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Ausweichquartier Bremer Drogenszene: Wie sich die Friedrich-Rauers-Straße entwickelt

Seit Ende 2022 versucht die Stadt, die Drogenszene vom Bremer Hauptbahnhof in Richtung Friedrich-Rauers-Straße zu drängen. Zumindest in Teilen scheint das zu gelingen. Doch wie hat sich der Ort entwickelt?
01.02.2024, 05:00 Uhr
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Bremer Drogenszene: Wie sich die Friedrich-Rauers-Straße entwickelt
Von Kristin Hermann

Etwa 15 Minuten benötigt man zu Fuß vom Bremer Hauptbahnhof in die Friedrich-Rauers-Straße. Lange war die Straße, die parallel zum Breitenweg verläuft, kaum jemandem ein Begriff, doch das hat sich in den vergangenen Monaten verändert. Seit etwas mehr als einem Jahr versucht die Stadt, die Drogenszene vom Hauptbahnhof dorthin zu drängen. Mit Erfolg? 

Welche Angebote für Drogensüchtige gibt es dort inzwischen?

Neben dem provisorischen Drogenkonsumraum, der bereits vor den gezielten Maßnahmen der Stadt dort ansässig war, ist vor einigen Monaten in das noch leer stehende Gebäude des geplanten integrierten Konsumraums übergangsweise ein weiteres Angebot für Drogensüchtige gezogen, bei dem Abhängige tagsüber Ruheliegen nutzen können oder etwas zu Essen erhalten. Die Einrichtungen werden nach Angaben des privaten Drogenhilfeträgers Comeback zunehmend aufgesucht. Ende 2022 ist eine Akzeptanzfläche ausgewiesen worden, auf der sich die Szene treffen kann und die von Streetworkern aufgesucht wird. Darüber hinaus biete die Innere Mission im Zuge der Kälteregelung in einem Gebäude Schlafplätze für Obdachlose an.

Wie hat sich die Akzeptanzfläche entwickelt? 

Neben ein paar Bänken und einem Urinal sind zentraler Aufenthaltsort der Toleranzfläche zwei Container. Eigentlich hatten die Behörden stets betont, dass diese keinen Wohncharakter bekommen sollen, doch der Plan scheint bisher nicht aufzugehen. Den Zwischenraum haben einige Szeneangehörige mit Folie abgeklebt, um Wind und Kälte fernzuhalten. Innen drin befinden sich Sofas, Matratzen und jede Menge Hausrat – für einige scheint es ihr Zuhause geworden zu sein. Diese Entwicklung könnte bald zu Problemen führen, denn die Gesundheitsbehörde kündigt an, die Container in den kommenden Wochen auseinanderzustellen und selbst Möbel aufbauen zu wollen, um die Nutzung unterschiedlicher Gruppen zu fördern, heißt es. 

Wer nutzt die Fläche aktuell? 

Nach Angaben der Gesundheitsbehörde halten sich auf der Toleranzfläche über den Tag verteilt bis zu 100 Menschen auf, 30 davon seien dort regelmäßig oder dauerhaft. Eine größere Gruppe, die dort untergekommen ist, sind geflüchtete Drogenabhängige ohne sicheren Aufenthaltstitel, die im regulären Hilfesystem nur wenig Möglichkeiten haben oder außerhalb von Bremen gemeldet sind.

Kommt es dort zu Polizeieinsätzen? 

Zwischen Januar 2023 und Ende Januar 2024 hat die Polizei über den Notruf insgesamt 50 Einsätze rund um die Akzeptanzfläche verzeichnet, 30 davon hätten im Zusammenhang mit Drogenkonsum gestanden. Gründe seien unter anderem Streit, Körperverletzungs- und Diebstahlsdelikte gewesen oder hätten im Zusammenhang mit der Durchsetzung des Hausrechts gestanden. Der provisorische Konsumraum musste vor einigen Monaten einen Sicherheitsdienst engagieren. Zudem gebe es regelmäßige polizeiliche Kontroll- und Präsenzmaßnahmen in der Friedrich-Rauers-Straße. 

Wie ist der übrige Zustand der Straße? 

Unabhängig von den bestehenden Angeboten und der Akzeptanzfläche stehen viele Immobilien in der Straße leer. Dazu zählt unter anderem das Jakobushaus, das lange eine Anlaufstelle für Obdachlose war. Die Zustände dort lassen erahnen, dass die Akzeptanzfläche nicht für alle ausreicht und die Not weiter groß ist. Der Boden ist übersät mit Hunderten von Spritzen und anderen Hinterlassenschaften, Schlafsäcke verraten, dass einige dort ihr Nachtlager aufgeschlagen haben.

Wann soll der geplante Drogenkonsumraum kommen? 

Der integrierte Drogenkonsumraum ist bereits seit Jahren geplant und soll mehrere Hilfsangebote unter einem Dach bündeln. Dazu zählen eine medizinische Ambulanz und Substitution, ein Konsumraum mit Ruheliegen sowie ein Tagesaufenthalt mit Café, Küche, Beratungsräumen, Kleiderkammer und Dusche. Nach vielen Monaten der Ungewissheit sollen die Bauarbeiten dem Gesundheitsressort zufolge im ersten Halbjahr 2024 beginnen. Für die Umbaukosten sind knapp 3,6 Millionen Euro veranschlagt. Läuft alles wie geplant, gehe man von einer Inbetriebnahme im Jahr 2025 aus. Für das aktuell dort bestehende Ruheangebot soll in der Zwischenzeit ein alternativer Standort in der Nähe gefunden werden, die Container des provisorischen Drogenkonsumraums könnten nach Eröffnung in einem anderen Stadtteil genutzt werden. 

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Wie schätzen Fachleute das aktuelle Angebot ein? 

Die Gesundheitsbehörde wertet die Entwicklung der Friedrich-Rauers-Straße positiv. Die Toleranzfläche und die Angebote würden zu einer Entlastung des Hauptbahnhofes beitragen. Dem Drogenhilfeträger Comeback zufolge sei die Straße zu einem etablierten Ort für die Szene geworden. Dennoch gebe es Herausforderungen. Unter anderem fehle es an mehr Notunterkünften und Wohnraum für Szeneangehörige, sagt Lea Albrecht, die für Comeback den provisorischen Konsumraum leitet. Die CDU- und FDP-Fraktion kritisierten in der letzten Gesundheitsdeputation die langsame Umsetzung des Drogenkonsumraums und die Zustände vor Ort. Auch jene, die aufgrund ihrer Arbeit regelmäßig mit der Szene zu tun haben, sind nicht zufrieden mit der Entwicklung und bemängeln unter anderem den provisorischen Charakter der Angebote, der bereits seit Monaten andauere. "Rund um die Toleranzfläche kommt es zudem immer wieder zu Gewalttaten und Drogenhandel" sagt ein Streetworker, der anonym bleiben möchte. Zudem würde die Fläche längst nicht für alle ausreichen.

Es sollen weitere Toleranzflächen in der Stadt entstehen. Welche Standorte werden dafür geprüft? 

In Zusammenarbeit mit dem Beirat Neustadt wird in den nächsten Wochen im Hohentorspark eine Toleranzfläche zur Entlastung des Lucie-Flechtmann-Platzes etabliert. Für den Innenstadtbereich werden laut Gesundheitsressort Vorschläge für einen weiteren Akzeptanzort geprüft – die Suche gestalte sich jedoch schwierig. 

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