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Werder-Nachwuchs "Wir müssen eine Höchstleistungskultur weiterentwickeln"

Marc Dommer, Leiter von Werders Leistungszentrum spricht über , seine Vision für die Entwicklung junger Spieler. Der Ist-Zustand ist wenig befriedigend: Zuletzt schaffte niemand den Sprung zu den Profis.
11.02.2025, 05:03 Uhr
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Von Stefan Freye

Herr Dommer, Sie hatten bei Antritt Ihrer neuen Aufgabe formuliert: „Es kann dauern, bis alles im Fluss ist.“ Wie sieht ein Leistungszentrum aus, wenn alles im Fluss ist?

Marc Dommer: Unser Ziel soll es sein, dass jedes Jahr ein Spieler aus dem Leistungszentrum entwächst, der auch Stammspieler in unserer Profimannschaft werden kann. Ich hatte die Aussage damals allerdings auch darauf bezogen, dass ich mich in manchen Dingen erst einarbeiten musste.

Inwiefern unterscheidet sich der Fluss unter Ihnen von dem vorheriger Jahre?

Ich kann die früheren Jahre nicht im Detail bewerten. Ich kann aber auf die vergangenen Monate zurückblicken, und da haben wir eine ganze Reihe von Dingen gemeinsam angefasst und weiterentwickelt.

Dann ist mit ihnen eine neue Handschrift verbunden?

Ziele erreichst du nur als Team, mit allen Beteiligten hier im Verein. Diese Weiterentwicklung ist nicht nur mein Ziel, sondern die Prämisse, unter der ich in das Team geholt wurde.

Lassen sich die angesprochenen Dinge in wenigen Sätzen zusammenfassen?

Ich versuche es mal mit Schlagworten: Es geht um Individualisierung, also die Entwicklung vom Spieler aus zu denken. Das ist eine Hochrechnung, zu welcher Leistung der Spieler im Höchstleistungsalter, also grob zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr fähig ist und was er auf dem Weg zur Entfaltung seines Potenzials benötigt. Dann geht es um eine gemeinsame Spielidee und auf welche Art und Weise wir Fußball spielen wollen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Spielorientierung im Training, die systematische Planung von kollektiven und individuellen Schwerpunkten sowie die effektive Nutzung der Trainingszeit. Darüber hinaus bedarf es effektiver Vermittlungsmethoden, um Inhalte nachhaltig an den Spieler zu bringen. Begleitend geht es auch um den Einbezug von Daten, also die Analyse der Umsetzung der Spielidee und individuellen Entwicklungen, um nur einige Stichpunkte zu nennen.

Von diesen Dingen hatte man in der Vergangenheit auch immer mal gehört. Mangelte es an der Umsetzung?

Ich maße mir nicht an, die Vergangenheit zu beurteilen, und bin auch nicht nach Bremen gekommen, um den Nachwuchsfußball zu erklären. Es gab und gibt bei Werder immer eine hohe Kompetenz in Sachen Nachwuchsförderung. Dennoch geht es auch darum, sich stetig zu verbessern und weiterzuentwickeln, neue Ideen mit einfließen zu lassen. Wir haben viele sehr gute theoretische Ansätze, die wir nun in der Praxis optimieren möchten.

In den vergangenen Monaten gab es jedenfalls eine vergleichsweise große personelle Fluktuation, von der rund ein halbes Dutzend Mitarbeiter betroffen war. Beginnend bei Ihrem Vorgänger Björn Schierenbeck, der nun Toptalente-Manager ist, über Ralf Heskamp, der sich nach wenigen Monaten aus Rolle des LZ-Leiters neben Ihnen zurückzog, bis hin zum beurlaubten Thorsten Bolder. So etwas ist man nicht gewohnt von Werder. Viele Menschen fragen sich deshalb: Was ist da los?

Ich muss gestehen: Ich genieße die Stabilität beim SV Werder. Aber es gab auch einschneidende Veränderungen, das ist richtig. Sie waren aber überwiegend mit einer anderen Position im Verein oder einem Karriereschritt verbunden. Lediglich bei Ralf Heskamp war es eine ungewöhnliche und so nicht geplante Entwicklung. Bei Thorsten Bolder war das ein extrem schmerzhafter Prozess, vor allem für ihn. Er wurde aber in Einstimmigkeit im Verein initiiert und ist im Übrigen noch nicht abgeschlossen. Die große Mehrheit der Mitarbeiter steht dagegen für Stabilität und Kontinuität.

