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Bundesweite Aufmerksamkeit Die spektakulärsten Prozesse am Landgericht Bremen im Jahr 2018

2018 mangelte es am Landgericht Bremen nicht an spektakulären Prozessen. Einige davon sorgten sogar bundesweit für Schlagzeilen.
27.12.2018, 05:00 Uhr
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Die spektakulärsten Prozesse am Landgericht Bremen im Jahr 2018
Von Ralf Michel

Der Versuch, einen Mord nach 25 Jahren aufzuklären, eine filmreife Entführung, eine Paketbombe, tödliche Messerstiche, Tritte gegen den Kopf, Steinblöcke auf der Fahrbahn... 2018 mangelte es nicht an aufsehenerregenden Prozessen vor dem Bremer Landgericht. Einige von ihnen sorgten sogar bundesweit für Schlagzeilen. Der WESER-KURIER erinnert an die spektakulärsten Fälle.

Mordprozess ohne Leiche

Seit 1993 wird Jutta Fuchs aus Farge vermisst. 25 Jahre später stand ihr ehemaliger Verlobter wegen Mordes angeklagt vor Gericht. Für Aufsehen sorgte in diesem Prozess, dass das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das komplette Leerpumpen des Tietjensees bei Schwanewede anordnete. Die Anklagebehörde hoffte, auf dem Grund des Angelteichs entscheidende Hinweise auf das Schicksal von Jutta Fuchs zu finden.

Nachdem das Technische Hilfswerk (THW) die rund 35 Millionen Liter Wasser des Sees abgepumpt hatte, wurde er wochenlang akribisch von der Polizei abgesucht. Doch Beweismittel wurden nicht gefunden. Damit war der Ausgang des Prozesses endgültig klar, waren doch zuvor schon die anderen Stützpfeiler der Anklage weggebrochen. Nicht zuletzt wegen zahlreicher handwerklicher Fehler der Polizei bei ihren Ermittlungen vor 25 Jahren und in der Zeit danach, wie der Vorsitzende Richter betonte. Der heute 58-jährige Angeklagte wurde freigesprochen. Das Schicksal von Jutta Fuchs bleibt ungeklärt.

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Die Paketbombe

Im Dezember 2017 sorgte eine Paketbombe in Vegesack für einen Großalarm der Sicherheitskräfte. Gebaut und abgeschickt worden war der Sprengsatz von einer 24-Jährigen. Gedacht als Racheakt gegen einen ihrer Ausbilder. Passiert war letztlich nichts, der Sprengsatz war völlig ungefährlich, konstatierte der Vorsitzende Richter. Doch dies habe die Frau nicht wissen können, weshalb die Anklage gegen sie „versuchter Mord“ lautete. Am Ende des Verfahrens sah das Gericht jedoch keine Tötungsabsicht bei ihr. Die 24-Jährige wurde wegen versuchter Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Da die Frau psychisch krank ist, musste sie nicht ins Gefängnis, sondern wurde in eine Psychiatrie eingewiesen.

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Steinblöcke auf der Fahrbahn

Mehr als zwei Jahre lang legten zwei 24 und 25 Jahre alte Bremer nachts Steinblöcke, Pflastersteine und Nagelbretter auf Straßen in Bremen und im niedersächsischen Umland. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft nahmen die Männer schwere Unfälle in Kauf und gefährdeten so bewusst Menschenleben. Die Anklagebehörde warf den beiden daher versuchten Mord vor. Das Gericht urteilte anders. Drei Jahre und vier Monate sowie drei Jahre Haft lautete das Strafmaß – wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Sachbeschädigung und Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft hatte mit sieben beziehungsweise sechs Jahre Haft deutlich höhere Strafen gefordert.

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Falsche Polizisten

Drei Jahre und zehn Monate Gefängnis sowie ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung lauteten die Urteile gegen zwei Männer, die versucht hatten, mehrere ältere Menschen mit der Betrugsmasche „falscher Polizist“ hohe Bargeldsummen und Schmuck abzunehmen. Die Angeklagten gingen zu Prozessbeginn einen Deal mit dem Gericht ein. Für umfassende Geständnisse und Angaben zu den aus der Türkei agierenden Hintermännern der Betrugsmasche sicherte das Gericht beiden zu, beim Urteil einen vorab festgelegten Strafrahmen nicht zu überschreiten.

