Bei der Bürgerschaftswahl 2019 könnte eine neue Gruppierung aus dem Spektrum der Bürgerinitiativen das Parteienspektrum aufmischen und insbesondere den Grünen erheblichen Schaden zufügen. Nach Informationen des WESER-KURIER gibt es konkrete Überlegungen zur Gründung einer solchen politischen Formation. Sie wäre eine Art Sammelbecken für Wähler, die mit Stadtplanungsprojekten wie der Neugestaltung des Neustädter Weserufers oder der Bebauung der Rennbahn in Hemelingen unzufrieden sind.
Zu den Initiatoren gehört der frühere Bürgerschaftsabgeordnete Olaf Dinné. Ihn kann man ohne Übertreibung als Vater der Bremer Bürgerinitiativ-Bewegung bezeichnen. Der inzwischen 82-Jährige, der auf dem Stadtwerder wohnt, machte Anfang der 1970er-Jahre zunächst als SPD-Mitglied erfolgreich gegen die sogenannte Mozarttrasse mobil, die nach den Plänen des Senats als Umgehungsstraße das Viertel durchschneiden sollte.
1978 verließ Dinné die SPD und gehörte wenige Monate später zu den Mitbegründern der Bremer Grünen Liste (BGL), die 1979 als erste grüne Partei in einen westdeutschen Landtag einzog. Auch bei den Grünen hielt es Dinné indes nicht lange. 1981 trat er aus, unter anderem wegen Meinungsverschiedenheiten über Unterwanderungsversuche durch kommunistische Gruppen.
Parteipolitisch ist Dinné also schon jahrzehntelang nicht mehr gebunden – was aber beileibe nicht heißt, dass er kein politischer Mensch mehr wäre. Im Gegenteil. Nach wie vor mischt er in diversen Bürgerinitiativen mit und ärgert sich mit den dortigen Aktivisten über das, was er als Arroganz der Behörden wahrnimmt. Besonders das von den Grünen geführte Bau-, Umwelt- und Verkehrsressort des Senats ist ihm ein Dorn im Auge.
An keiner Stelle gehe das Haus von Senator Joachim Lohse auf Bürgerproteste ein. Nicht beim Ausbau der Straßenbahn in Huchting, nicht bei der geplanten Bebauung des ehemaligen Stadtgärtnereigeländes am Rande von Knoops Park und schon gar nicht bei der Umgestaltung der sogenannten Stadtstrecke am linken Weserufer zwischen Piepe und Stephanibrücke.
Größere Dialogbereitschaft gegenüber den Bürgern
Diesem Vorhaben sollen 136 Platanen weichen. Der Hochwasserschutz, so kritisieren die Aktivisten aus der Neustadt, sei dabei nur vorgeschoben. „Nirgendwo machen die Grünen heute Konzessionen. Sie begehen die gleichen Fehler wie die SPD in den Siebzigerjahren“, sagt Dinné und fügt hinzu: „Ich schäme mich, die Grünen in Bremen mitbegründet zu haben.“
Nach Dinnés Darstellung feilen die Sprecher mehrerer Bürgerinitiativen an einem Schreiben, das den Grünen am Mittwoch dieser Woche zugehen soll. Darin werden eine entschiedene Rückbesinnung der Partei auf ihre Wurzeln und eine sehr viel größere Dialogbereitschaft gegenüber den Bürgern angemahnt. Sollte eine solche Wende nicht kurzfristig spürbar werden, wolle man in Bremen eine neue politische Plattform schaffen, die sich bei den nächsten Bürgerschaftswahlen um den Einzug ins Parlament bewirbt, kündigt Olaf Dinné an.
Aber was soll das einende Band einer solchen Gruppierung sein, außer dem Protest gegen Bauvorhaben aller Art in den Stadtteilen? Formiert sich da eine Truppe, die nur flächendeckend den Status quo bewahren will? Nein, widerspricht Dinné. In die Schublade der notorischen Nörgler und Verweigerer will der Architekt nicht gesteckt werden.
Zum Beweis präsentiert er ein Papier, das mehrere Bürgerinitiativen im vergangenen Jahr erarbeitet haben und den Titel „Bauen ohne Flächenfraß (Boff)“ trägt. Darin werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie Bremen mehrere zehntausend neue Wohnungen schaffen kann, ohne auf ökologisch wertvolle Areale zurückgreifen zu müssen.
Nicht gegen das Bauen an sich
Neben der Bebauung von Gewerbebrachen wie dem früheren Nordmende-Gelände in Sebaldsbrück und dem Hastedter TÜV-Grundstück werden darin unter anderem die Aufstockung von Bestandsgebäuden und die Umnutzung leer stehender Bürogebäude genannt. Das „Boff“-Papier plädiert auch für eine Überbauung von Infrastruktur, also zum Beispiel von Straßen und Gleisen.
Auf diese Weise lasse sich „abstoßender Verkehrsraum durch Städtebau und Architektur in anziehenden Stadtraum verwandeln“, so die Autoren. Beispiel: Remberti-Kreisel. Durch eine Überbauung dieses Verkehrsknotens lasse sich eine Fläche von mehr als 20.000 Quadratmetern für den Wohnungsbau mobilisieren. Die Bürgerinitiativen beziffern das ressourcenschonende Potenzial, das in der Stadt zur Verfügung steht, auf über 50.000 neue Wohneinheiten.
„Wir sind also nicht gegen das Bauen an sich“, bekräftigt Olaf Dinné. Planungspolitisch müssten aber die Akzente anders gesetzt werden. Wenn von den Grünen solche Impulse nicht mehr zu erwarten seien, müssten die Bürgerinitiativen das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Dinné: „Wir sind darauf vorbereitet, in den nächsten Monaten die notwendigen Schritte zu unternehmen.“