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Probleme der neuen Mannschaft Werders Großbaustellen

Bremen. Bei Werder greifen Offensive und Defensive nicht ineinander. Das beste Negativbeispiel haben die Grün-Weißen in Augsburg abgeliefert, wo die Mannschaft zu keinem Miteinander gefunden hat.
08.10.2012, 05:00 Uhr
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Werders Großbaustellen
Von Thorsten Waterkamp

Bremen. Bei Werder greifen Offensive und Defensive nicht ineinander. Das beste Negativbeispiel haben die Grün-Weißen in Augsburg abgeliefert, wo sich die Mannschaft aufteilte in Angriffsfußballer und Abwehrfußballer – aber zu keinem Miteinander fand.

Was kann die Mannschaft? Wie gelingt die notwendige Umstellung in Personal und System? Nach sieben Spieltagen ist klar: Der große Umbruch bei Werder droht zur großen Zitterpartie zu werden. Von der anfänglichen Euphorie, ausgelöst durch zwei überraschend starke Auftritte in Dortmund und Hannover, ist nichts mehr geblieben. In Augsburg ließ die Mannschaft selbst elementare Eigenschaften vermissen: Körperlichkeit, Konzentration und die Willenskraft, sich gemeinsam gegen den Gegner zu stellen.

Statt Fortschritte im Umbruch musste Kapitän Clemens Fritz in Augsburg erkennen: "Das war ein Rückschritt." Theo Gebre Selassie, sein Außenverteidigerkollege, erkannte fehlendes Mannschaftsdenken: "Wir sind ein Team, treten aber nicht wie eines auf." Deutlich wird dies auch an den unterschiedlichen Analysen der Spieler: Defensivakteure wie beispielsweise Fritz sind der Ansicht, dass "die Mannschaft teilweise zu offensiv denkt"; Offensivakteure wie beispielsweise Aaron Hunt machen die Ursache für Rückschläge im Defensivverhalten aus, wobei er ausdrücklich nicht nur die Abwehrspieler anspricht: "Die Gegentore fallen zu einfach und zu billig. Und auch die Stürmer müssen öfter nach hinten arbeiten."

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Im Umbruch ist aus der Baustelle Werder eine Großbaustelle geworden. Die Justierung zwischen den Mannschaftsteilen stimmt nicht mehr, die Justierung in den Mannschaftsteilen selbst bereitet Probleme. Das zeigt eine Bestandsaufnahme nach Augsburg.

Der Torwart

Sebastian Mielitz hat im Sommer Tim Wiese als Werders Nummer eins abgelöst. Es war dieser Wechsel von Routine auf Unerfahrenheit, der wie kein anderer exemplarisch für den Umbruch in Grün-Weiß steht – zumal es auch noch eine charakterliche Komplettumkehr ist: vom selbstbewussten bis -gefälligen Egozentriker und Lautsprecher Wiese auf den stillen, schüchtern wirkenden Mielitz. Als Ersatzmann noch hatte Mielitz gute bis sehr gute Leistungen geboten, wenn er mal für Wiese einsprang. Als Nummer eins jedoch – so hatte es der frühere Frontmann im Kasten seinem Nachfolger prophezeit – werde der Druck erheblich größer sein. Die Kunst sei es, damit zurecht zu kommen.

Mielitz gelang das mit Einschränkungen; er wirkt nervös, bisweilen hektisch in seinen Aktionen und strahlt dadurch noch wenig Sicherheit aus. Große Fehler allerdings waren bis zum vergangenen Freitag nicht zu sehen – ehe er in Augsburg bei zwei Gegentoren patzte.

Alternativen hat Thomas Schaaf nicht. Zwar könnte er auf Ersatztorwart Raphael Wolf zurückgreifen. Doch allein schon der Gedanke an einen Wechsel im Tor wäre kontraproduktiv: Man würde Mielitz damit in den Rücken fallen, statt ihm denselben zu stärken.

Die Abwehr

Auffällig geworden sind in der Viererkette in den vergangenen Wochen vor allem die Außenverteidiger. Wen Schaaf auch einsetzte – Fehler machten alle, und zwar keine verzeihlichen, sondern katastrophale. Clemens Fritz, Kapitän und Routinier, war Quelle des Übels jeweils beim 0:1 in Freiburg und Augsburg – kapitale Aussetzer, die man von ihm in seinen sechs Bremer Jahren so noch nie gesehen hat. Theo Gebre Selassie präsentiert sich seit Wochen völlig verunsichert, Ersatzmann Lukas Schmitz erlaubte sich in Augsburg elementare Fehler in den Zweikämpfen. Am Ende stand für ihn eine Quote von 31 Prozent gewonnener direkter Duelle, mit anderen Worten: In zwei von drei Fällen war der Gegner durch – für einen Abwehrspieler ein Offenbarungseid.

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Problem für die Außenverteidiger: Ihre Vorderleute aus dem Mittelfeld arbeiten zu wenig nach hinten. Besonders auffällig war das am Freitagabend: Auf Unterstützung durch Marko Arnautovic und Eljero Elia warteten Schmitz, Fritz und Gebre Selassie vergeblich – vor allem bei Kontern waren sie auf sich allein gestellt.