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Cousin niedergeschossen

Für zwölf Jahre ins Gefängnis muss ein 31-Jähriger, der in einem Rewe-Markt in Oslebshausen seinen 25-jährigen Cousin mit fünf Schüssen niederstreckte, vier davon waren tödlich. Ausgangspunkt für die Tat waren monatelange Streitereien innerhalb der Familie. Das Gericht attestierte dem Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung gepaart mit einer Angststörung und folgte deshalb nicht der von der Staatsanwaltschaft geforderten lebenslänglichen Freiheitsstrafe.

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Drei Banküberfälle

Für sechs Jahre und zehn Monate muss ein 54-Jähriger ins Gefängnis. Der Mann hatte zwischen Juli 2017 und März 2018 zwei Sparkassen und eine Bank in Bremen überfallen und dabei mehrere Bankangestellte und Kunden mit einer täuschend echt aussehenden Softair-Pistole bedroht. Das Gericht verurteilte den Mann wegen schwerer räuberischer Erpressung. Ein Geständnis kurz vor Ende der Verhandlung bewahrte ihn vor einer noch höheren Strafe. Außerdem ging das Gericht von einer „erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit“ des drogenabhängigen Täters aus.

In der nächsten Instanz: Gegen ein Urteil können Rechtsmittel eingelegt werden. In drei spektakulären Fällen aus dem Vorjahr gab es 2018 Entscheidungen der nächsten Instanz – zweimal zugunsten der Verurteilten, einmal nicht. Zu einer weiteren Revision steht die Entscheidung noch aus.

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Bewährung statt Gefängnis

Zu zwei Jahren und zehn Monaten war 2017 ein 28-jähriger Bremer wegen fahrlässiger Körperverletzung, Fahrerflucht und Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt worden. Der Mann war mittags bei Rot über eine belebte Kreuzung gefahren, hatte dabei einen 13-jährigen Radfahrer lebensgefährlich verletzt und anschließend Fahrerflucht begangen. Zwar sprach auch der Bundesgerichtshof von „eklatanter Rücksichtslosigkeit“, hob das Bremer Urteil aber trotzdem auf. Den Bundesrichtern war das Strafmaß zu hoch. Der Mann landete erneut vor dem Landgericht und muss nun nicht mehr ins Gefängnis. Ein Jahr und elf Monate auf Bewährung lautete diesmal das Urteil.

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Strafe mehr als halbiert

Um mehr als die Hälfte verkürzen konnte ein 34-Jähriger seine Strafe. Er wurde in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht nur noch zu sechs statt 14 Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Mann hatte mit einer Schreckschusspistole auf Polizisten vor seiner Wohnungstür geschossen, woraufhin einer der Polizisten mit seiner Dienstwaffe fünfmal durch die inzwischen wieder geschlossene Tür schoss und dabei eine junge Frau lebensgefährlich verletzte. Trotz der niedrigeren Strafe war es das neue Urteil nur ein Teilerfolg für den Angeklagten. Er bleibt wegen fahrlässiger Körperverletzung vorbestraft und wurde auch erneut zu einer Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt.

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Kein Strafnachlass für „Alpi“

Keinen Strafnachlass gab es dagegen für den in der Bremer Bikerszene als „Alpi“ bekannten Motorradfahrer. Der Mann, der mit Videos von seinen halsbrecherischen Motorradfahrten durch das nächtliche Bremen Aufsehen erregte, war wegen fahrlässiger Tötung zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. Er hatte in Walle einen Fußgänger überfahren und dabei tödlich verletzt. Sein Anwalt legte Revision beim Bundesgerichtshof gegen das Urteil ein, fand bei den Karlsruher Richtern aber ebenso wenig Gehör wie die Staatsanwaltschaft, die ebenfalls Revision eingelegt hatte, weil sie ein härteres Urteil erreichen wollte.

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Stolberg wartet

Drei Jahre und sechs Monate Haft wegen Kreditbetruges, Untreue und Fälschung von Geschäftsunterlagen lautete im März nach über zwei Jahren Prozessdauer und 68 Verhandlungstagen das Urteil gegen den Ex-Reeder Niels Stolberg. Doch beendet ist das Verfahren gegen den ehemaligen Beluga-Chef damit noch lange nicht. Wegen inhaltlicher Rechtsfragen hat sein Anwalt Revision eingelegt. Auch die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt. Ihr ist das Urteil zu milde ausgefallen. Entscheiden muss hierüber der Bundesgerichtshof in Leipzig.

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