Als Horst Steffen am Montagnachmittag zum ersten Mal den Trainingsplatz des SV Werder Bremen betrat, ließ der neue Chefcoach des Bundeligisten drei unüberhörbare Seufzer der Freude von sich. Das Abenteuer – sein Abenteuer – an der Weser konnte nun so richtig beginnen. Und Steffen verlor keine Zeit. Die Premieren-Einheit der Sommervorbereitung war von reichlich Tempo geprägt, von einem lockeren Aufgalopp keine Spur. Es gibt schließlich einiges zu tun, in knapp fünfeinhalb Wochen steht im DFB-Pokal die erste Pflichtspielaufgabe bei Vorjahresfinalist Arminia Bielefeld an. Der 56-Jährige selbst hielt sich bei seinem Debüt auffällig zurück und gab so einen Vorgeschmack darauf, wie künftig am Osterdeich trainiert werden dürfte. Denn die lauten Kommandos, die gibt ein anderer.
Mal hatte Steffen die Arme vor der Brust verschränkt, dann wieder die Hände lässig in den Hosentaschen seiner Shorts vergraben. Gemächlichen Schrittes schlich er über den Rasen, wechselte die Perspektive, beobachtete genau, wie sich die Werder-Profis in den Übungen schlugen. Hier eine kleine Hilfestellung, dort ein paar erklärende Worte. „Ich möchte und muss nahebringen, wie ich den Umgang pflege. Ich werde zu Beginn eher aktiv sein, eingreifen und sagen, wie ich es gern hätte“, schilderte Steffen wenig später während einer Pressekonferenz. „Am Ende soll allen klar sein, was die Marschroute des Trainers ist.“
Offensive Grundhaltung soll in Vorbereitung Thema sein
All das passiert in überschaubarer Lautstärke. Bei seinem Assistenten Raphael Duarte ist das komplett anders. Der 29-Jährige erklärte am Montag mit ordentlich Metall in der Stimme, was auf dem Platz zu tun war, machte die Ansagen, spornte die Spieler immer wieder an. Nach einer halben Stunde rief Horst Steffen kurz seine Schützlinge zu einem Mannschaftskreis zusammen, richtete wieder unaufgeregt ein paar Worte an sie – ehe erneut Duarte das Zepter in die Hand nahm. Am Ende der Einheit ging das Team dann geschlossen vom Platz. Erst als das allerletzte Hütchen eingesammelt, der letzte Spieler eingetrudelt war, setzte sich die Gruppe geschlossen in Bewegung. „Wir wollen miteinander reden, eine hohe Wertschätzung voneinander haben“, betonte Steffen. „Es soll nicht den einen Spieler geben, der mehr wert ist als der andere. Es darf ein gutes, freundschaftliches Verhältnis in der Kabine vorhanden sein – wenn es nicht sowieso schon da ist. Das kann ich bislang noch nicht zu hundert Prozent beurteilen, sondern nur die Spieler.“
Und mit denen hat Werders neuer Mann an der Seitenlinie eine Menge vor. „Wir haben 37 Trainingseinheiten, habe ich errechnet“, sagte Steffen lachend. „Da sind schon ganz viele Themen drin, die es zu bearbeiten gilt. Es ist aber nicht so, dass ich hier auftrete und sage, dass ich den Jungs mal etwas beibringe. Sie können schon sehr viel.“ Künftig muss dieses Können nun aber eben unter anderen Gegebenheiten als zuvor mit Ole Werner auf der Kommandobrücke abgerufen werden. „Die Grundhaltung, offensiv zu spielen, wird in der ganzen Vorbereitung ein Thema sein“, versprach der Ex-Elversberger mit Blick auf die nächsten Wochen, in denen es unter anderem auch um das richtige Verhalten beim Gegenpressing oder in Umschaltmomenten gehen soll. „In welcher Formation das sein wird, werden wir sehen“, ließ Steffen, der zunächst aber die Viererkette in der Defensive erproben will, offen.
Hunderte Fan-Augenpaare ruhten während der Einstiegseinheit auf Horst Steffen, sie alle wollten wissen, wie sich der Coach schlagen würde – zumal der einstige Profi zwar allerlei Erfolgsgeschichten in den vergangenen Jahren geschrieben hat, das deutsche Fußball-Oberhaus aber nur als Spieler kennt. „Das Ziel, Bundesligatrainer zu werden, gab es unterschwellig noch“, gestand der Spätberufene. „Trotzdem habe ich das jeweils aktuelle Dasein immer genossen – also auch damals die Landes- oder Regionalliga. Ich mache schlichtweg meine Arbeit sehr gern, arbeite gern mit meinen Spielern zusammen und versuche, sie besser zu machen. Das hat sich nie geändert und wird sich auch jetzt nicht ändern.“ Erinnerungswürdige Glücksmomente habe er in diesem Sommer dennoch verspürt. „Es gab Situationen, in denen ich dachte: ,Geil, dass ich jetzt Bundesligatrainer bin‘.“
Dreieinhalb Jahre mit Ole Werner als Chefcoach liegen hinter Werder. In dieser Zeit ist der Club aus der Zweitklassigkeit zurückgekehrt, hat sich anschließend stets vorzeitig sämtlicher Abstiegssorgen entledigt und ist zweimal knapp an Europa vorbeigeschrammt. Entwicklungen, an denen sich Horst Steffen messen lassen muss. Engagiert stürzt er sich in diese Herausforderung. „Ich bin froh, dass ich hier jetzt richtig starten und Vollgas geben darf“, sagte der gebürtige Meerbuscher, der von seinen neuen Spielern nicht gesiezt werden muss. „Ich habe in früheren Gesprächen die Erfahrung gemacht, dass viele Neuzugänge einfach ohne zu fragen ,du‘ gesagt haben“, schilderte er grinsend. „Insofern ist es wohl ganz normal, dass alle jetzt ,du‘ sagen – und ich habe es mir erleichtert und es auch erlaubt. Ob sie zu mir Trainer oder Horst sagen, ist mir völlig egal. Sie wissen alle, dass es um Inhalte geht. Und ich spüre den Respekt der Jungs.“
Marvin Ducksch hat sich am Montag im ersten Training der Saisonvorbereitung verletzt. Die Einheit war kaum 20 Minuten alt, da war sie für den Stürmer bereits beendet. Mit dick bandagierter linker Wade verließ der 31-Jährige den Platz im Golfcart. „Ihm hat es in der Wade gezwickt“, erklärte Trainer Horst Steffen im Anschluss an das Training bei einer Pressekonferenz des SV Werder Bremen. Was genau Marvin Ducksch hat und ob ihm mit der Verletzung ein längerer Ausfall droht, ist noch unklar. „Das ist nicht schön, nicht erfreulich, aber es bleibt abzuwarten, was die Diagnose ergibt“, so Steffen.