Wird Bremen Standort für den klinischen Teil eines Medizinstudiums? Diese Frage ist voraussichtlich im ersten Quartal 2020 entscheidungsreif. Für ein solches Projekt stehen neue Partner im Raum, mit denen die Wissenschaftsbehörde die Möglichkeiten einer Kooperation intensiv auslotet. Diesen neuen Stand haben die Abgeordneten der Bürgerschaft am Donnerstag erfahren.
Dass Bremen auch angesichts des Ärztemangels in der Region eine Ausbildungsstätte für Nachwuchsmediziner gut gebrauchen könnte, dazu gibt es im Grundsatz einen politischen Konsens. Die CDU hatte im vergangenen Jahr bereits eigene Pläne vorgelegt. Sie sahen allerdings ein Vollstudium vor, also einschließlich des vorklinischen Teils, in dem die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Medizin vermittelt werden. Ein solches Vollstudium hatte schon die alte rot-grüne Koalition aus Kostengründen verworfen. Der Etablierung eines klinischen Teils stand sie jedoch im Grundsatz offen gegenüber, und das scheint auch für das neue rot-grün-rote Regierungsbündnis zu gelten.
Bekannt war zuletzt, dass die Wissenschaftsbehörde mit der schwedischen Universität Lund sowie der Uni Oldenburg Sondierungsgespräche über eine Zusammenarbeit geführt hat. Die würde so aussehen, dass sich die Studenten das vorklinische Wissen an der jeweiligen Hochschule aneignen und für den klinischen Teil – also ab dem fünften Semester – in die Hansestadt kommen. Eine wichtige Rolle würde in einem solchen Konzept auf das Klinikum Mitte zukommen, dem wichtigsten und größten Standort von Hochleistungsmedizin in Bremen. Wie Wissenschaftsstaatsrat Tim Cordßen in der Bürgerschaft mitteilte, scheidet die Uni Oldenburg inzwischen als möglicher Partner aus.
Gespräche mit der Hochschule und dem niedersächsischen Wissenschaftsministerium als vorgesetzter Behörde hätten ergeben, „dass dort zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Möglichkeiten für ein gemeinsames Medizinstudium gesehen werden“. Anders liegen die Dinge mit der Lund University. Bei einem Besuch im Frühjahr hat eine Bremer Delegation verschiedene Optionen einer Zusammenarbeit diskutiert und weitere Prüfschritte vereinbart. Zwischenzeitlich haben sich aber neue Kontakte mit weiteren möglichen Partnern ergeben. Dabei handelt es sich um die Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien und das Uni-Klinikum in Hamburg-Eppendorf. Mit diesen beiden Institutionen stehen weitere Klärungen an.
Erkenntnisse durch Auswertung aktueller Dokumente des Wissenschaftsrates
Wichtige Erkenntnisse über die Anforderungen für ein halbes Medizinstudium in Bremen erwarten sich die Fachleute der Wissenschaftsbehörde außerdem von der Auswertung aktueller Dokumente des Wissenschaftsrates. Das in Köln ansässige wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium Deutschlands hatte vor kurzem detaillierte Stellungnahmen zur Weiterentwicklung der Universitätsmedizin in Nordrhein-Westfalen sowie in Oldenburg abgegeben.
Aus Cordßens Sicht ermöglichen diese Expertisen „wesentliche Rückschlüsse“ auf die Anforderungen und Finanzbedarfe eines klinischen Studiengangs in Bremen. Auf der Basis dieser Auswertung und der Ergebnisse weiterer Gespräche mit den möglichen Partner-Unis wird der Senat laut Cordßen in den ersten Monaten des neuen Jahres über das weitere Vorgehen entscheiden. Dann kommt auch die Bürgerschaft erneut ins Spiel. Anders gesagt: Ob tatsächlich ein Planungsauftrag für den Aufbau eines klinischen Studiums erteilt wird, entscheidet sich schon bald.
Für die CDU erkundigte sich Gesundheitspolitiker Rainer Bensch in der Bürgerschaft nach einer anderen Variante. Vor ziemlich genau einem Jahr hatten der städtische Klinikverbund Gesundheit Nord und die private Jacobs University in Bremen-Nord ein gemeinsames Konzept für den Aufbau eines medizinischen Vollstudiums vorgelegt. Bensch wollte wissen, warum diese Möglichkeit von der Wissenschaftsbehörde nicht weiter verfolgt wurde. Staatsrat Cordßen sagte, man habe diese Vorschläge näher geprüft. Sie hätten jedoch keine Ansätze enthalten, auf die man realistischerweise aufbauen könnte.
Zu den Befürwortern eines Bremer Medizinstudiums gehört unter anderem die Kassenärztliche Vereinigung. Sie sieht in dem Projekt ein Mittel gegen den Ärztemangel sowohl im klinischen als auch im niedergelassenen Bereich. Auch die Gesundheit Nord engagiert sich für das Vorhaben, ist aber jetzt schon aktiv, was die Ausbildung junger Ärzte angeht. Sie holt Studenten aus Hamburg und Göttingen für das praktische Jahr in ihre Häuser, also das letzte Jahr des Medizinstudiums.