Es könnte so schön sein: Tische mit voll besetzten Plätzen, Gäste, die sich Feierabendbier und Speisen schmecken lassen, und Wirte, bei denen nach harten Pandemiemonaten wieder der Umsatz stimmt. Doch die Realität ist für viele Gastronomen eine andere. Der Fachkräftemangel ist in Bremen so groß, dass immer mehr Betriebe ihre Öffnungszeiten einschränken und den Gastraum begrenzen müssen.
So ist es auch in der Union Brauerei in Walle. 60 der 120 Außenplätze sind momentan abgebaut, drinnen mussten die Wirte ebenfalls reduzieren. „Wir kriegen die Schichten einfach nicht mit ausreichend Personal besetzt“, sagt Küchenchef und Betriebsleiter Johannes Robold. Allein im Service fehlten drei Vollzeitkräfte und acht Aushilfen. Das Personalproblem wirkt sich auch auf die Öffnungszeiten aus: War das Braugasthaus vor Corona sieben Tage die Woche geöffnet, sind nun der Sonntag und Montag zu Ruhetagen geworden. Dabei sei die Nachfrage da. „Durch die angespannte Situation gehen uns jede Woche mehrere Tausend Euro Umsatz verloren“, klagt Robold.
Damit sind die Gastwirte aus Walle nicht allein, bestätigen der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und die Bremer Gastro-Gemeinschaft. „Von zusätzlichen Ruhetagen, eingeschränkten Öffnungszeiten oder Gastbereichen hören wir aktuell immer wieder“, sagt Detlef Pauls, Vorsitzender des Dehoga-Landesverbandes. „In den Restaurants an der Küste haben einige sogar komplett auf Selbstbedienung umgestellt.“
Nach Angaben der Bremer Gastro-Gemeinschaft, die die Interessen von mehr als 400 Betrieben vertritt, hätten allein in den vergangenen zwei Monaten mehr als zehn gastronomische Betriebe ganz aufgeben müssen. Weitere hätten ihre Schließung angekündigt. „Der Fachkräftemangel hat bei allen zumindest eine Rolle gespielt“, sagt Geschäftsführer Thorsten Lieder. Zusätzlich belasten gestiegene Preise, die Gaskrise und Sorgen vor einem nächsten Pandemie-Herbst die Wirte. „Dass es vonseiten der Politik noch immer keine klare Strategie für das Jahresende gibt, schreckt Arbeitskräfte natürlich weiter ab“, kritisiert Lieder.
Laut der Agentur für Arbeit gab es in Bremen im Juli knapp 400 Stellenangebote in der Gastronomie – Tendenz steigend. Im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres waren es 266. Laut einer Dehoga-Umfrage berichteten Anfang Juni bundesweit mehr als 60 Prozent der Betriebe von einem „akuten Mitarbeitermangel“. „Wer Lust hat, in der Gastronomie zu arbeiten, muss momentan eigentlich nur bei seinem Lieblingsrestaurant, Café oder Kneipe anfragen“, sagt Thorsten Lieder.
Insbesondere kleinere Lokale trifft der Fachkräftemangel hart. So macht das Restaurant Ben’s Burger & Bar in der Stader Straße länger Betriebsferien als geplant, um das Stammpersonal zu schonen, wie Kunden auf dem Instagramkanal der Lokalität erfahren. „Wir möchten unser kleines Team nicht verheizen und möchten auch nicht, dass am Ende die Qualität leidet“, schreiben die Betreiber. Sie wollen die Pause nutzen, um geeignetes Personal zu finden.
"Lage ist desaströs"
Zwar hat die Pandemie den Fachkräftemangel in fast allen Branchen verschärft, doch einer neuen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge, ist das Gastgewerbe überdurchschnittlich stark betroffen. Hotels und Gaststätten verloren allein im Jahr 2020 bundesweit rund 216.000 Beschäftigte, wie die Autoren der Studie unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit schreiben. Der Einzelhandel habe sich dabei als Auffangbecken für abgewanderte Beschäftigte erwiesen. "Die Supermärkte haben mitunter gezielte Kampagnen zum Abwerben gefahren", sagt Dehoga-Chef Detlef Pauls.
In der Gastronomie gehören lange Arbeitszeiten und körperliche Anstrengung oftmals zum Arbeitsalltag. „Während der Lockdowns haben viele Servicekräfte ein anderes Leben kennen und schätzen gelernt“, sagt Nicole Ciara, Verkaufsdirektorin bei der Firma Q Gastro & Events, die mehrere Restaurants und Eventflächen in Bremen betreibt. Auch sie hätten zuletzt Abstriche im Betrieb machen müssen. Für die Eventflächen habe man in der Vergangenheit mit Personaldienstleistern zusammengearbeitet, die zusätzliche Kräfte bei Bedarf schicken konnten. „Doch auch dort ist die Lage desaströs“, sagt Ciara.
Die Bundesregierung kündigte nach der Sonderregelung für Flughafenpersonal auch für das Gastgewerbe einen vereinfachten Zuzug von Arbeitskräften aus dem Ausland an. Immer mehr Betriebe lassen sich zudem etwas einfallen, um Mitarbeiter anzuwerben oder zu halten. Viele bezahlen übertariflich oder locken mit Zusatzversicherungen, Gratisessen oder Mitgliedschaften im Fitnessstudio. Wie berichtet, führte das Restaurant Canova in der Kunsthalle vor Kurzem die Viertagewoche ein.