Vier Spiele, vier Siege – Ole Werner wird beim SV Werder Bremen immer mehr zum Heilsbringer. Ein TV-Sender gratulierte dem 33-Jährigen nach dem 3:0-Heimsieg gegen Fortuna Düsseldorf via eingeblendeter Grafik sogar schon zum Startrekord in der grün-weißen Vereinsgeschichte, doch da hatten die Statistiker keinen Geringeren als Otto Rehhagel vergessen. Die Werder-Legende bleibt mit acht Siegen am Stück nach Amtsantritt im April 1981 weiter unantastbar. Aber Werner hat zumindest einen anderen Bremer Erfolgscoach überholt: Thomas Schaaf (drei Siege). Viel interessanter als diese Zahlenspiele ist aber die Art, wie Werner für die Siege sorgt: Er will sie förmlich erzwingen, indem (endlich) die Wucht des laut transfermarkt.de wertvollsten Kaders ausgenutzt wird.
Abwarten war gestern oder – dieses Wortspiel sei ausnahmsweise mal erlaubt – nur der Anfang. Unter Werners Vorgänger Markus Anfang trat Werder selten so forsch und mutig auf wie jetzt. Das mag an den vielen Unwägbarkeiten des Sommers gelegen haben, lange Zeit war schließlich nicht klar, wie sich der Kader entwickeln würde. Doch es gehörte auch zu Anfangs Art. Er ging seinen sehr eigenen Weg, zog monatelang sein 4-3-3-System durch, obwohl ihm das Personal dafür fehlte. Dafür verzichtete der Coach sogar auf den nun so gefürchteten Doppel-Sturm Ducksch/Füllkrug. Und er warnte ständig davor, dass Werder in dieser schwierigen zweiten Liga nicht zu viel riskieren dürfe.
Werder darf sich laut Werner nicht verstecken
Auch Werner will nicht überdrehen, doch bei der Erklärung seiner Spielidee für die Grün-Weißen fällt oft der Satz „Wir sind Werder Bremen“. Das heißt: Dieser Traditionsklub darf und will sich nicht verstecken. Genau so treten die Bremer inzwischen auch auf. Die Düsseldorfer wurden sofort attackiert – und zwar bis hin zur Grundlinie. Werder wollte den Ball haben. Aber nicht, um ihn zu verwalten, sondern um damit auf Torejagd zu gehen.
Keine schlechte Idee, wenn dort gestandene und erfolgreiche Stürmer wie Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch auf ihre Chance lauern. Auch ein Leonardo Bittencourt kommt im offensiven Mittelfeld mit seinen 206 Bundesligaspielen nicht gerade als sportliches Leichtgewicht um die Ecke. Das kann einen Gegner schon beeindrucken. „Ich versuche, die Stärken der Spieler bestmöglich einzusetzen“, erklärt Werner sein Erfolgsrezept – wie so oft bei ihm braucht er dafür nur wenige Worte. Bezogen auf die Anzahl der Tore in den vier Spielen unter seiner Führung - immerhin 14 - fügt er an: „Das ist Ausdruck der Qualität der Spieler, die wir auf dem Platz stehen haben.“
Qualität besitzt Werder aber nicht nur im Angriff, sondern auch in der Abwehr. Und wie wichtig das ist, wurde gegen Düsseldorf ganz besonders deutlich. Die Führung ließ nicht nur auf sich warten, sondern Werder verlor mehr und mehr durch nervende Fortunen, die typisch für die zweite Liga sehr aggressiv auftraten, den Faden. Da kann eine Partie auch mal kippen. Doch Werder ließ nicht eine einzige echte Chance zu, verteidigte vor und im Strafraum sehr konsequent. „Die letzte Reihe hat einen guten Job gemacht“, lobte Werner seine Fünferkette mit Felix Agu, Milos Veljkovic, Ömer Toprak, Marco Friedl und Anthony Jung, hob dabei aber auch Christian Groß als Sechser explizit hervor. Es sei unbestritten, „dass wir auch in dem Mannschaftsbereich eine gewisse Qualität haben“. Was angesichts der Vita eines Topraks, aber auch der meisten anderen Abwehrspieler fast noch untertrieben ist.
Die Defensive sorgte also dafür, dass die zwischenzeitlich etwas zähe Partie durch ein Gegentor nicht noch ungemütlicher wurde. Ganz zufrieden war Werner mit Toprak und Co. aber trotzdem nicht. „Der Aufbau in Überzahl gegen eine Spitze“ sei nicht gut gewesen, genauso wie „die Positionierung in der letzten Kette“, berichtete der Coach: „Die Dinge sind eins zu eins auch so bei der Mannschaft gelandet. Wir versuchen den Jungs, zwei bis drei Dinge an die Hand zu geben, mit denen wir für Verbesserung sorgen wollen.“ Und gegen die Fortuna habe das auch geklappt. Nach der Pause lief es etwas besser, „wir sind griffiger geworden“, so Werner. Wohlwissend, dass der (Tor-)Knoten erst nach dem Platzverweis für den Düsseldorfer Kristoffer Peterson platzte. „Ich hätte uns auch zugetraut, im Elf-gegen-elf das Spiel zu gewinnen.
Aber nichtsdestotrotz haben sich die Dinge nach der Roten Karte relativiert, weil das dann einfach ein komplett anderes Spiel war.“ Allerdings eines, das kein Selbstläufer gewesen sei, betonte Werner ausdrücklich: „Es gibt ja auch Spielverläufe, in denen du in Überzahl den Fuß vom Gaspedal nimmst oder du es unbedingt erzwingen willst und dann ins offene Messer läufst – all das haben wir schon erlebt, all das gibt es auch.“
Werder behielt jedoch die nötige Ruhe und konnte sich einmal mehr auf die Wucht seines Sturm-Duos verlassen. Füllkrug (66. und 87.) sowie Ducksch (80.) schossen den ungefährdeten 3:0-Sieg heraus. „Wir konnten aber von der Bank auch noch mal richtig Qualität auf den Platz bringen - mit Spielern, die uns geholfen haben, die Überzahl auch zu nutzen“, erwähnte Füllkrug einen weiteren ganz wichtigen Aspekt: Die Breite des Kaders, die in dieser Liga nicht viele Klubs besitzen. Für Agu und Bittencourt kamen nach einer Stunde in Mitchell Weiser und Niklas Schmidt zwei Stammplatz-Kandidaten. Gleiches galt für Nicolai Rapp, der nach 80 Minuten Romano Schmid ersetzte.
Dieses Trio kann Füllkrugs verbale Streicheleinheiten genauso gut gebrauchen wie die anderen Ersatzspieler, denn die haben es unter Werner nicht ganz so einfach. Der neue Coach hat zum vierten Mal in Folge der selben Startelf vertraut. Der Erfolg gibt ihm recht. Schnell ein Gerüst zu schaffen, war ihm beim Amtsantritt Ende November sehr wichtig gewesen. Längst steht es. „Ich glaube schon, dass der Fußball, den wir die letzten Wochen gespielt haben, der Vorstellung, wie ich Fußball spielen lassen möchte, sehr nahe kommt“, gönnte sich der 33-Jährige einen kurzen Moment der Zufriedenheit, schaltete aber umgehend wieder in den Angriffsmodus: „Man darf die Erfolgserlebnisse nicht für selbstverständlich nehmen. Wenn wir das weiter nicht tun und hart arbeiten, werden wir weiter punkten.“ Die Bremer wollen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.