Seit Jahren wird darüber diskutiert, wie der Theaterberg in den Wallanlagen mehr Aufmerksamkeit bekommen und neu genutzt werden kann. Jetzt bahnt sich eine Veränderung an. Die Anhöhe am Bürgermeisterin-Mevissen-Weg kurz vor dem Fußgängertunnel soll künftig regelmäßig mit Kunst und Kultur bespielt werden. Der Anfang ist für das erste Augustwochenende geplant. Mit dem Titel „Alles wächst“ wird unter Federführung der Shakespeare Company ein dreitägiges Programm geboten, das den bislang eher verschwiegenen Ort stärker in den Fokus rücken soll. Ein Ziel, das SPD, Grüne und Linke in ihrem Koalitionsvertrag formuliert haben und das auch vom Aktionsbündnis Innenstadt verfolgt wird.
Der Zusammenschluss von Investoren, Kammern und Gewerkschaften hofft darauf, dass der Theaterberg zu einem Anziehungspunkt wird und als Scharnier zwischen Ostertor und Innenstadt dient. „Die Kultur könnte auf den Theaterberg zurückkehren“, wünscht sich die Initiative. Auch ein Restaurant und Café wären eine Bereicherung.
Eine fest eingerichtete Gastronomie hält Renate Heitmann für unrealistisch. Zu aufwendig und teuer, sagt die Geschäftsführerin der Shakespeare Company. Trotzdem soll das Kulinarische nicht zu kurz kommen. Weder an dem Augustwochenende noch bei den darauffolgenden Gelegenheiten: „Wir planen eine Zusammenarbeit mit dem Canova, dem Restaurant in der Kunsthalle.“ Für Heitmann ist der Theaterberg ein Kleinod – viel zu schade, sagt sie, ihn mehr oder weniger ungenutzt liegen zu lassen. „Es soll aber ein leiser Ort bleiben“, betont die Kulturwissenschaftlerin. Nicht so still freilich wie bisher, „wir versprechen uns einen Impuls für die Innenstadtentwicklung“.
Auf der stark eingewachsenen Anhöhe in den denkmalgeschützten Wallanlagen stand 100 Jahre lang das Bremer Stadttheater. Einer der Höhepunkte war 1872 die Festvorstellung der „Meistersinger“ zu Ehren des Komponisten. Richard Wagner höchstselbst war erschienen, nebst Gattin Cosima. Die beiden wurden vom Publikum frenetisch gefeiert.
Der Berg war also schon einmal eine große Bühne. 1944 machte eine Brandbombe den Musentempel zunichte. Nach dem Krieg entschied sich Bürgermeister Wilhelm Kaisen gegen den Wiederaufbau, zumal nicht weit entfernt am Goetheplatz ein weiteres Theater stand. Auch dieses Haus, eingeweiht 1913, musste gravierende Bombenschäden hinnehmen, immerhin aber standen die Grundmauern noch, erhalten geblieben war auch die markante Säulenfassade. Seit 1950 herrscht dort wieder Betrieb; aus dem Theater am Ostertor, wie es zunächst hieß, wurde später das Theater am Goetheplatz.
Der Theaterberg war nach dem Krieg lange Zeit gänzlich unbehaust. Bis 1966 das damalige Gartenbauamt zur Tat schritt. Die Idee war, eine Anlage zu schaffen, deren abfallenden Terrassen Zuschauerränge nachbilden sollten. Die „Bühne“ im unteren Bereich ist von einer Bronzeskulptur besetzt – die „Liegende“ des Bildhauers Gerhard Marcks.
Während der Corona-Pandemie bewährte sich der Ort als eine Art Amphitheater. Auf dem Programm standen Opernaufführungen, Konzerte und Schauspielstücke. Ein Vorgeschmack auf das, was jetzt kommen soll. Nicht nur für das eine Mal, sondern auf Dauer. Heitmann spricht von einem Prozess, der 20 Jahre in Anspruch nehmen könne.
Warum so lange? Weil mit der Erweckung des Theaterbergs eine Idee verbunden ist: nicht ständig neu auf- und wieder abbauen, wenn für die Veranstaltungen Licht, Ton und anderes benötigt wird. Die Gerüste sollen stehen bleiben, aber auf eine besondere Art und Weise. Sie wachsen Jahr um Jahr mehr mit der Natur zusammen. Ein Clou, der als Baubotanik bezeichnet wird.
Der Mann dafür ist Hannes Schwertfeger. Er ist Inhaber des Stuttgarter Unternehmens Bureau Baubotanik. Den Bezug zu Bremen hat er aufgrund privater Kontakte und einer Ausstellung, mit der Schwertfeger seine Methodik im Frühjahr im Bremer Zentrum für Baukultur vorgestellt hatte.
„Wir nehmen das lebende Holz als Plattform und integrieren darin technische Bauteile“, erklärt der Ingenieur. Zwischen den Bäumen und in sie hinein werden stählerne Traversen verbaut. Zunächst sind sie deutlich sichtbar, irgendwann aber von der wuchernden Natur verdeckt. Genutzt werden können die Traversen trotzdem, um daran zu montieren, was gerade für eine Aufführung gebraucht wird. Bedingung ist eine regelmäßige Pflege der Bäume. „Die Eingriffe werden minimalintensiv sein“, verspricht Schwertfeger. Sein Credo: mit der Natur arbeiten. Die Wallanlagen, so die Absicht, entwickeln sich als Garten- und Landschaftsdenkmal weiter, bekommen auf dem Theaterberg eine neue Nutzung – behalten aber ihren Charakter.