Als der Abpfiff ertönte, gab es auch bei Ole Werner kein Halten mehr. Der Coach des SV Werder Bremen gönnte sich am Sonntag vor der Trainerbank eine seiner eher seltenen emotionalen Explosionen. Was die Bedeutung dieses 2:1-Heimsiegs gegen den VfB Stuttgart unterstrich. Nach sieben sieglosen Partien hat Werder die Kurve bekommen, steuert wieder sicherer Richtung Klassenerhalt. Werner selbst schlug dabei aber schnell wieder seinen üblichen, ziemlich zurückhaltenden Kurs ein. Ganz nüchtern erklärte der 35-Jährige sein Erfolgsrezept, zu dem neuerdings auch die Raute als Spielsystem gehört, was in Bremen natürlich besonders schöne Erinnerungen weckt.
Darauf angesprochen meinte Werner mit einem Lächeln im Gesicht: „Wenn hier alle bei der Raute strahlen, dann machen wir das jetzt immer so.“ Wobei ihm natürlich klar war, dass seine Raute nur wenig mit dem Mittelfeld-System von Kulttrainer Thomas Schaaf und dessen großen Erfolgen mit Meisterschaft und zwei Pokalsiegen gemein hat. Zu Beginn dieses Jahrtausends wurde in einem 4-4-2-System gespielt, Werner setzte dagegen in der Defensive auf ein 5-4-1 und im Ballbesitz auf ein 5-3-1-1, wobei dann Senne Lynen, Leonardo Bittencourt, Nick Woltemade und Romano Schmid hinter Torjäger Marvin Ducksch gegen Stuttgart so etwas wie eine Raute bildeten.
„Wir haben versucht, im Zentrum mit einer Raute zu spielen, dadurch Überzahl zu schaffen und Stuttgart vor ein paar Probleme zu stellen“, erklärte Werner: „Zudem haben wir Nick mit seiner Ballsicherheit in einer etwas flacheren Position gehabt und Romano mit seinem Tiefgang und seiner Geschwindigkeit näher an der letzten Linie des Gegners. Die Jungs haben das super umgesetzt.“ Wobei die Raute dabei von außen betrachtet sehr selten auszumachen war, weil Werder gegen starke Stuttgarter nur wenig Ballbesitz hatte. Die Bremer nutzten aber ihre wenigen guten Offensivaktionen zu einem Doppelpack von Ducksch (28./49.) und damit zu einer 2:0-Führung.
Der Rest war vor allem eines – ein großer Kampf. Jeder Bremer stemmte sich mit allem, was er hatte, gegen die Stuttgarter Angriffswellen. Und so rutschte nur ein Schuss von Deniz Undav (71.) zum Anschlusstreffer durch. „Bei allen Chancen und Spielanteilen, die Stuttgart hatte, war unser Sieg in meinen Augen verdient, weil wir kämpferisch und als Gruppe top waren“, urteilte Werner. Was schwärmend klingt, ist bei dem Werder-Coach aber eher eine sachliche Analyse. Der Coach hatte seinen Puls schnell wieder runtergefahren. So macht er es immer, das ist seine Maxime, auch im Umgang mit der Mannschaft. Damit hat er schon so manche Krise bewältigt. Immer wenn es in der Vergangenheit hieß, jetzt könnte es durchaus auch mal für den Trainer enger werden, gelang ein positives Zeichen – meistens in Form eines Sieges. „Wichtig ist, dass man dranbleibt, dass man beharrlich bleibt. Die Jungs glauben an sich. Wir versuchen, immer sachlich zu bleiben. An Tagen, an denen wir gewinnen, schweben wir nicht auf einer Wolke, und an Tagen, an denen es mal schlecht läuft, verfallen wir nicht in Weltuntergangsstimmung. Das ist für mich der Schlüssel dafür, dass man sich aus schwierigen Phasen rausarbeiten kann“, erklärte der Coach.
Unruhe im Umfeld abgewiesen
Aber was ist mit der Unruhe im Umfeld? Die hatte in den vergangenen Wochen mehr und mehr zugenommen. Die Stimmung wurde nicht nur durch die schlechten Ergebnisse, sondern auch durch Meldungen wie die angekündigten Wechsel von Nick Woltemade und Eren Dinkci sowie durch die Suspendierung von Naby Keita immer schlechter. „Natürlich nimmt man das wahr. Selbst wenn man versucht, sich davon abzugrenzen, kannst du es dir trotzdem denken“, gestand Werner: „Entscheidend ist, dass du die Fähigkeit hast, dich auf das zu konzentrieren, was du unmittelbar beeinflussen kannst. Wir können die Stimmung im Drumherum nur durch täglich gute Arbeit beeinflussen, die dann hoffentlich auf Strecke zu Ergebnissen führt und uns unsere Ziele erreichen lässt. Das ist uns sehr bewusst.“
Gegen Stuttgart ist das eindrucksvoll gelungen. Viele Fans waren mit einer gehörigen Portion Skepsis und einer geringen Erwartungshaltung ins Weserstadion gekommen, sie verließen es dann ziemlich beseelt. Der Blick auf die Tabelle könnte sie sogar von Europa träumen lassen, denn der Abstand zu den Plätzen sieben und acht, die womöglich für das internationale Geschäft reichen, beträgt nur sechs (Freiburg) beziehungsweise fünf Punkte (Augsburg). Das Polster zum Relegationsplatz (Bochum) ist dagegen vier Spieltage vor Schluss auf sieben Zähler angewachsen, der direkte Abstieg sollte bei zwölf Zählern Vorsprung auf den 1. FC Köln gar kein Thema mehr sein.
Werner kennt die Zahlen natürlich, beschäftigt sich aber nur mit einer Richtung: „Klar ist, dass wir so schnell wie möglich über der Ziellinie sein wollen.“ Für ihn geht es einzig und allein um den Klassenerhalt, was angesichts der Leistungen in den vergangenen Wochen absolut nachvollziehbar ist. Auch gegen Stuttgart brauchte es einiges an Spielglück, um letztlich auf der Siegerstraße zu bleiben.
Immerhin könnte der Klassenerhalt schon am Wochenende eingetütet werden, wenn Werder in Augsburg gewinnt und die Konkurrenz nicht ausreichend punktet. Übrigens: Der FC Augsburg ist die einzige Mannschaft in der Bundesliga, die aktuell auf eine echte Raute im Stile von Thomas Schaaf setzt. Werner ist also taktisch ganz besonders gefordert, wenn er wieder so jubeln will wie nach dem Abpfiff des letzten Spiels.