Zum Ende einer intensiven Saison sorgte Werder für gemischte Gefühle: Einerseits ist es erfreulich, dass der Klassenerhalt nie gefährdet war und die Mannschaft auf dem neunten Tabellenplatz landete. Andererseits zeigte der letzte Spieltag, dass sogar mehr möglich gewesen wäre. Nur zwei Tore fehlten nach 34 Spielen für die Chance, wieder im Eurropapokal starten zu dürfen.
Dass es denkbar knapp nicht reichte, liegt aber nicht nur an den Ergebnissen des letzten Spieltags. Um ein solches Ziel zu erreichen, muss man eine richtig starke Saison spielen – und das ist Werder nicht konstant gelungen. Die Niederlagen in der Hinrunde mit insgesamt acht Gegentoren bei den Aufsteigern Darmstadt und Heidenheim waren heftige Dämpfer. Und höchst ärgerlich war die Niederlage im März bei Union Berlin, als Werder so schwach auftrat, als würde es um nichts mehr gehen. Danach krachte es in der Kabine und die Sinne der Spieler wurden geschärft. Das aber unterscheidet ausgewöhnliche Mannschaften von eher gewöhnlichen: Sie nutzen solche Chancen, sobald sie sich ergeben. Jetzt, nach dem 34. Spieltag, fehlen Werder genau die drei Punkte aus dem hergeschenkten Spiel bei Union Berlin.
Das zeigt, woran es noch hapert: ein Schuss mehr Gewinner-Mentalität und absoluter Wille. Genau das zeichnete die Double-Helden von 2004 aus, deren Jubiläum am Wochenende gefeiert wurde. Sie ergriffen damals die Chancen, die sich boten, und schrieben damit Geschichte. Einer, der bei Werder zuletzt immer für die nötige Mentalität stand, beendete nun seine Karriere: Christian Groß, der durch seinen Willen mehr aus seiner Karriere herausholte, als ihm viele zugetraut hätten.
Auch Werner kann sich weiter steigern
Trotz der Enttäuschung über verpasste Europapokalnächte ist der Klassenerhalt als Erfolg zu verbuchen. Einen Platz in der Bundesliga zu behalten, hatte auch im zweiten Jahr nach dem Aufstieg Priorität und war kein Selbstläufer. Nach dem Verkauf von Toptorjäger Niclas Füllkrug schien Werder eher dem Abstieg geweiht, als dass man eine so stabile Saison hätte erwarten können. Mit seinem Pragmatismus und dem nötigen Glück ist es Trainer Ole Werner gelungen, die Mannschaft sicher ins Ziel zu manövrieren. Die damit verbundene wirtschaftliche Stabilität ist wichtig, damit Werder weiter gesunden und wieder wachsen kann. Und auch dem Trainer bietet sich die Chance, sich in seinem dann dritten Bundesligajahr zu steigern.
Emotional war der letzte Spieltag in Bremen auch aus diesem Grund: Frank Baumann verließ die Bühne. Er ist ohne Zweifel einer der großen Werderaner. Als Kapitän der Double-Sieger von 2004 ist er eine grün-weiße Legende auf Lebenszeit. Als Manager war er stark beteiligt, den Verein in der Pandemie am Leben zu halten. Er hinterlässt Werder als Erstligist und somit versöhnlich nach einer Amtszeit mit Höhen und Tiefen. Sein nächstes Werder-Kapitel hat schon begonnen, denn Baumann gehört mit seinem Vermögen zu der regionalen Investorengruppe, die Anteile an der Profi-Abteilung hält. Es mehren sich die Stimmen, die ihn in Zukunft gerne als Aufsichtsrat bei Werder sehen würden. Es wäre nicht verwunderlich, wenn der werdertreue Baumann seinem Verein auch in dieser Form noch dienen würde.
In den Gremien des SV Werder wird es zunächst aber darum gehen, dass ein besseres Miteinander gelebt wird. Aufsichtsrat und Geschäftsführung müssen im Millionengeschäft Bundesliga vertrauensvoll zusammenarbeiten, davon war der Verein in dieser Saison weiter entfernt als vom Europapokal. Rund um die Ernennung des Baumann-Nachfolgers Clemens Fritz und nach der Besetzung der Aufsichtsratsspitze durch Präsident Hubertus Hess-Grunewald wurde deutlich, dass es Strömungen in den obersten Ebenen gibt, die ein verlässliches Zusammenarbeiten erschweren. Das Problem ist intern erkannt, wobei die Motive für das ein oder andere Störfeuer noch unklar sind.
Dass die zwei Tore, die Werder am Ende für Europa fehlten, im Prinzip die Bremer Leihgabe Eren Dinkci für Heidenheim schoss – das ist eine Pointe, die geradezu perfekt zu dieser Bremer Saison passt. Das Thema Dinkci begleitete Werder bis zum bitteren Ende.