Wie üblich hatten die Profis des SV Werder Bremen auch in dieser Woche am zweiten Tag nach einem Bundesliga-Spiel frei. In erster Linie dient dieser Tag dazu, die Muskeln wieder etwas zu lockern - nach dem unglücklichen und späten 2:2 bei Union Berlin dürfte er aber auch hilfreich gewesen sein, um die hochgekochten Emotionen nach dem Schlusspfiff etwas abkühlen zu lassen. „Dass die Enttäuschung am Sonnabend so groß war innerhalb des Teams, zeigt, wie ambitioniert und zielstrebig die Mannschaft ist“, sagt Werders Leiter Profifußball Peter Niemeyer im Gespräch mit unserer Deichstube über die allgegenwärtige Frustration der Spieler nach Schlusspfiff. Gleichzeitig gibt der 41-Jährige die Richtung für die kommenden Tage vor: „Das ist unmittelbar nach dem Spiel auch in Ordnung, ab Dienstag gilt es aber, den Fokus auf Sonnabend zu legen.“
Für die Bremer ist der große Europa-Traum schließlich noch lange nicht ausgeträumt. Drei Punkte trennen die Mannschaft von Trainer Ole Werner von Tabellenplatz sechs, der zur Teilnahme an der Europa Conference League berechtigen würde – und auf dem ausgerechnet momentan der kommende Gegner RB Leipzig steht. „Wir spielen noch um etwas, das haben wir uns hart erarbeitet, und deshalb freuen wir uns sehr auf Sonnabend und das letzte Heimspiel der Saison“, betont Niemeyer. Das „etwas“ ist in diesem Zusammenhang nichts Geringeres als die Rückkehr auf die europäische Bühne nach 15 Jahren. Von den aktuellen Bundesligisten wartet nur der VfL Bochum (letztmals 2004/05) noch länger auf große internationale Spiele als Werder (letztmals 2010/11).
Dass das Verlangen der Fans nach Flutlichtnächten unter der Woche im Weserstadion – und damit auch die Enttäuschung nach vergebenen Chancen wie am vergangenen Wochenende bei den „Eisernen“ – groß ist, kann Werders Leiter Profifußball gut nachvollziehen. „Ich verstehe die Sehnsucht der Fans, wir wollen auch überhaupt keinen davon überzeugen, diese nicht zu haben. Für uns intern muss allerdings gelten, dass wir den Fokus bei uns behalten.“ Von offizieller Seite möchten die Verantwortlichen weiterhin große Europa-Parolen vermeiden. Zu groß scheint die Sorge, dass eine bis zum jetzigen Zeitpunkt schon sehr gute Werder-Saison aufgrund des Verpassens des Europapokals in der Nachbetrachtung negativ bewertet wird.
Nochmal alles aus sich herausholen, um möglicherweise doch noch den sechsten Tabellenplatz zu erreichen, möchten die Bremer dennoch mit aller Macht. „Es sind nur noch zwei Spiele in dieser Saison zu gehen, da kann noch sehr viel passieren. Wir wollen dieses Spiel unbedingt gewinnen“, macht Niemeyer deutlich. Zum Vorteil könnte dabei werden, dass sich Werder in dieser Spielzeit besonders gegen die größeren Teams – mit Ausnahme des FC Bayern – mehr als beachtlich geschlagen hat. Gegen die ersten sieben Vereine der Tabelle holten die Bremer bislang starke 15 Zähler. „Die Mannschaft hat in dieser Spielzeit schon häufiger gezeigt, dass sie gegen große Teams bestehen und erfolgreich sein kann. Das geht allerdings nur über eine geschlossene Mannschaftsleistung“, sagt Niemeyer und stellt klar: „Dann sind wir auch gegen Mannschaften wie Leipzig absolut konkurrenzfähig.“
Dafür braucht es allerdings im kompletten Spiel eine ähnliche Leistung wie in der ersten Halbzeit in Berlin, wie Kapitän Marco Friedl bereits nach der Partie erklärte. „Wir müssen das, was wir heute 35 Minuten gut gemacht haben, dann über 90 Minuten auf den Platz bringen.“ Gleichzeitig betonte Friedl: „Das wird aber ein ganz anderes Spiel. Leipzig wird versuchen, Fußball zu spielen. Sie sind individuell extrem stark, haben in der Liga mit die beste Mannschaft.“ Werder dürfte also wieder alles abverlangt werden – es läuft alles auf einen letzten großen Showdown um die europäischen Plätze hinaus. Oder wie Jens Stage es bereits in den Katakomben der Alten Försterei auf den Punkt brachte: „Alle in der Bundesliga wollen nach Europa, da müssen wir bis zur letzten Sekunde alles geben. Dann hoffe ich, dass es reicht, aber es wird schwer.“