Aus der Bremer SPD kommt der Ruf nach einer Neuberechnung der Regelsätze für Hartz-IV-Leistungen und Altersgrundsicherung. Klaus Möhle, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, setzt auf eine entsprechende Bundesratsinitiative des Zwei-Städte-Staates. Sein Vorstoß ist bisher weder fraktionsintern noch mit dem grünen Koalitionspartner abgestimmt, doch Möhle hofft auf einen breiten Konsens in dieser Frage.
Die Debatte über die Angemessenheit der Hartz-IV-Leistungen ist bundesweit gerade auf Touren gekommen, befeuert durch die Vorgänge um die "Essener Tafel" und die umstrittenen Aussagen des CDU-Bundesgesundheitsministers Jens Spahn, der die Meinung vertritt, mit Hartz IV habe "jeder das, was er zum Leben braucht". Spahns Aussagen treiben Möhle die Zornesröte ins Gesicht. "So ein eiskalter und arroganter Umgang mit dem Thema – unerträglich", schimpft der 65-Jährige. Er teile die Ansicht zahlreicher Sozial- und Wohlfahrtsverbände, dass die Hartz-IV-Leistungen in vielen Fällen nicht zum Lebensunterhalt und echter sozialer Teilhabe ausreichen. Die finanzielle Lücke betrage bei erwachsenen Einzelpersonen zwischen 80 und 100 Euro.
Nach Möhles Ansicht ist der Regelsatz "nicht fair und zu niedrig berechnet". Der Regelsatz soll das Existenzminimum abdecken. Wer weniger als dies zur Verfügung hat, gilt per Definition als existenziell gefährdet. Bei der Berechnung des Existenzminimums dient das Konsumverhalten jener Haushalte als Vergleichsgrundlage, deren Einkommen gerade ausreicht, um nicht auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Bei den Single-Haushalten sind das die finanziell schwächsten 15 Prozent. Möhle: "Das Problem an diesem statistischen Vorgehen ist, dass große Teile der Vergleichsgruppe zu den sogenannten verdeckt Armen gehören."
Trotz Hartz IV zur Tafel
Das seien zum Beispiel Menschen, die ihre Lebensmittel bei Tafeln erstehen, um sich vom Ersparten etwas leisten zu können, das vom zu gering bemessenen Hartz-IV-Regelsatz nicht gedeckt wird. Dadurch werde die Statistik verzerrt. Es sei aber "ein sozialstaatliches Glaubwürdigkeitsgebot, dass die Berechnung des Existenzminimums eines finanziell bedürftigen Menschen fair erfolgt", findet Möhle. Es müsse ausgeschlossen sein, dass dieses Minimum durch die Konstruktion zu kleiner oder nicht angemessener Bezugsgruppen unterschritten wird.
Möhle ahnt, was man ihm aus anderen politischen Lagern entgegenhalten wird. "Da kommt sicher das Argument, dass der Abstand von Hartz IV zum Niedriglohnbereich zu gering werden könnte, wenn man den Leistungsempfängern etwas mehr gibt. Da kann ich nur sagen: Dann erhöht die Niedriglöhne mal gleich mit." Möhle setzt darauf, dass die Bundesratsinitiative in den nächsten Monaten lanciert werden kann. Wünschenswert sei, das Verfahren zur Neuberechnung der Regelsätze mit den Sozial- und Wohlfahrtsverbänden abzustimmen.