18 Prozent Aufschlag bei Fleischwaren, 24 Prozent bei Eiern, 15 Prozent bei Brot – diese Preissteigerungen mussten Verbraucher im Juli, verglichen mit dem Vorjahresmonat, hinnehmen. Teilweise höher fallen Preissteigerungen im Bereich der Energieversorgung aus: Strom ist 18 Prozent teurer geworden, die Gaspreise sind um rund die Hälfte gestiegen und der Preis für Heizöl hat sich fast verdoppelt. Das geht aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervor. Alles wird teurer? Das stimmt so nicht. Fraglich ist aber, ob die Preissteigerungen durchweg gerechtfertigt und gut begründbar sind.
Wie begründen sich die Preissteigerungen?
Dass die Preise für Lebensmittel steigen, liegt laut der Bremer Verbraucherzentrale nicht nur an gestiegenen Energiekosten. Auch die Kosten für Düngemittel und Futtermittel seien stark gestiegen, teilen die Verbraucherschützer auf ihrer Webseite mit. „Arbeitskräftemangel und Mindestlohn verteuern die Personalkosten“, heißt es weiter. Gestiegene Energiepreise sind zu einem großen Teil auf den Ukraine-Krieg zurückzuführen. Im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Ukraine liefert Russland weniger Erdgas als vereinbart. Importeure und Versorger müssen sich deshalb zu höheren Kosten auf dem Weltmarkt eindecken.
Sind alle Preissteigerungen durch die aktuellen Krisen zu erklären?
Viele Preise steigen durch Spekulationsgeschäfte“, sagt Rudolf Hickel. Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler verweist auf sogenannte Warentermingeschäfte, bei denen institutionelle Anleger zum Beispiel auf Weizenernten wetten. Solche Spekulationen müssten stärker reguliert werden, fordert Hickel – in Japan sei Reis für Warentermingeschäfte gesperrt worden. Er kritisiert außerdem die Mineralölkonzerne, die „ihre Marktmacht zu abgestimmten Preisaufschlägen missbrauchen“. Sie hätten den für Verbraucher gedachten Tankrabatt zu großen Teilen mitgenommen.
Der Wirtschaftswissenschaftler plädiert dafür – wie unter anderem auch Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) –, die Übergewinne dieser Konzerne mit einer Sondersteuer zu belegen. "Am besten wäre es, die monopolistische Marktmacht zu zerschlagen. Aber das traut sich die Politik nicht", sagt Hickel. Das Bremer Bündnis gegen Preissteigerungen fordert eine gesetzliche Preisbremse, für die es theoretisch eine Rechtsgrundlage gibt – praktisch spielt das Gesetz bislang aber keine Rolle.
Wie sieht die Preisgestaltung von Supermärkten aus?
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist bei Preisvergleichen auf große Unterschiede innerhalb der gleichen Produktgruppe gestoßen. Bei einer Stichprobe in vier großen Einzelhandelsketten habe der Kilopreis für Tomaten zwischen 1,11 Euro und 22,17 Euro gelegen. „Solche eklatanten Preisunterschiede am gleichen Tag in unterschiedlichen Supermärkten lassen sich nicht durch höhere Herstellungskosten, Hamsterkäufe oder die Folgen des Ukrainekrieges erklären“, so Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen. Die Preisbildung für Lebensmittel sei „in hohem Maße intransparent und spekulativ“, gegen mögliche Preisabsprachen müsse härter vorgegangen werden.
Im Gegensatz zum Mineralölmarkt stünden die großen Supermarkt-Ketten und Discounter in einem echten Konkurrenzkampf, sagt Hickel. Absprachen oder eine „systemische Preistreiberei“ gebe es nicht – bei einzelnen Waren würden jedoch Preiszuschläge durchgesetzt. Hickel verweist auch auf Studien zur Mehrwertsteuersenkung im Jahr 2020, denen zufolge die Supermärkte lediglich die Hälfte der Ersparnisse an ihre Kunden weitergegeben hätten.
Was ist nicht teurer geworden?
Der Preis für Telekommunikationsdienstleistungen ist laut dem Statistischen Bundesamt leicht gesunken. Auch einige Versicherungen, beispielsweise für Hausrat, sind durchschnittlich etwas günstiger als noch vor einem Jahr. Preisstabilität und -senkungen gibt es vor allem bei Dienstleistungen, aber auch einige Waren bleiben von der Inflation verschont – zum Beispiel Fernseher und Bekleidung. Einen deutlichen Preisrückgang gibt es im Bereich Verkehr: Die Personenbeförderung ist um mehr als 60 Prozent günstiger geworden. Darunter fallen zum Beispiel Verbundtickets für öffentliche Verkehrsmittel. Die Vergünstigungen sind auf die Einführung des Neun-Euro-Tickets zurückzuführen.