Der Schlusspfiff war erst ein paar Sekunden alt, da gingen Romano Schmid und Anthony Jung direkt in eine intensive Diskussion. Es wurde wild gestikuliert, der Kopf geschüttelt und entgeistert geguckt. Kurz darauf schlug Trainer Ole Werner den Spielern des SV Werder Bremen unübersehbar im Mannschaftskreis verbal noch einmal die 0:5-Schmach beim SC Freiburg um die Ohren. Weitere Augenblicke später folgte für alle Beteiligten der unangenehme Gang in die Fankurve, wo es erst ebenfalls deutliche Worte, dann aber auch lautstarke Unterstützung mit Blick auf das anstehende DFB-Pokal-Viertelfinale beim Drittligisten Arminia Bielefeld (Dienstag, 20.45 Uhr) gab. „Es fühlt sich heute natürlich so an, als wenn wir das nicht verdient haben“, gestand Innenverteidiger Niklas Stark. „Aber es macht einen auch stolz, dass wir solche Fans haben.“
Werner zählt eigene Spieler öffentlich an
Die Bremer müssen in diesen Wochen aber höllisch aufpassen, dass sie sich ihren Kredit beim eigenen Anhang nicht gänzlich verspielen. Aus der Ergebniskrise ist eine handfeste Misere mit unübersehbaren Problemen geworden. Die Missstände sind derart prekär, dass Ole Werner etwas tat, was er sonst eigentlich nicht macht: öffentlich die eigenen Spieler anzählen. Doch es ging nicht mehr anders. Zu bescheiden ist das Jahr 2025 bislang gelaufen, zu erschreckend waren die Leistungen und Fehler, die wiederholt begangen wurden. Aber der 36-Jährige stiehlt sich dabei auch selbst nicht aus der Pflicht. „Ich nehme mich da nicht raus, ich bin ja Teil des Ganzen. Wir sind alle dafür verantwortlich, die Dinge besser zu machen“, betonte der Coach. „Und wenn eine Mannschaft so spielt, wie wir in der zweiten Halbzeit, dann muss ich mich in erster Linie selbst hinterfragen. Ich bin dafür verantwortlich.“
Einen nicht ganz unwesentlichen Anteil haben aber logischerweise die Protagonisten auf dem Rasen. „Wir können uns nur entschuldigen“, meinte Innenverteidiger Amos Pieper, der die Forderung der Fans, sich wieder mehr „für die Raute zu zerreißen“ absolut nachvollziehen konnte. Romano Schmid ging es nicht anders. „Ich schäme mich für den Auftritt“, erklärte der Mittelfeldakteur. Und der Österreicher legte den Finger noch deutlicher in die Wunde und gewährte einen besorgniserregenden Einblick in den Seelenzustand des Werder-Kaders. „Ich will nicht sagen, dass das Teamgefüge nicht passt. Aber dieses unbedingte Helfen-Wollen fehlt uns definitiv.“ Auch Ole Werner hat eklatante atmosphärische Störungen ausgemacht, in seinen Augen weisen sich seine Profis gerade gegenseitig die Schuld zu und zeigen lieber mit dem Finger auf andere als an einem Strang zu ziehen. „Ja, ich sehe das, und ich sehe das als Teil des Problems. Und das ist abzustellen“, unterstrich der Bremer Trainer. „Jeder muss bei sich selbst anfangen. Das größte Problem ist, wenn man in solchen Momenten nach anderen guckt, die es schlecht gemacht haben. Da wird man welche finden, aber das heißt nicht, dass man es selbst besser gemacht hat.“
Rums, das saß. Nachdrücklicher kann ein Coach seine Spieler kaum abwatschen. Dabei war es doch immer genau dieser mannschaftliche Zusammenhalt, über den sich der SVW definiert hat, der über weite Strecken der Hinrunde als Hauptgrund der guten Punkteausbeute besungen wurde. Besonders beängstigend: Es erweckt nicht den Anschein, als sei das vorherrschende Problem mal eben im Handumdrehen zu lösen. Ole Werner hat die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben. „Ich glaube schon, dass es geht, wenn man sich mit sich selbst beschäftigt und sich daran erinnert, was uns auszeichnet und stark macht“, erklärte er. „Dafür müssen wir nicht wahnsinnig weit zurückblicken, denn es liegt nicht ein halbes Jahr zurück. Ich glaube, dass das allen bewusst ist und wir das auch hinbekommen.“
Darauf setzt auch Werders Fußball-Chef Clemens Fritz, der von der Tribüne des Europa-Park-Stadions ähnlich entsetzt auf die Ereignisse auf dem Rasen geblickt hatte. „Das war desolat, die zweite Halbzeit eine Katastrophe“, bemängelte der 43-Jährige unmissverständlich. „Die Freiburger mussten wirklich nicht sehr hoch springen, weil sie einfach auf einen Gegner getroffen sind, der nicht wirklich da war. Wir brauchen uns jetzt auch nicht hinzustellen und irgendwelche Ausreden suchen. Wir haben einfach ein extrem schwaches Spiel gemacht, das war die schlechteste Saisonleistung. Wenn du so aufläufst in Bielefeld, dann wird das auch nichts werden.“ Und damit war der Ex-Profi noch nicht am Ende seiner Schelte angekommen – wenngleich er auch hervorhob: „Ich habe jetzt keinen Bock, draufzuhauen. Aber trotzdem muss uns allen bewusst sein, dass wir es nur gemeinsam schaffen. Wir müssen wissen, dass hierfür jeder verantwortlich ist. Da darf sich keiner ausnehmen oder über jemanden anderen diskutieren. Nein! Wir können es nur in der Gemeinschaft lernen.“ Möglichst schnell. Sonst wird Werder den Krisenmodus nicht so bald los.