Die Innenverteidigung dagegen gilt auf den ersten Blick noch als einigermaßen sattelfest. Vor allem Sokratis glänzt mit enormem Einsatz, er bügelte in Augsburg gleich reihenweise die Fehler der Mitspieler auf den Außenbahnen aus. Der zweite Blick jedoch offenbart auch Mängel in der Abwehrzentrale. Mit dem Stellungsspiel von Sokratis und Sebastian Prödl hapert es oftmals – und auch mit der Abstimmung untereinander. So durfte man den Griechen und den Österreicher desöfteren in Augsburg beobachten, wie sie gestikulierend klären wollten, wer denn nun wie zum Ball und Gegner geht. Blindes Verständnis sieht anders aus.

Alternativen in der Abwehr sind rar: Lukas Schmitz als erster Ersatzmann für die Außenbahn ist aus dem Rennen. Bleiben Aleksandar Ignjovski oder Florian Hartherz. Ersterer gilt als zweikampfstark, schmort aber seit seinem folgenreichen Patzer am ersten Spieltag in Dortmund nur noch auf der Bank. Zudem hapert es bei Ignjovski in der Vorwärtsbewegung. Hartherz, den Schaaf im vergangenen Januar noch als Stammkraft aufzubauen versucht hatte, ist mittlerweile nur noch in der Bremer Viertklassigkeit bei Werder II eine feste Größe. Noch dürftiger ist das Angebot in der Innenverteidigung, das eigentlich nur aus Assani Lukimya besteht. Fällt er aus – wie zuletzt bei seiner Rotsperre –, greift Schaaf zur Not auf den Hartherz-Kollegen Felix Kroos zurück. Der Schweizer Francois Affolter spielt überhaupt keine Rolle mehr.

Das Mittelfeld

Das Mittelfeld gibt Anlass zu Hoffnung und Sorge zugleich. Personell ist keine andere Abteilung – auch qualitativ – so gut aufgestellt. Aber: Es ist ausschließlich (!) mit Spielern besetzt, deren Heimat die Offensive ist. Und daran krankt das gesamte System Werder. Die Offensivauslegung wird zur Hochrisikovariante, wenn das Mittelfeld die Arbeit nach hinten vernachlässigt. In Augsburg geschah dies mit katastrophalen Auswüchsen: fünf Mann vorne, fünf Mann hinten, und dazwischen ein mehrere Meter breiter Streifen, in dem die Augsburger oft ohne nennenswerten Widerstand tummeln konnten.

Zum Mittelfeld gehören zurzeit gleich drei ausgewiesene Kreativspieler: Zlatko Junuzovic, Aaron Hunt und Kevin De Bruyne. Weil aber im zentralen Mittelfeld nur zwei von ihnen benötigt werden, hat Schaaf für Junuzovic – immerhin die Nummer zehn der österreichischen Nationalmannschaft – die Rolle des Defensivarbeiters vor der Abwehr zugewiesen. Die erfüllt der Vielläufer gewissenhaft; die notwendige Stabilität für die hinter ihm formierte Viererkette kann er allerdings nicht garantieren.

Noch mehr unter Druck gerät die Abwehr durch die fehlende Defensivarbeit der Flügelspieler. Marko Arnautovic und Eljero Elia fanden in Augsburg nicht nur nach vorne nicht statt, sondern auch nicht nach hinten. Das Tandem steht für Totalausfall. Und es torpediert durch die Verweigerungshaltung die Balance des gesamten Teams.

Alternativen gibt es, sie werden aber nicht abgerufen. So könnte Clemens Fritz wieder auf die Position des Sechsers rücken. Oder Philipp Bargfrede. In beiden Fällen würde – rein nominell – die Defensive gestärkt. Interessant wäre auch das Experiment mit Mehmet Ekici als Defensivpart im Mittelfeld. Die Verbindung zwischen Werder und dem Deutsch-Türken scheint jedoch eher auf Trennung als auf einen Neustart hinauszulaufen – seine Bundesliga-Einsatzzeit in dieser Saison liegt bei neun Minuten, Schaaf nominiert ihn schon seit dem zweiten Spieltag nicht mehr für den Kader. Denkbar wäre deshalb eine Ausleihe in der kommenden Winterpause.

Im zentralen Mittelfeld könnte Schaaf mit den drei Stammspielern Hunt, Junuzovic und De Bruyne variieren. Und auf den Außenbahnen? Als Ersatz für Elia und Arnautovic setzt Schaaf zuvorderst auf Niclas Füllkrug. Weitere Möglichkeiten hat der Cheftrainer nicht, so er nicht das Grundgerüst seiner Mannschaft ändern würde – beispielsweise mit einem Hunt auf der linken Außenbahn.

Der Sturm

Bei Werders Angriff von Sturm zu sprechen, ist momentan ein Widerspruch in sich. Zwei Tore haben die nominellen Angreifer in sieben Saisonspielen bislang erzielt, eines Nils Petersen und eines Joseph Akpala. Während Petersen immerhin noch seine Qualitäten hat erkennen lassen, sucht man herausragende Merkmale bei Akpala vergeblich. Trotz seines Treffers gegen Freiburg – dem Nigerianer fehlt jegliche Bindung zur Mannschaft, er wirkt langsam und unbeholfen. In 90 Minuten kam er auf 23 Ballkontakte, zum Abschluss kam er einmal.

Alternativen gibt es keine. Petersen und Akpala müssen sich im Ein-Stürmer-System gegenseitig vertreten, zur Not stünde noch der junge Füllkrug oder eventuell der gelernte Stürmer Hunt zur Verfügung. Ausfälle kann sich Werder hier am allerwenigsten erlauben.

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