Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Werder-Kolumne Toprak und die Geschichte der versteckten Fouls

Fiese Fouls gab es in der Bundesliga schon immer, aber Werders Ömer Toprak muss gerade besonders viele einstecken, meint Jean-Julien Beer. Das ist kein Zufall, wie auch ein Blick in die Vergangenheit zeigt...
07.02.2022, 16:45 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Toprak und die Geschichte der versteckten Fouls
Von Jean-Julien Beer

Vor wenigen Sommern gab es im Trainingslager des SV Werder einen Vorfall. Schmerzhaft war er. Und streng geheim. Neben den Profis, die sich auf die Bundesligasaison vorbereiteten, war eine kleine Gruppe verletzter Spieler ins Mannschaftshotel am Chiemsee gereist. Man sah sie nicht auf dem Trainingsplatz, sie arbeiteten im Fitnessbereich des Hotels und waren hauptsächlich da, um die Taktik-Besprechungen zu erleben.

Nach ein paar Nächten reiste diese Gruppe zurück nach Bremen, um hier die Reha fortzusetzen. Nur einer blieb am Chiemsee, was nicht weiter auffiel. Dieser Spieler war am Morgen mit einem gewaltigen Schmerz aufgewacht und einfach nicht reisefähig: Er hatte sich über Nacht die Schulter ausgerenkt, was für einen Profifußballer eine heikle Sache ist. Denn wenn die Gegenspieler von so einem Problem erst einmal wissen, können sie während einer Partie sehr fies sein und dem Konkurrenten hier absichtlich Schmerzen zufügen. Die Schiedsrichter bekommen solche Gemeinheiten meistens nicht mit.

Gegen Düsseldorf war es für Toprak besonders heftig

Bei Werder gab man sich deshalb große Mühe, den Vorfall geheim zu halten. Die wenigen Leute, die etwas mitbekamen, wurden gebeten, die Sache zu verschweigen. Das klappte: Als der Spieler nach seiner ursprünglichen Verletzung am Bein wieder einsatzfähig war, kam er ohne weitere Probleme durch die Saison und zeigte im Werder-Trikot gute Leistungen. Seine lädierte Schulter wurde nie ein Thema.

Von so einem Glück kann Ömer Toprak nur träumen. Seine Krankenakte gleicht einem offenen Buch, nach all den Jahren im Profifußball kennen die Gegenspieler nicht nur Topraks Klasse als Abwehrchef, sondern auch seine Schwachstellen, vor allem im Wadenbereich. Und so passiert es häufig, dass Toprak ein paar Tritte abbekommt. Das sind diese Momente, die jeder Werder-Fan inzwischen kennt: Der Ball ist längst woanders und das Spiel läuft weiter, da zeigt die Fernsehkamera plötzlich Toprak, der mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf schüttelt und am Boden hockt.

Im Heimspiel gegen Düsseldorf passierte das besonders oft. Fortunas Stürmer Rouwen Hennings – zu dem die Bezeichnung alter Haudegen bestens passt – schien zeitweise nichts anderes vorzuhaben, als Toprak zu schikanieren. Hier ein Tritt aufs hintere Sprunggelenk im Vorbeigehen, dort einer in die Wade nach einer Ecke, wenig später noch so ein Ding, als der Ball nicht mal in der Nähe war. Andere Werder-Spieler wiesen den Schiedsrichter erbost darauf hin, was da passierte. Doch der Mann an der Pfeife, Tobias Reichel aus Stuttgart, schien nicht im Thema zu sein. Es dauerte lange, bis er Hennings ermahnte, danach wurde der Stürmer ausgewechselt – und Toprak konnte am Ende humpelnd den Bremer 3:0-Sieg feiern.

Lesen Sie auch

Mit welcher Ruhe Toprak solche Momente im Spiel erträgt, zeugt von seinem außergewöhnlichen Charakter. Er rastet nicht aus, er beschwert sich in einem ruhigen Ton – und dann spielt er weiter Fußball, inzwischen seit acht Spielen in Folge, was ein wesentlicher Grund ist für Werders Siegesserie. Mit dem Kapitän Toprak auf dem Feld ist die Mannschaft gefühlt eine Klasse besser. Doch das wissen eben auch die Gegenspieler…

Dieter Eilts und der gebrochene Zeh

Solche versteckten Fouls gab es schon immer, meistens gegen wichtige Spieler, die gerade eine Schwachstelle am Körper haben. Auch Dieter Eilts musste viel einstecken. Wenn „Eisen-Dieter“ mit Leidenschaft durchs Mittelfeld grätschte, war das für den Gegner nie gut. Entsprechend hart wurde Eilts bearbeitet. Auch im September 1990, in Werders Topspiel gegen die Bayern. Eilts hat oft erzählt, wie er sich nach einem Zehenbruch wochenlang abmühte, um gegen die Bayern wieder auf dem Feld zu stehen. Und dann trat ihm nach zwei Spielminuten ein Münchner mit Wucht auf den gerade verheilten Fuß und fragte: „Tut's weh?“ Doch der Bayern-Star, dessen Namen Eilts nie nannte, grinste nicht lange. Das lag an Uli Borowka. Der hatte den Tritt gesehen und bearbeitete den Münchner Fiesling bis Spielende auf die ihm eigene Art. Das besonders Wertvolle an Mitspielern wie Borowka: Er schoss auch noch das Siegtor, Werder schlug die Bayern mit 1:0.

Ein paar Jahre später reichten Worte, um für Ruhe zu sorgen. Als Bayern-Stürmer Jürgen Klinsmann vor Anpfiff im Spielertunnel meckerte, dass die Wege im Weserstadion aber sehr weit seien, konterte Eilts trocken: „Keine Sorge, zurück wirst du getragen.“ Klinsi wagte es in diesem Spiel nicht, Eilts auf den Fuß zu treten.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)