Die Zeiten, in denen auch Bremer Fußballfans erst einmal an die legendäre Puppenkiste denken, wenn das Wörtchen „Augsburg“ fällt, sind seit einiger Zeit vorbei. Inzwischen ist es ein anderer Begriff, der vornehmlich die Runde macht: Gikiewicz. So lautet der Nachname des FCA-Torhüters – und genau der hat während des Hinspiels im Weserstadion (0:1) die Anhängerschaft des SV Werder Bremen derart gegen sich aufgebracht, dass beinahe ein Platzsturm drohte. Am Sonnabend (15.30 Uhr) kommt es im Süden Deutschlands zur Neuauflage des Duells, folglich könnte es erneut hitzig werden.
„Gegen Augsburg sind es immer Spiele mit einer hohen Intensität und Aggressivität“, weiß auch Clemens Fritz. Werders Leiter Profifußball betont deshalb im Gespräch mit unserer Deichstube: „Da ist es ganz entscheidend, dass wir das von der ersten Minute an annehmen.“ Sportlich natürlich. Das Drumherum solle dagegen keine Rolle spielen. „Von den Ereignissen des Hinspiels müssen wir uns frei machen, aber das war für uns auch schon direkt nach dem Spiel damals abgehakt“, schildert der 42-Jährige. „Das sind Nebensächlichkeiten, mit denen wir uns gar nicht beschäftigen dürfen, denn wir müssen komplett unser eigenes Spiel durchziehen.“
Ganz so nebensächlich war es allerdings nicht, was Rafal Gikiewicz im vergangenen September fabriziert hat. Zunächst überzeugte der 35-Jährige vor allem mit seinem Können, vereitelte gleich mehrere gute Bremer Torchancen. In der Schlussphase der Partie manipulierte er jedoch erst den Elfmeterpunkt, um anschließend den von Marvin Ducksch ausgeführten Strafstoß zu entschärfen. Als „Sahnehäubchen“ drehte er sich Richtung Ostkurve um und hatte den Zeigefinger dabei demonstrativ auf den Mund gelegt.
Augsburgs Rafal Gikiewicz sorgte im Weserstadion für Aufsehen
Eine Geste, die ihre Wirkung nicht verfehlte. „Nach dem Elfmeter in der letzten Sekunde in Bremen wollte ich einfach ein bisschen mehr Pfeifen hören“, erklärte Gikiewicz im Nachgang des Spiels. „Dann sind sie von der Tribüne gesprungen. Ich finde, das war auch keine schlechte Aktion von den Fans. Trotzdem können sie natürlich nicht auf den Platz gehen.“ Auf eine Entschuldigung verzichtete der Augsburger indes: „Das war natürlich ein bisschen Show. Aber ich habe niemanden persönlich beleidigt – ich bin einfach so. Du liebst mich oder du liebst mich nicht.“ Immerhin hatte er eingeräumt, dass sein Bearbeiten des Elfmeterpunktes nicht in Ordnung gewesen sei. „Ja schon. Aber das ist Fußball. Das ist kein Ballett. Fußball ist Emotion, Aggressivität, Zweikampfquote“, sagte er seinerzeit. „Und mit dem Elfmeterpunkt hatte ich im Kopf, was Marvin Hitz gegen Modeste gemacht hat. Ich will alles probieren. Ich will nur gewinnen.“
Wie sehr die Aktion bei Werders Profis noch im Hinterkopf steckt, hatte sich erst kürzlich beim Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg gezeigt. Als die Bremer dort ebenfalls einen Strafstoß zugesprochen bekamen, stellte sich Marvin Ducksch demonstrativ auf den Punkt, um ihn zu bewachen – obwohl später Niclas Füllkrug Anlauf nahm und den Ball sicher versenkte. Ansonsten gibt sich aber auch Ducksch alle Mühe, das Wiedersehen mit Rafal Gikiewicz nicht zu sehr in den Vordergrund zu rücken. „Eine persönliche Rechnung habe ich nicht offen, aber natürlich will ich das Spiel gewinnen“, machte er am Mittwoch während einer Medienrunde deutlich. „Emotionen spielen immer eine große Rolle im Fußball, aber ich habe die Szenen damals gar nicht so richtig mitbekommen, weil ich mehr mit mir selbst gehadert habe nach dem verschossenen Elfmeter.“
Wesentlich näher war Sturmkollege Füllkrug dran. Er durfte sich vom gegnerischen Keeper nach dem vereitelten Ausgleich sogar noch mitten ins Gesicht lachen lassen. Hinterher kritisierte der Torjäger das Auftreten der gesamten Gäste-Mannschaft. „Das ist mir zu hitzig, das hat nichts mit Fußball zu tun am Ende. Das gefällt mir nicht. Bei jeder Schiedsrichterentscheidung standen alle elf Augsburger beim Schiri“, monierte Füllkrug damals. Inzwischen ist der Ärger jedoch verraucht. „Mich tangiert sowas gar nicht, das ist gar nicht mein Thema“, meinte der 30-Jährige jüngst. „Es ist halt deren Strategie, aber ich bin da ganz entspannt.“
Mal sehen, inwiefern das am Sonnabend auch für alle anderen Beteiligten gilt. Der Rahmen zumindest ist geschaffen. Der FC Augsburg verkündete bereits, dass die heimische WWK-Arena ausverkauft sein wird. Ein Stadion, das zuletzt eine kleine Festung war. „Ich habe auch gesehen, dass die Augsburger ihre drei Heimspiele in diesem Jahr allesamt mit 1:0 gewonnen haben“, erzählte Marvin Ducksch und vermutete: „Deshalb wird es vielleicht kein großes Spektakel werden, aber dafür sind wir ja auch immer selbst mit zuständig. Wenn wir unsere Idee auf den Platz bringen und die langen sowie zweiten Bälle gut verteidigen, dann können wir ein sehr gutes Spiel machen.“