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Zum "Tag des Baumes" "Es gibt einen dramatischen Baumverlust"

Der 25. April ist der Tag des Baumes. Der Bremer Botanik-Professor Dietmar Zacharias über private Gärten, Neubaugebiete und die Gründe, warum man auf jeden Fall einen Baum pflanzen sollte.
25.04.2022, 06:00 Uhr
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Von Helke Diers

Herr Zacharias, Bäume gibt es länger als die Menschheit. Welche Rolle spielen Bäume ganz allgemein für unser Leben?

Dietmar Zacharias: Ganz nüchtern ist es so: Wir können ohne Bäume in unserer direkten Umgebung leben. Die Inuit beispielsweise lebten ursprünglich in einem Lebensraum ohne Bäume. Gleichzeitig sind Pflanzen – also auch die Bäume – Basis unseres Lebens in vielfältiger Weise. Durch Photosynthese, die Sauerstoffproduktion, tragen Bäume zu einer Atmosphäre bei, die wir als Menschen brauchen. Was sie produzieren  begleitet uns im Alltag: Baustoff, Heizmaterial und direkt oder indirekt auch Nahrungsmittel.

Landwirtschaftliche Nutzung ist in Städten ja eher kein großes Thema...

Man kann in einer Stadt ohne Bäume leben. Ich möchte das persönlich nicht. Bäume nehmen Staub auf und kühlen durch die Verdunstung. Sie haben in der Summe eine riesige Oberfläche. Im Umfeld vom Bürgerpark ist es im Mittel ein Grad kühler als in der restlichen Stadt, wegen des Schattens und der Verdunstung. Und da, wo Bäume stehen, ist Wurzelwerk und Boden, wo Regen versickern kann, Stichwort Starkregen.

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Fühlen sich viele Menschen einem durch Bäume belebten Umfeld nicht einfach wohler? Der Aufenthalt im Wald gilt ja als beruhigend und stressreduzierend.

Bäume schaffen eine Umwelt, in der wir uns wohlfühlen. Es gibt Untersuchungen dazu, dass im Krankenhaus liegende Menschen schneller gesund wurden, wenn sie auf einen Baum schauen konnten. Bäume haben einen positiven mentalen Effekt. Das Sitzen im Biergarten unter einer Kastanie im Sommer ist ja schon ein Sinnbild fürs Wohlfühlen. Manchmal werden Bäume reduziert auf ihre Funktion, Sauerstoff zu produzieren oder CO2 zu binden. Ich glaube, wir kommen ihrer Wirkung näher, wenn wir Bäume in ihrer Gesamtfunktion sehen. Bäume in einer gewissen Dichte, in Parks oder im Wald, das hat noch mal einen anderen Effekt. Da halten wir uns gerne auf, unsere Gedanken ändern sich und wir werden entspannter.

In Bremen gibt es laut dem Umweltbetrieb Bremen rund 73.000 Straßenbäume und mehr als doppelt so viele in Parks, Grünanlagen, Schulen und ähnlichen Orten. Was machen die privaten Bäume aus?

Viele Bäume stehen in privaten Gärten, gerade in größeren. Wenn die Gärten, gerade in Neubaugebieten, zu klein werden, passt irgendwann kein Baum mehr rein. Ich vermute, es gibt mehr private Bäume als öffentliche. Aber das kann ich nicht belegen. Zusammengenommen bilden die vielen Einzelgärten eine sehr große Fläche in der Stadt. Sie haben auch einen großen Effekt auf die Artenvielfalt insgesamt, weil sie so verschieden sind. Unterschiedlichkeit ist wertvoll.

Und wie geht es den privaten Bäumen?

Es fallen unglaublich viele Bäume, weil die Grundstücke verkauft werden. Wenn ein Eigentümerwechsel stattfindet, wird oft ein altes Haus abgerissen, es werden größere Häuser und Zufahrten gebaut. Die Häuser werden ohne Bezug zum Baum auf einer vermeintlich leeren Fläche gestaltet. Es gibt einen schleichenden und dramatischen Baumverlust. Und es wird nicht im gleichen Ausmaß neu gepflanzt wie gefällt.

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Lässt man einen Baum stehen, auch wenn die Früchte oder Blätter immer wieder mal Terrasse, Kaffeetafel oder Rasenfläche bedecken?

