Jetzt wird es spannend für die Gesamtschule Ost (GSO) in Tenever: Sie hat es in die Runde der 15 Favoriten für den Deutschen Schulpreis geschafft. An diesem Montag wird der Preis in Berlin verliehen. Es winken der Status als eine der besten Schulen und für den ersten Platz ein Preisgeld von 100 000 Euro. Für die Plätze zwei bis sechs gibt es einen Betrag von jeweils 25 000 Euro. Auf den Preis, der von der Robert-Bosch-Stiftung ins Leben gerufen wurde, haben sich mehr als 90 Schulen in ganz Deutschland beworben.
Wie die Chancen stehen, es auf einen der vorderen Plätze zu schaffen? Diese Frage beantworten die beiden Schulleitungen der GSO mit einem Lächeln. "Wir haben doch jetzt schon gewonnen", sagt Schulleiter Hans-Martin Utz. "Unser Ziel ist erreicht, wir sind sehr zufrieden", betont auch seine Stellvertreterin Karin Peterburs. Auch die 20 besten Schulen profitieren bereits: Sie können an zahlreichen Vernetzungstreffen mit den anderen 19 Favoriten-Schulen teilnehmen.
"Wir könnten im Prinzip jeden Monat einen Kollegen in eine andere Schule schicken, um sich auszutauschen und von anderen tollen Schulen zu lernen", sagt Peterburs. Das sei ein Gewinn für die Schulentwicklung. Und bereits jetzt bekomme die GSO 5000 Euro, weil sie es unter die Favoriten schaffte.
Im Februar war die Jury der Bosch-Stiftung vor Ort in Bremen: Die sechs Bildungswissenschaftler sahen sich übrigens gleich zwei Bremer Schulen an, die es unter die Top 20 geschafft hatten – die Neue Oberschule Gröpelingen und die Gesamtschule Ost. Der Sprung in die Top 15 gelang dann aber nur der GSO.
Womit tritt die Gesamtschule in Tenever an? "Wir sagen: Die Persönlichkeit des Kindes steht im Vordergrund, nicht die Leistung. Das ist eine Frage der Haltung", betont der Schulleiter. Was das konkret bedeutet, erklärt er an einem Beispiel. In seiner eigenen Schulzeit habe – wenn er Probleme in Mathe hatte – sich niemand auf die Suche danach gemacht, was er ansonsten gut könne. Das versucht man an der GSO anders zu machen.
"Ich hatte einen Jungen bei mir im Matheunterricht, der in dem Fach sehr still war und sich so gut wie nie gemeldet hat", beschreibt Peterburs. "Dann hat er bei der Stadtteiloper mitgemacht und dort vor einem Publikum von 1000 Leuten auf der Bühne gesprochen", erzählt sie. "Das hat mich überrascht und beeindruckt – und danach habe ich im Mathe-Unterricht zu dem Jungen gesagt: Wenn du dort vor so vielen Leuten sprechen kannst, kannst du das auch hier in der Klasse. Er hat dann auch in Mathe wirklich einen Schwung gemacht."
Und jenseits der pädagogischen Haltung? "Wir haben die Schulleitung 2015 übernommen und hatten damals eine ziemliche Pensionierungswelle", beschreibt Utz. Das war nicht nur einfach, denn viel Wissen erfahrener Kollegen ging mit in den Ruhestand. "Seitdem haben wir uns mit einem relativ jungen Kollegium und ein paar alten Hasen auf den Weg gemacht."
"Die Persönlichkeit des Kindes steht im Vordergrund"
Zudem setzt die Schule, wo immer es geht, nicht auf wechselnde Fachkräfte, die ein spannendes, aber befristetes Projekt betreuen. Stattdessen wird versucht, Mittel möglichst in festes Personal zu investieren, sagt Utz. Aus guten Gründen: "Wir versuchen, auf kleine feste Teams zu setzen, sodass die Kinder möglichst sechs Jahre lang mit demselben Team aus Klassenlehrern, Sozialpädagogen und Sonderpädagogen zu tun haben – das schafft eine fruchtbare Lernatmosphäre." Kontinuität in der Beziehungsarbeit sei für die Schüler sehr wichtig.
Regelmäßig präsentieren Kinder zudem ihre Schulprojekte – als Stadtteiloper, Theateraufführung oder Ausstellung. So wie zuletzt, als über ein Projekt aus dem Kunstunterricht je ein Jugendlicher und ein Senior über einen persönlichen Gegenstand ins Gespräch kamen und ein Foto von der Begegnung für die Ausstellung „Alt und Jung“ entstand, die in der Schule gezeigt wird.
Zu einer viel beachteten Schule, die regelmäßig von Eltern stark angewählt wird, hat sich die GSO schon lange entwickelt. Auch die Kooperation mit der Deutschen Kammerphilharmonie, die 2007 Proberäume in der GSO bezog, machte die Schule bekannt. Die Schule hat viele weitere Kooperationspartner, unter anderem die Kunsthalle, das Focke-Museum und das Gerhard-Marcks-Haus.
Das alles in Tenever – einem Stadtteil, der zwar heute besser aufgestellt ist als noch vor einigen Jahren, aber doch weiterhin von besonderen Belastungen geprägt ist. Rund 30 Prozent der Menschen leben von staatlichen Leistungen, sei es, weil sie arbeitslos sind, Hilfen für Alleinerziehende bekommen oder so wenig verdienen, dass sie aufstockende Leistungen vom Amt bekommen. Aus einem mit vielen Arbeiten der Schüler dekorierten Kunstraum sieht man am Fenster die hohen Wohntürme der Blockbauten inmitten der Grünflächen. "Wir sind stolz, hier im Stadtteil zu sein", sagt Utz. An der GSO werden 1300 Schüler aus 90 Nationen von 130 Pädagogen unterrichtet.