Die Grundsatzentscheidung kommt nicht überraschend: Sämtliche Überreste sowjetischer Kriegsgefangener, die auf dem früheren Friedhof an der Reitbrake gefunden wurden, sollen auf den Ehrenfriedhof in Osterholz umgebettet werden. Zugleich soll dort eine Gedenkstätte an den Vernichtungskrieg im Osten entstehen. Das hat Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) am Dienstag bei der Sitzung der staatlichen Kulturdeputation in der Kesselhalle des Schlachthofs klargestellt. Bovenschulte berief sich auf „klare Aussagen“ von russischer und ukrainischer Seite. Die Bürgerinitiative Oslebshausen und umzu wie auch das Bremer Friedensforum hatten bis zuletzt eine Gedenkstätte vor Ort gefordert.
Zuvor hatte Landesarchäologin Uta Halle einen 18-seitigen Abschlussbericht zu den Grabungen an der Reitbrake vorgestellt. Danach sind seit der offiziellen Abschlussveranstaltung Mitte Oktober noch vier weitere vollständige Skelette geborgen worden. Damals war von 62 Skeletten die Rede, im Abschlussbericht werden 66 genannt. Hinzu kommen sieben Särge und mehr als 200 Erkennungsmarken. Wie Halle betonte, ist der Abschlussbericht der "Feldarbeit vor Ort" aber noch keineswegs das Ende der Untersuchung. Erst jetzt beginne die Auswertungsphase, für die sie zwei bis drei Jahre veranschlagte. Dabei gehe es um die Körpergröße der aufgefundenen Individuen und andere anthropologische Befunde.
Mit Blick auf das weitere Vorgehen erklärte Bovenschulte, er könne sich keine Lösung ohne Zustimmung der beiden betroffenen Staaten vorstellen. Das sei völkerrechtlich entscheidend und nicht, was ein "Oberseminar" feststelle – ein Seitenhieb auf die von BI, Friedensforum und Linken geforderte Expertenkommission. Laut Bovenschulte geht es jetzt nur noch darum, wie der Gedenkort in Osterholz gestaltet werden soll. Zusätzlich ist an der Reitbrake eine Informationstafel vorgesehen, auch das mit russischer und ukrainischer Billigung. Bislang hält unweit des früheren Friedhofs ein orthodoxes, jüngst erneuertes Holzkreuz die Erinnerung an die sowjetischen Kriegsopfer wach.
Auf Nachfrage von Olaf Zimmer (Linke) verbürgte sich Halle dafür, dass auf dem Grabungsgelände keine weiteren Funde menschlicher Überreste zu erwarten seien. "Wir haben kubikmeterweise Sand gesiebt", sagte die Landesarchäologin. Weitere Knochenfunde seien deshalb "ziemlich unmöglich". Dass auf dem ursprünglich ins Auge gefassten Gesamtareal von 20.000 Quadratmetern noch Entdeckungen gemacht werden könnten, hält Halle für ausgeschlossen. Auf den alliierten Luftbildern von 1945 gebe es dafür keinerlei Hinweise. "Warum hätte man Tote anderswo bestatten sollen, wenn es auf dem Friedhof noch Platz gab?"
Gleichwohl will der CDU-Abgeordnete Claas Rohmeyer sichergestellt wissen, dass weitere Funde auch für den Bereich links des Grabungsareals ausgeschlossen werden können. Zudem fordert er vom Justizressort eine völkerrechtliche Expertise. Und eine Antwort auf die Frage, ob es eine gemeinsame Haltung von Russland und der Ukraine zum Umgang mit geborgenen Überresten gebe. Unterdessen sieht Ekkehard Lentz vom Friedensforum einen Zusammenhang mit der geplanten Bahnwerkstatt auf dem Friedhofsareal und stellt infrage, ob Russland der Umbettung abschließend zugestimmt habe.
Bovenschulte stellte einen baldigen Senatsbeschluss zum Thema in Aussicht. Weil die nächste reguläre Sitzung der Kulturdeputation erst für Februar 2023 angesetzt ist, will Rohmeyer eventuell eine Sondersitzung beantragen.