Wir hätten heute keinen alten, prägenden Baum mehr in unseren Wohnquartieren, wenn nicht mehrere Generationen von Besitzern gesagt hätten: Ich wäge pro Baum ab und lasse ihn stehen.

Worauf sollten Menschen achten, die in ihrem Garten oder auf ihrer Parzelle einen Baum pflanzen wollen?

Gärten sind ein Stück privater Kultur: Jeder gestaltet nach seinen ästhetischen Wünschen. Es gibt natürlich gute Gründe, auf die Funktion eines Baumes zu achten. Wer einen Schmetterling oder Vögel sehen will, sollte einen Baum pflanzen, der diese Tiere ernährt. So wie heimische Bäume  oder gerade auch Obstbäume. Im Hinblick auf die Pflege ist es hilfreich, wenn der Stressfaktor nicht schon vorprogrammiert ist. Matschige Früchte auf der Trasse sind für viele keine gute Perspektive. Man sollte sich vorher fragen: Hat der Baum genug Platz, so dass er auch Raum für Wurzeln und herunterfallende Blätter hat?

Wie finde ich denn den Baum, der zu mir und meinem Garten passt?

Ich finde es wichtig, einen Draht zum Baum zu haben. Die Freude an dem Laub, der Farbe der Blüten oder der Ernte. Es ist doch etwas Tolles, sich eine Birne oder Kirsche abzupflücken. Der größte Fehler ist es, keinen Baum zu pflanzen. Ich denke, es hat auch etwas mit Verantwortung zu tun, wenn man ein Stück Boden besitzt oder pachtet, diesen nicht komplett zu versiegeln, sondern als Teil des lebenden Systems etwas wachsen zu lassen. Oft fehlt Menschen der Zugang, sich davon mitnehmen und begeistern zu lassen, wenn Blätter und Blüten austreiben. Ich persönlich wundere mich, dass manche Menschen sich in künstlichen Umwelten so wohl fühlen.

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Wenn wir an die Klimaerwärmung denken: Sollte das die Sortenauswahl beeinflussen?

Wenn man ab und zu eine Gießkanne in die Hand nimmt, kann man praktisch jeden Baum pflanzen, wenn er den Frost im Winter übersteht und auch nicht gleich bei jeder heißen und trockenen Phase aufgibt. Die Entscheidung, einen Baum zu pflanzen, bedeutet auch, nicht nur in einer Saison, sondern über mehrere Jahre und Jahrzehnte zu denken. Das steht für Zuversicht in die Zukunft.

Was ist Ihr persönlicher Lieblingsbaum?

Ich finde viele Bäume toll, aber ich mag besonders die Elsbeere, eine heimische Baumart. Ich habe auch eine große Sympathie für den Feldahorn, der hat eine wunderschöne, knallgelbe Herbstfärbung und ist hart im Nehmen. So wie ein Baum halt sein muss, der in unserer Naturlandschaft in den Auen der Flüsse wächst – passt also auch richtig gut zur Weserstadt Bremen.

  • Das Gespräch führte Helke Diers.

Zur Person

Dietmar Zacharias

ist Professor für Angewandte und Ökologische Botanik an der Hochschule Bremen. Er spricht anlässlich des Tag des Baumes über die Bedeutung von Bäumen in privaten Gärten.

Zur Sache

Der Tag des Baumes

In Deutschland wird der Tag des Baumes am 25. April gefeiert, in diesem Jahr bereits zum 70. Mal. Die Idee geht auf Baumpflanzungen in Nebraska (USA) im neunzehnten Jahrhundert zurück. Am 27. November 1951 beschlossen die Vereinten Nationen den Tag des Baumes, so das Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz. Der Präsident der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) pflanzte gemeinsam mit Bundespräsident Theodor Heuss am 25. April 1952 einen Bergahorn im Bonner Hofgarten. Mit dem Tag des Baumes verfolgt die Schutzgemeinschaft das Ziel, auf die Bedeutung der Bäume für Mensch und Umwelt aufmerksam zu machen. In Bremen wird es laut SDW am 25. April keine Baumpflanzungsaktionen geben. Anders in Niedersachsen: Dort wird der Ministerpräsident eine Buche im Tiergarten Hannover pflanzen.

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