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Gleichwohl wird die Fluktuation mit Ihrer Person in Verbindung gebracht. Wie gehen Sie damit um?

Ich glaube nicht, dass jemand, der die internen Abläufe kennt, zu dieser Einschätzung kommen würde. Letztlich muss jede personelle Veränderung einzeln betrachtet werden. Dann gibt es lediglich zwei Fälle, eben Ralf Heskamp und Thorsten Bolder, deren Situation nicht mit einem Karrieresprung und einer anderen Funktion verbunden ist. Und wie gesagt: Da ging es dann um gemeinsame getroffene Entscheidungen innerhalb des Vereins. Als Beteiligter dieser Entscheidungsprozesse übernehme ich dafür aber natürlich auch Verantwortung.

Was die sportliche Bedeutung und die infrastrukturellen Voraussetzungen betrifft, hat das Leistungszentrum des SV Werder in den vergangenen Jahrzehnten deutlich an Boden verloren gegenüber anderen Standorten. Was muss passieren, damit sich das wieder ändert?

Grob gesagt gibt es für mich drei wesentliche Faktoren von Nachwuchsarbeit: Einmal die Spieler-Sichtung und Talent-Identifikation, dann die Rekrutierung und Bindung und schließlich die Spieler-Ausbildung. Grundsätzlich denke ich, dass wir an allen Stellen eine Höchstleistungskultur weiterentwickeln müssen, ohne dabei die Bodenständigkeit und den menschlichen Bezug zu verlieren.

Können Sie diese Höchstleistungskultur mal definieren?

Für mich bedeutet das, jederzeit das Bestmögliche zu geben. An jedem Punkt gallig, bissig und motiviert zu sein, das Beste aus den Möglichkeiten zu machen und es sich nicht mit dem Status quo gemütlich zu machen.

Die jungen Leistungsmannschaften hatten ernsthafte Probleme in der letzten Spielzeit, lediglich die U17 wurde Dritter in ihrer Liga. Bereiten Ihnen die Platzierungen vor dem Hintergrund einer Höchstleistungskultur nicht Sorgen?

Mir machen Platzierungen grundsätzlich überhaupt keine Sorgen. Allenfalls im Übergangsbereich (U19 und U23, Anm. der Red.), sollten unsere Spieler in der Lage sein, sich bundesweit erfolgreich zu messen. Bei allen anderen Mannschaften bin ich hinsichtlich der Platzierung komplett entspannt. Es zählt vielmehr die Ausbildung und Entwicklung jedes einzelnen Spielers. Mir macht es Sorgen, wenn wir keinen Stammspieler in der Profimannschaft unterbringen. Ich bin jetzt zwei Jahre hier, und so richtig haben wir in dieser Zeit keinen Spieler da oben etabliert.

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Mittlerweile ist die Nachwuchsarbeit auch eine Frage des Geldes, und das hat dem Verein in den letzten Jahren oft gefehlt. Wird das Leistungszentrum von den 38 Millionen des regionalen Bündnis um Frank Baumann profitieren?

Wir haben einen soliden Etat im Leistungszentrum, mit dem wir etwa im Mittelfeld der Bundesliga liegen dürften. Derzeit werden zudem Mittel in die Hand genommen, um die Infrastruktur des Leistungszentrums zu verbessern. Das ist natürlich wichtig für die Entwicklung. Wenn wir die Möglichkeit haben, ein Toptalent zu bekommen, dann würden wir uns auch strecken. Aber wir werden sicher keine verrückten Dinge machen. Wir müssen schon gucken, dass wir Spieler finden, die nicht nur über Geld motiviert werden, bei Werder zu spielen. Sie müssen vielmehr überzeugt sein vom Ausbildungsumfeld, den Menschen, die hier mit ihnen arbeiten und der Durchlässigkeit zur Lizenzmannschaft.

Das Gespräch führte Stefan Freye.

Zur Person

Marc Dommer (50)

leitet seit Oktober das Leistungszentrum des SV Werder, mittlerweile gemeinsam mit Oliver Hüsing. Er war im Januar 2023 vom 1. FC Köln als Ausbildungsleiter zum Verein gekommen.

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