auch an der Tatsache, dass Werders Offensive insgesamt schwächer daherkommt. Der Großteil der Konkurrenz trifft häufiger, schießt öfter aufs Tor und flankt auch mehr als die Bremer. Weiser leidet ganz enorm darunter, dass Stürmer Niclas Füllkrug nicht mehr da ist. Dem Rechtsaußen fehlt so eine wichtige Anspielstation beim Kombinieren, ein Abnehmer für Hereingaben. Kurzum: Jemand, der die Bälle festmacht oder verwertet, damit Weisers Bemühungen nicht verpuffen. Wo er im Vorjahr noch alle 281 Minuten eine Torvorlage beisteuerte, sind es derzeit 333.
Bei Ducksch hakt es an der Effektivität
Marvin Ducksch ergeht es in puncto Effektivität ganz ähnlich. Auch er profitiert nicht mehr vom blinden Verständnis mit seinem vorherigen Sturmpartner. Die eigenen Qualitäten kann der 29-Jährige deshalb aktuell recht selten ausspielen, auf der Suche nach einem neuen Schlüssel ins Glück wechseln sich nicht nur die Nebenleute ab, sondern auch gute oder schwächere Leistungen. Ein Startelfplatz scheint ihm dennoch gewiss. „Ich denke, dass Marvin spürt, dass er ein großes Vertrauen vom Trainer erhält“, sagt Clemens Fritz als Werders Leiter Profifußball. „Das Entscheidende ist, dass er auf dem Platz Gas gibt und da ist. Er hat zuletzt einige Aktionen auch wieder gut eingeleitet mit dem ersten Kontakt – manchmal kann er da vielleicht erst den zweiten nehmen.“ Um Tore zu erzielen oder der Mannschaft mit entlastendem Ballbesitz zu helfen.
Letzteres würde insbesondere der Abwehrarbeit zugutekommen. Sechs verschiedene Besetzungen der Dreierkette hat Chefcoach Ole Werner mittlerweile verletzungsbedingt aufgeboten, die Leistungen schwankten bei allen Beteiligten erheblich. Das Trio Marco Friedl, Niklas Stark und Amos Pieper war mit drei gemeinsamen Einsätzen die häufigste Option, aber auch Milos Veljkovic nimmt intensiv an den Wechselspielchen teil. „Natürlich hilft es, wenn man sich über Wochen und Monate einspielen kann“, sagt der Serbe, verweist bei den ständigen Umstellungen aber ganz loyal auf das BVB-Spiel. „Ich muss sagen, dass Anthony Jung das super gemacht hat gegen Dortmund, Marco im Zentrum auch. Man hat da fast keinen Unterschied gemerkt.“
Da waren sie wieder, diese noch so kleinen Positiverlebnisse, an denen sich die Bremer in diesen Tagen ganz besonders hochziehen. „Wenn wir da weitermachen, wo wir aufgehört haben, dann kommen Siege – hundertprozentig“, hatte etwa Michael Zetterer unmittelbar nach dem Auftritt in Dortmund betont. Worte, die ganz ähnlich noch einmal fielen: „Wenn wir so weitermachen, ist es für mich nur noch eine Frage der Zeit, bis wir wieder gewinnen werden.“ Dieses Mal sprach sie jedoch kein Werder-Profi, sondern Christopher Trimmel. Der ist Kapitän bei Werders nächstem Gegner 1. FC Union Berlin. Der Champions-League-Teilnehmer hat wettbewerbsübergreifend inzwischen neun Niederlagen am Stück kassiert und wie Werder in der Bundesliga nur sechs Pünktchen auf dem Konto. Auch dort kennt man sich also aktuell ganz gut mit Baustellen aus. Verschwinden werden sie wohl auch durch das direkte Duell am Samstag im Weserstadion (15.30 Uhr) nicht – entscheidend wird jedoch sein, wer sich davon weniger behindern lässt.