Gerne betonen die Sportchefs in der Bundesliga, dass ihr Job nichts mit einem Managerspiel am Computer zu tun hat. Man kann im Profisport nicht auf Knopfdruck Spieler holen oder verkaufen. Immerhin kann man inzwischen per Knopfdruck Spieler finden. Vor wenigen Jahren reisten Manager deutscher Vereine noch tagelang durch Uruguay oder Dänemark, um etwa einen Abwehrspieler persönlich zu beobachten – und es kam wirklich vor, dass sie dann einen Stürmer oder Mittelfeldspieler mitbrachten, der ihnen aufgefallen war und den sie vorher nicht kannten.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bremer Traditionsvereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Heute nutzen Vereine Datenbanken, in denen sich gezielt nach einem Spielerprofil suchen lässt. Starker linker Fuß? Gut im Defensiv-Zweikampf oder lieber gefährlich bei Flanken? Wie schnell soll der Spieler sein? Die Datenbanken werden weltweit von Spezialisten gefüttert und bringen Kandidaten ins Rennen, die von den Scouts der Vereine vielleicht nie gefunden worden wären.
Wie man einen Kader am Reißbrett entwirft, ist seit den Erfolgen von Ralf Rangnick ein gern genommenes Bild. Anfangs war Rangnick belächelt worden von den üblichen Platzhirschen im Fußball, die aufgrund ihrer Karriere oder auch nur wegen ihres Egos glaubten, den Fußball zu verstehen. Dann kam da dieser Englisch-Lehrer aus dem schwäbischen Backnang, der nur Oberliga gespielt hatte, und wusste plötzlich alles besser. Das Problem bei dieser Betrachtungsweise zeigte sich erst mit den Jahren: Rangnick verstand wirklich mehr davon. Vereine wie die TSG Hoffenheim oder RB Leipzig führte er binnen kürzester Zeit aus den Amateurligen in den internationalen Fußball. Er entwarf nicht nur die Kaderstruktur am Reißbrett, sondern gleich die gesamte Vereinsstruktur – und wenn nötig auch noch das neue Stadion.
Seither ist es nicht mehr verpönt, Viererketten oder Sturmformationen mit Magneten auf einer Taktiktafel zu verschieben oder den Kader mit kleinen Namens-Schildern an eine Wand zu pinnen. Auch bei Werder gibt es eine solche Tafel, sie hängt in einem Zimmer im Stadion. Darauf ist der Kader zu sehen, wie er im Sommer geplant wurde: Im Feld mit einer 3-4-3-Formation, also mit einer Dreier-Abwehrkette, einer Viererreihe im Mittelfeld (bestehend aus zwei Sechsern und zwei Außenbahnspielern) sowie mit drei Offensiven: einem zentralen Stürmer und zwei Angreifern, die links und rechts hängend agieren – nicht als Außenstürmer, sondern eher als offensive Mittelfeldspieler hinter der Spitze.
Während eines Spiels verschiebt sich das natürlich alles je nach Gegner und Spielsituation, aber interessant sind die Namen, die jeweils vorgesehen waren. Auf manchen Positionen sind es drei Namen (etwa auf der Doppel-Sechs), auf anderen ist es nur einer (links außen, da stand zunächst nur Deman und ein darunter ein namenloses Schild – heute spielt dort der spät geholte Derrick Köhn).
Für die eine Position als zentrale Spitze vorgesehen: Keke Topp und Marvin Ducksch. Allein das zeigt, wie variabel man eine solche Planung sehen muss. Fußballerisch haben beide so viel gemeinsam wie Goldfisch und Piranha. Ducksch ist nicht kopfballstark und bindet nicht die zentralen Abwehrspieler des Gegners, er huscht eher durch den Strafraum und schließt mit dem ersten Kontakt ab. Topp ist ein Brecher wie Niclas Füllkrug, ein Spieler, den man auch mit dem Rücken zum Tor hoch anspielen kann.
Zu Ducksch passt ein Zwei-Mann-Sturm
Keiner der beiden hat in den bisherigen sechs Bundesligaspielen ein Tor aus dem Spiel heraus erzielt. Man bekommt eine Ahnung davon, wie der Wunsch von Trainer Ole Werner ausgesehen hätte, wenn Ducksch im Sommer gewechselt wäre. Ein Großteil der Ablöse wäre in eine neue Spitze geflossen, aber eher in einen echten Zielspieler als in einen Mann mit Duckschs Profil. Der hatte seine beste Zeit, als er in einem Zweimann-Sturm mit Füllkrug spielte. Zwei Jahre bildeten sie eines der besten Sturmduos in Deutschland. Für eine Position als alleinige Spitze würde man Ducksch eher nicht holen.
Um seine unbestrittene Klasse im Torabschluss zu nutzen, müssen die Mitspieler Ducksch wohl eher anders in Szene setzen: Er darf weder ins Dribbling geschickt werden noch in ein Kopfballduell. Er muss zwischen Fünfer- und Sechszehnerlinie in Abschlusssituationen gebracht werden. Das hätte einen doppelt positiven Effekt: Ducksch würde wieder wichtige Tore für Werder schießen und sich dadurch für andere Vereine interessant machen. Übrigens: Naby Keita ist auf der Tafel nicht zu finden. Sein Namensschild hängt links neben dem Spielfeld.