Die Bühne war bereitet für Mercedes-Boss Ola Källenius und seinen Finanzchef Harald Wilhelm. Eingerahmt vom neuen SUV mit Elektromotor EQS und einem Van schritten sie ans Rednerpult, um gute Nachrichten zu verkünden: Trotz Ukraine-Krieg, Inflation und den Nachwirkungen der Corona-Pandemie erzielten die Stuttgarter Autobauer im vergangenen Jahr satte Gewinne. Noch nie arbeitete das Unternehmen so profitabel wie zurzeit. Das Mercedes-Werk in Bremen konnte seinen Absatz nach den Lieferkettenproblemen der Corona-Jahre wieder steigern.
Als Källenius 2019 den Vorsitz bei Mercedes übernahm, schrieb der Autohersteller noch Verluste. Der Schwede verordnete der Marke mit dem Stern einen simpel erscheinenden Reformkurs: Gebaut und verkauft wird vor allem das, was gut und teuer ist. Die margenstarken Luxusmodelle sollen die Bilanz verschönern; die Kompaktklasse ist nur noch zweite Wahl.
Der Erfolg dieser Strategie versteckt sich hinter vielen Zahlen, die Källenius und Wilhelm am Freitag in ihrer Jahresbilanz präsentierten. Zum Beispiel diesen beiden: Zahlte ein Mercedes-Käufer 2019 noch im Schnitt gut 50.000 Euro für sein neues Fahrzeug, waren es im vergangenen Jahr fast 73.000 Euro. Und das liegt nicht in erster Linie an Preissteigerungen – die gab es natürlich auch –, sondern vor allem an den größeren Modellen, die Mercedes an den Mann und die Frau brachte: mehr E-Klasse, weniger A-Klasse.
Das Ergebnis: Mit dem Verkauf seiner Autos und Vans erzielte Mercedes-Benz im vergangenen Jahr einen Betriebsgewinn von 20,5 Milliarden Euro – ein Viertel mehr als im Jahr zuvor. Was die Investoren besonders begeisterte, war die Umsatzrendite, also das Verhältnis von Gewinn und Umsatz: Die Autosparte schaffte hier 14,6 Prozent. "Ein Fabelwert", jubelte das "Handelsblatt" umgehend. Noch nie zuvor in seiner mehr als 135-jährigen Geschichte sei der Konzern so profitabel gewesen.
Bremer Werk steigert die Produktion
Zu dem Erfolg hätten "starke Verkäufe der C-Klasse, des Topsellers GLC und des neuen EQE" beigetragen, teilte Mercedes mit; im Kernsegment konnte so ein Absatzplus von neun Prozent erzielt werden.
Alle drei Fahrzeuge werden auch im Werk Bremen gefertigt. Hier rollten im vergangenen Jahr 265.000 Fahrzeuge vom Band – neben der C-Klasse, dem SUV-Modell GLC und den Elektromobilen EQE und EQC auch die Roadster der SL-Klasse. Das waren zwar längst noch nicht wieder so viele wie in Spitzenjahren, in denen mehr als 400.000 Fahrzeuge das Werk in Sebaldsbrück verließen, aber immerhin schon wieder deutlich mehr als im Coronajahr 2021, als wegen fehlender Bauteile nur 215.000 Fahrzeuge hergestellt werden konnten.
Für Michael Peters, den Betriebsratsvorsitzenden des Bremer Werks, ist das Jahr "trotz schwieriger Umstände" gut gelaufen. "Wir mussten bei Lieferengpässen immer wieder kurzfristig reagieren und sind häufig im ,Stop-and-go-Betrieb' gefahren", sagt er. Kurzarbeit und Sonderschichten lösten sich ab, je nach Verfügbarkeit von Bauteilen. "Das ist den Kolleginnen und Kollegen manchmal schwer zu erklären, aber es haben alle gut mitgezogen und wir haben das Beste rausgeholt."
Mit seiner breiten Modellpalette sieht Peters das Werk gut für die Zukunft gerüstet. "Wir haben beides – die Verbrenner und die E-Modelle. Damit können wir flexibel auf die Entwicklungen am Markt reagieren", stellt er fest. Auch die gewinnträchtigen – also "margenstarken" – Luxusmodelle, auf die der Konzernvorstand setzt, werden in Bremen gefertigt.
Der rasante Steigflug der Marke Mercedes könnte in diesem Jahr allerdings in einen Gleitflug übergehen. Konzernchef Källenius erwartet stabile Umsätze bei leicht sinkenden Gewinnen. Die Einführung neuer Elektromodelle dürfte einen Teil der Marge wieder auffressen, so die Prognose. Außerdem sind die Auftragseingänge aus Europa und China eher verhalten.
An einen Abbau von Arbeitsplätzen in den Montagewerken sei nicht gedacht, versichert Källenius. Mehr Sorgen müssen sich möglicherweise die Mercedes-Händler machen: Auch in Deutschland will der Autobauer in diesem Jahr zum Direktvertrieb seiner Fahrzeuge übergehen.