Das erste, leicht unruhige Raunen ging am Samstagnachmittag bereits durch die voll besetzte BayArena, da hatte das Heimspiel von Bayer 04 Leverkusen gegen den SV Werder Bremen noch gar nicht begonnen. Nachdem zwei jüngere Fans der Werkself, Teenager-Alter, bei einem Quiz Vereinslegende Bernd Schneider auf einem Foto nicht erkannt hatten, fiel so mancher Zuschauer doch hörbar vom Glauben ab. „Lange vor eurer Zeit, was?“, versuchte die Moderatorin zu beschwichtigen. Geholfen hat es: kaum. Was in dem Moment noch kein Leverkusener wissen konnte: Es sollte an diesem Tag noch schlimmer kommen, weitaus schlimmer sogar, was ganz viel mit den Gästen aus Bremen zu tun hatte. Mit einem in dieser Form vollkommen unerwartet starken Auftritt setzte sich die Mannschaft von Cheftrainer Ole Werner verdient mit 2:0 beim Deutschen Meister und DFB-Pokalsieger durch, brachte Leverkusen damit nach ungeschlagenen 22 Ligaspielen in Serie die erst zweite Saisonpleite bei – und beendete gleichzeitig furios die eigene Krise. Die zentrale Frage nach dem Schlusspfiff lautete deshalb: Was, bitteschön, war da denn los, Werder?
Der Erste, der sich an einer Antwort versuchte, war Milos Veljkovic. In Abwesenheit von Marco Friedl und Niklas Stark hatte der Serbe die Bremer als Kapitän auf den Platz geführt und trotz heftigen Zusammenpralls mit Leverkusens Torhüter Lukas Hradecky 90 Minuten lang auf dem Feld gestanden. So jemand sollte die Leistungssteigerung im Vergleich zu den dürftigen Vorwochen also erklären können. Und das tat Veljkovic dann auch. „Wir haben das Spiel als Chance gesehen und wussten, dass wir nichts zu verlieren haben, weil fast niemand etwas von uns erwartet hat“, sagte er. Und: „Heute haben wirklich alle ganz viel Energie reingebracht. Großes Kompliment an die Mannschaft, den Trainer und den kompletten Staff.“
Auf dem Platz war diese Energie in der Tat sehr früh zu sehen gewesen, erstmals so richtig beim schnellen 1:0 von Romano Schmid (7.). Aber wo kam sie so plötzlich her, nachdem sie doch wochenlang als vermisst gemeldet war? Nur zur Erinnerung: Zwischen dem katastrophalen Pokal-Aus bei Drittligist Arminia Bielefeld und dem überzeugenden Auswärtssieg beim Deutschen Meister lagen schlappe elf Tage. Zeit, die Werder ganz offenbar genutzt hat, um intern ordentlich durchzuwischen. Der verbesserte Auftritt während des zwischenzeitlichen 1:2 gegen den VfL Wolfsburg hatte darauf bereits einen dezenten Hinweis gegeben.
„Wir haben uns ausgesprochen“, berichtete Veljkovic, „intern gab es mehrere Gespräche, auch unter vier Augen. Das hat uns sehr gutgetan.“ Die atmosphärischen Störungen innerhalb der Kabine hat die Mannschaft so wieder gebändigt. Torschütze Schmid betonte: „Ich glaube, Bielefeld war für uns ein Knackpunkt. So etwas braucht es manchmal. Wir sind eine geile Truppe, und ich liebe die Jungs, aber manchmal muss man auch auf den Tisch hauen.“ Seine Wirkung hat es offensichtlich nicht verfehlt, was in Leverkusen dafür sorgte, dass Trainer Ole Werner erstmals seit Ende Januar mal wieder keine Niederlage seiner Mannschaft zu erklären hatte.
Trainer Werner lobt Mannschaft und Defensivleistung
„Ich kann den Jungs nur ein Riesenkompliment machen, weil sie heute genau das gezeigt haben, was wir brauchten“, sagte der 36-Jährige – und zählte auf: „Es war eine sehr gute Defensivleistung, sowohl individuell als auch als Mannschaft. Zudem haben wir eine geringe Fehlerquote gehabt, und wenn mal ein Fehler passiert ist, haben wir ihn gemeinsam ausgebügelt. Auch die Effizienz hat gestimmt.“ Alles Dinge also, die Werder in den vergangenen Wochen hatte schmerzlich vermissen lassen. „Jeder hat sich eingebracht und seine Qualität gezeigt“, hob Werner hervor. Schmid ergänzte: „Wir mussten auf dem Platz leiden für diesen Sieg. Wenn der Einsatz am Ende belohnt wird, macht es einfach nur Spaß.“
Spätestens mit dem 2:0 von Joker Justin Njinmah (90.+4) war der Werder nicht mehr zu nehmen. Und jetzt? Geht es am nächsten Samstag mit dem Heimspiel gegen Gladbach weiter, was Werder die Chance bietet, aus der frisch beendeten Krise einen kleinen Aufschwung zu machen. „Nach dem Bielefeld-Spiel haben wir uns klar gesagt, dass die Saison für uns noch nicht gelaufen ist“, berichtete Sportchef Clemens Fritz. „Wir arbeiten weiter daran, unser Ziel von 40 Punkten plus X zu erreichen.“ Dafür müsse aber jeder seine Stärken weiterhin bestmöglich einbringen. „Dieses Spiel gibt uns Selbstvertrauen“, betonte Fritz. In Leverkusen gewinnt schließlich nicht jeder. Oder andersherum: Über Niederlagen sprechen muss Trainer Xabi Alonso höchst selten. „Heute war alles schlimm für uns, alles“, sagte der Spanier am Samstag. „Sobald ich zu Hause bin, vergesse ich diesen Tag und dieses Spiel“.