Ole Werner hätte sich nach dem Weiterkommen im DFB-Pokal einfachen Applaus abholen können. Schließlich hatte er den Siegtorschützen Anthony Jung eingewechselt. Werner hätte darauf verweisen können, dass er bewusst auf die Torgefahr des Routiniers gesetzt habe, schließlich sammelte Jung in seiner Bundesliga-Karriere bereits zehn Scorerpunkte.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bremer Traditionsvereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Doch das sind nicht die Kategorien, in denen Ole Werner denkt. Nicht bei seiner Außendarstellung, womit er sich wohltuend von dem ein oder anderen Trommler in seinem Berufszweig abhebt. Und auch nicht bei der Auswahl seiner Einwechselspieler. In diesem Fall war es so, dass Werner nach der frühen Verletzung von Milos Veljkovic binnen Sekunden auswählen musste, wen er bringt.
Bei Werders Innenverteidigern unterscheidet der Trainer zwischen den Kategorien „Schnell“ und „stark in der Spieleröffnung“. Niklas Stark und Julian Malatini gehören intern zur ersten Kategorie, nach Werders Auswertungen bringen sie in der Verteidigung mehr Tempo aufs Feld als ihre Konkurrenten. Veljkovic und Jung dagegen spielen bessere Pässe ins vorderste Angriffsdrittel und bespielen Räume, die sonst nicht bespielt würden. Sie gehören deshalb zur zweiten Kategorie.
Stammspieler ablösefrei verlieren?
Bei der Entscheidung für Jung ging es primär darum, den Ersatzmann auszuwählen, der beim Spielstand von 0:0 dem Profil von Veljkovic am nächsten kommt. Wenn Werder zu dem Zeitpunkt schon geführt hätte, wäre Malatini die sinnvollere Wahl gewesen, um die schnellen Darmstädter Stürmer in Schach zu halten und die Tiefe abzusichern. Wenn Werder zu dem Zeitpunkt in Rückstand gewesen wäre, hätte Amos Pieper sein Trikot anziehen können, weil er ein Zusatzelement mitbringt: seine Torgefahr durch Kopfbälle in der Offensive.
Es ist immer ein inhaltliches Abwägen, wer neben dem gesetzten Kapitän Marco Friedl in der Abwehr agiert. Die Qual der Wahl hat aber nicht nur der Trainer. Bald müssen sich auch die Verantwortlichen im Management, Peter Niemeyer und Clemens Fritz, mit ihren Innenverteidigern beschäftigen. Denn am Ende der Saison laufen die Verträge von Veljkovic und Jung aus. Beide machen im Schnitt 25 bis 30 Spiele pro Saison, sind also Stammkräfte. Zwei solcher Spieler ablösefrei zu verlieren, wäre schade für die wirtschaftliche Bilanz. Zudem würde Werder auf einen Schlag beide Jungs verlieren, die Stärken im Passspiel nach vorne haben.
Malatini braucht mehr Spiele
Einerseits tut frisches Blut gut, andererseits sind Qualitätsspieler für die Abwehr, die besser wären, mit Werders Budget schwer zu bekommen. Die beiden Fälle sind allerdings unterschiedlich gelagert. Veljkovic ist seit 2016 bei Werder, länger als alle anderen Feldspieler. Der mehrfache WM- und EM-Teilnehmer, 29 Jahre alt, findet ablösefrei schnell gute Angebote. Jung war nach dem Abstieg ein guter Griff und hat sich bei Werder positiv entwickelt, er machte mehr als 100 Spiele - ist nun aber 33 Jahre alt. Da wäre die Frage, ob man sich seine seriösen Dienste noch ein weiteres Jahr sichern könnte.
In beiden Fällen hängt das Wohl und Wehe des Vereins nicht von einem neuen Vertrag ab. Wenn beide gehen, würde sich dem 23-jährigen Malatini die Chance auf mehr Spiele eröffnen. Wobei er inzwischen schon knapp 20 Bundesligaspiele hat, was nicht schlecht ist für den jungen Argentinier, der als sechster Innenverteidiger bei Werder eingereiht wurde und der über einen längeren Zeitraum zu einem guten Bundesligaspieler geformt werden sollte. Zuletzt saß Malatini wieder zu oft draußen, um sich und seinen Marktwert zu entwickeln. Er saß aber auch deshalb draußen, weil er es nicht geschafft hatte, sich bei seinen vorherigen Einsätzen unverzichtbar zu machen.
Man muss die Zukunft der Abwehr in jedem Fall im Paket sehen. Wenn man Veljkovic und Jung verliert, müsste man nominell Ersatz beschaffen – und alle anderen Abwehrspieler tunlichst halten. Ersatz zu holen, der statt Malatini sofort spielt, wäre fragwürdig. Schließlich will Werder solche jungen Spieler entwickeln und dann teuer weiterverkaufen. Das gelingt jedoch nur, wenn man das auch konsequent durchzieht.
Was sich alle Seiten ersparen sollten, ist ein endloses Hin und Her bei den Vertragsgesprächen. Man kennt sich. Je früher der Verein Klarheit hat, desto eher kann er auf dem Markt agieren. Andererseits kann Werder auch selbst durch die frühe Verpflichtung eines neuen Abwehrmannes Fakten schaffen. Dadurch würde sich die Grundlage für die weiteren Gespräche deutlich verändern.