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Werder-Kolumne Warum Niemeyer kein Schlaumeier ist

Peter Niemeyer, der neue Mann im Management bei Werder Bremen, ist ein Rätsel für viele Fans. Wie arbeitet er? Warum ist er so still? Jean-Julien Beer gibt hier ein paar Antworten.
07.10.2024, 16:02 Uhr
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Warum Niemeyer kein Schlaumeier ist
Von Jean-Julien Beer

Manchmal muss man nicht selbst Fußball spielen, um zum Gegenstand leidenschaftlicher Diskussionen unter Fans zu werden. Für einen Neu-Bremer galt das in den vergangenen Wochen auch: Denn je weniger man von Werders neuem „Leiter Profifußball“ Peter Niemeyer hörte, desto mehr wurde hinterfragt, was er macht. Für viele Fans und Beobachter ist seine Rolle unklar, obwohl er schon seit Juni da ist. Wie so oft im Fußball mischen sich hier oberflächliche Betrachtungen und Pauschalurteile. Wer verstehen möchte, wie Niemeyer bei Werder wirkt und auftritt, der muss sich intensiver damit befassen.

Viele wissen gar nicht, warum es diese Position eines „Leiter Profifußball“ bei Werder überhaupt gibt. Das geht zurück auf Florian Kohfeldt: Nach ein paar Jahren im Rampenlicht wurde es dem damaligen Bremer Cheftrainer selbst zu viel, dass er ständig als Ansprechpartner und Gesicht des Vereins gefragt war. Zeitweise wurde er deshalb sogar von einem Mitarbeiter aus Werders Medienabteilung vom Trainingsplatz bis zur Kabine begleitet, oder besser: er wurde abgeschirmt, ganz im Ernst, damit die zwei örtlichen Pressevertreter ihn nicht nach der Genesung eines Verletzten oder den Einsatz-Chancen eines Ersatzspielers fragen konnten. Kohfeldt wollte einfach nicht mehr jeden Tag in der Zeitung stehen. Wer mal den Rummel bei wirklich großen Vereinen erlebt hat, wo ein bis zwei Dutzend Reporter das Training verfolgen und Nachrichten jagen, der musste über Werders Abschirmversuche ein wenig schmunzeln.

Denn eigentlich litt Kohfeldt eher darunter, dass andere im Verein zu wenig mit den Medien sprachen. Über einen Traditionsclub wie Werder wird aber täglich berichtet – ob es den Handelnden passt oder nicht. Im Gespräch mit einem Vertrauten kam Kohfeldt auf die Idee, Werders langjährigen Kapitän Clemens Fritz als eine Art Bindeglied zwischen Mannschaft, Trainer und Geschäftsführung zu installieren – und als Ansprechpartner für die Medien. Für Fritz war das der nächste logische Schritt, um nach der Management-Ausbildung Verantwortung zu übernehmen und sich auf höhere Aufgaben vorzubereiten. Die Idee wurde im Verein umgesetzt: Fritz war beim Training und auf den Pressekonferenzen präsent, der damalige Geschäftsführer Frank Baumann konnte sich in der Öffentlichkeit zurücknehmen.

Niemeyer will Werder nicht neu erfinden

Als Fritz nun zum Baumann-Nachfolger befördert wurde, musste seine vorherige Rolle neu besetzt werden: durch Peter Niemeyer. Der war eine vernünftige Wahl, weil er sich aus seiner Zeit als Sportdirektor und Geschäftsführer bei Preußen Münster Wissen und Erfahrung erarbeitet hatte – aber keiner ist, der durch Hauruck-Aktionen auffällt. Niemeyer ist weder ein Dampfplauderer noch ein Selbstdarsteller. Es war zu erwarten, dass er bei Werder nicht alles neu erfinden will. Sein Verständnis von diesem Job ist eher, dass er nicht als Feuerwehrmann zu einem kriselnden Verein gekommen ist, sondern auf den vorhandenen Strukturen aufbaut.

In seinen ersten Wochen saugte er wie ein Schwamm alles auf. Er verschaffte sich einen Überblick über die Abläufe und Themen im Verein, auch über Bereiche, mit denen er weniger zu tun hat. Niemeyer ist also das Gegenteil von einem Schlaumeier: Er will erst wissen, worum es bei einem Thema geht – dann redet er mit. Im Profifußball, der durch laute und starke Egos geprägt ist, kann man dadurch tatsächlich negativ auffallen, weil man schnell in die Langweiler-Schublade gerät.

Bewusst hatte Niemeyer rund um seine Vorstellung im Juni zwar viel geredet, aber wenig gesagt. Auch danach hörte man eher wenig von ihm. Doch seit ein paar Wochen ist das spürbar anders. Nach dem 0:5 gegen Bayern ordnete er das Geschehen gegen einen zu starken Gegner schnell vernünftig ein. Und mit seinem Werben für eine Nationalmannschafts-Nominierung von Michael Zetterer brachte er Werder bundesweit positiv in die Schlagzeilen. Dass er das Ansehen des Torhüters damit stärkte, war clever. Niemeyer sieht die Zeit offenbar gekommen, sich nun mehr als Werder-Gesicht zu positionieren. Mit Inhalten, nicht mit Phrasen.

Kein Puls wegen ein paar Reportern

Niemeyer machte mehr als 100 Spiele für Hertha BSC und war in der Berliner Medienlandschaft als Kapitän präsent. Deshalb bekommt er heute keinen Puls, wenn bei Werder eine kleine Gruppe Reporter nach Antworten fragt.

Beim Uefa-Cup-Endspiel 2009, als Werder gegen Donezk verlor, standen alle drei in der Startelf: Fritz, Niemeyer und Baumann. Diesen Titel nicht geholt zu haben, ließ den Namen des Spielers Niemeyer in der Erinnerung verblassen. Als Funktionär kann er Werder mit seiner ausgleichenden Art nun gut tun. Denn auch in der grün-weißen Welt gibt es oft nur Schwarz oder Weiß. Niederlagen und Siege werden von Fans und Medien schnell überhöht. Niemeyer bedient lieber die Grautöne. Eine graue Maus ist er deshalb nicht.

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