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Forschung in Bremen Abwasser als Corona-Frühwarnsystem: Wie funktioniert das?

Das Abwasser kann frühzeitige Hinweise auf regionale Corona-Ausbrüche liefern. Bremen beteiligt sich nun an einem bundesweiten Forschungsprojekt – ein Überblick, welche Erkenntnisse dabei zu erwarten sind.
01.03.2022, 16:56 Uhr
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Abwasser als Corona-Frühwarnsystem: Wie funktioniert das?
Von Felix Wendler
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Im Sommer 2020 sorgte eine Mitteilung des italienischen Gesundheitsinstituts ISS für Aufsehen: Forscher hatten in Turiner Abwasserproben vom 18. Dezember 2019 Spuren des Coronavirus gefunden – erst zwei Monate später waren in Italien die ersten Infektionsherde bekannt geworden. Seitdem gehen Wissenschaftler weltweit der Frage nach, ob und wie das Abwasser als Corona-Frühwarnsystem dienen kann. Auch Bremen beteiligt sich schon länger an der Grundlagenforschung – und ist jetzt Teil eines bundesweiten Projekts. Was dahinter steckt, zeigt dieser Überblick.

Worum geht es bei dem Projekt?

Ziel ist es, eine bundesweit einheitliche Methode zur Überwachung des Abwassers zu finden. Diese Methode könnte zukünftig dabei helfen, Corona-Infektionswellen möglichst früh zu erkennen. Der Anstieg der Virenlast im Abwasser sei bereits acht bis 14 Tage vor dem Zeitpunkt nachweisbar, an dem eine Infektion normalerweise erkannt wird, erklärt Christoph Bernatzky, Leiter des Bereichs Technologie und Innovation bei Hansewasser. Bis zum Frühjahr 2023 wird das Bremer Abwasserunternehmen im Zulauf der Kläranlage Seehausen regelmäßig Proben entnehmen. 

Wie funktioniert der Nachweis?

"Sobald eine Person infiziert ist, scheidet sie Bruchstücke des Virus über den Toilettengang aus", sagt Bernatzky. Hansewasser zufolge werden die enthaltenen Viren aufkonzentriert und isoliert. Über molekularbiologische Verfahren lasse sich dann neben anderen Erregern auch das Coronavirus nachweisen.

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Wer organisiert das Projekt?

Das Projekt ist ein gemeinsames Vorhaben der Bundesministerien für Gesundheit, Umwelt und Forschung. Finanziert wird es mit etwa 3,7 Millionen Euro aus Mitteln der EU-Kommission. Aus 119 Bewerbern wurden 20 Standorte ausgewählt – neben Bremen zum Beispiel Stuttgart, Saarbrücken und Hamburg, aber auch kleinere Gemeinden wie Bramsche in Niedersachsen. Beworben haben sich laut Hansewasser-Sprecher Oliver Ladeur die jeweiligen Abwasserbetriebe. Die Antragstellung sei mit der Gesundheitsbehörde und der Umweltbehörde abgestimmt worden.

Welche Erkenntnisse erhofft man sich?

Die Proben könnten Aufschluss über zu- oder abnehmende Infektionszahlen und Virusvarianten geben, so Bernatzky. Das Projekt selbst ist allerdings zunächst als Versuch angelegt: Konkret soll die Frage geklärt werden, ob und wie die Abwasseruntersuchung in Deutschland langfristig bei der Corona-Bekämpfung helfen kann. Länder wie Kanada, die Niederlande und Australien nutzen diese Methode bereits flächendeckend.

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Wie sieht die Strategie aus?

Wichtig für den Erfolg ist laut Projektbeschreibung eine enge Abstimmung mit den Behörden. "Die aus dem Abwasser gewonnenen Daten werden mit den Gesundheitsdaten der lokalen Gesundheitsämter abgeglichen", heißt es. Ladeur zufolge sollen die Zahlen zukünftig in eine bundesweite Datenbank eingepflegt werden – das Robert-Koch-Institut plane die Einrichtung einer solchen Plattform. In Bremen gibt es bislang offenbar keine konkreten Pläne, wie mit den erhobenen Daten verfahren werden soll. Das Haus von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) teilt auf Anfrage mit, dass der Austausch gerade erst begonnen habe.

Welche Erfahrungen hat Bremen bisher gemacht?

Hansewasser beteiligt sich bereits seit Herbst 2020 an einem Forschungsvorhaben des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Dabei werden zweimal wöchentlich Proben aus der Kläranlage Seehausen entnommen und nach Leipzig geschickt. Im Gegensatz zum neuen Forschungsprojekt handelt es sich dabei um reine Grundlagenforschung – das UFZ-Projekt dient quasi dazu, Abläufe und Instrumente zu testen.

Welche Probleme gibt es?

Bislang fehlt – zumindest außerhalb der Pilotprojekte – eine Standardisierung der Probenentnahme. Für eine flächendeckende Anwendung müsste außerdem ein Konzept entwickelt werden, wie die Bundesländer und ihre oftmals kommunal organisierten Gesundheitsämter und Abwasserbetriebe zusammenarbeiten können. Auch sei eine Rückverfolgung von Ausbrüchen nur teilweise möglich, so Jörg Drewes. Der Abwasserexperte von der Technischen Universität München hatte im vergangenen Jahr im Gespräch mit dem WESER-KURIER darauf hingewiesen, dass sich politische Grenzen nicht immer mit dem Kanalisationssystem decken. Heißt: Im Zweifelsfall lässt sich nur mit großem Aufwand herausfinden, woher das belastete Abwasser stammt.

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