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Senat schließt städtebauliches Kapitel Projekt Tenever gilt als vollendet

Fast fünf Jahrzehnte nach seinem Start soll das städtebauliche Großprojekt Osterholz-Tenever in Kürze formal abgeschlossen werden. Der Bremer Senat bereitet einen entsprechenden Beschluss vor.
03.02.2022, 20:00 Uhr
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Projekt Tenever gilt als vollendet
Von Jürgen Theiner

Es ist ein formaler Schlussstrich unter ein wechselvolles Kapitel Bremer Stadtentwicklung: Am Dienstag wird der Senat voraussichtlich ein Ortsgesetz zur Aufhebung des Entwicklungsbereichs Osterholz-Tenever auf den Weg bringen. Vor fast fünf Jahrzehnten – genauer: am 13. Juli 1973 – hatte die Stadtbürgerschaft diesen Bereich festgelegt und damit den Startschuss zu einem städtebaulichen Großprojekt gegeben: dem Bau einer Trabantenstadt im Bremer Osten mit mehreren Tausend Wohnungen. Ein halbes Jahrhundert und mehrere Kurskorrekturen später ist Tenever ein gefestigtes Quartier. Sein Image hat sich gebessert, auch wenn es noch Luft nach oben gibt.

Anfang der Siebzigerjahre entworfen, wurde die Großwohnanlage Osterholz-Tenever von 1973 bis 1978 als sogenanntes Demonstrationsbauvorhaben des Bundes realisiert – damals noch in der Annahme rasanten Bevölkerungswachstums. Doch schon in der Entstehungsphase geriet das Hochhaus-Ensemble in die Kritik. Auch wurde immer deutlicher, dass die ausführenden Unternehmen, unter anderem die damalige Neue Heimat, am Bedarf vorbeigeplant hatten. So wurde das ursprünglich vorgesehene Bauvolumen von 4600 Wohneinheiten drastisch heruntergefahren. Realisiert hat man letztlich gut 2600.

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Doch auch in seiner reduzierten Form erwies sich das Projekt als problematisch. In den Wohnsilos kam zu viel problembeladene Mieterschaft zusammen, einzelne Eigentümergesellschaften ließen ihre Wohnungsbestände herunterkommen. Hinzu traten konzeptionelle Mängel: Bedrückende Innenhöfe und Erschließungsebenen mit anonymen Eingangsbereichen weiteten sich immer mehr zu Angsträumen aus. Innerhalb weniger Jahre verfestigte sich das Negativimage so sehr, dass die Stadt handeln musste. So wurde ab 1989 ein erstes Paket mit rund 70 Nachbesserungsmaßnahmen realisiert.

Aber 2004 kam es zu einem weiteren, grundlegenden Sanierungsprozess, für den der Neue-Heimat-Nachfolger Gewoba und die Stadt eine gemeinsame Gesellschaft gründeten. Kern war der Abriss von rund 650 Wohnungen, also etwa einem Viertel des Bestandes. So verschwand unter anderem der sogenannte Kessler-Block im Einmündungsbereich Otto-Brenner-Allee / Neuwieder Straße. Auch im Bereich der Wormser und Kaiserslauterner Straße entschloss man sich dazu, durch Abriss von Gebäudeflügeln die teils eng umbauten Innenbereiche aufzubrechen und zu angrenzenden Grünbereichen hin zu öffnen. So konnten auch die Zugangsbereiche neu erschlossen werden. Deutliche Verbesserungen – auch was das Sicherheitsgefühl der Bewohner angeht – stellten sich zudem ein, nachdem die Gewoba als Haupteigentümerin Conciergen für die Eingangsbereiche einstellte. Umfassende Modernisierungen in den Wohnungen taten ein Übriges.

Die Verbesserungen spiegelten sich bald auch in den Sozialindikatoren: Im Benachteiligungsindex der Ortsteile gab Tenever schon 2009 den Spitzenplatz ab. Der überwiegende Teil der neu zugezogenen Mieter ist inzwischen berufstätig, und die Kriminalitätswerte haben sich auf einem für Bremen durchschnittlichen Niveau eingependelt. Die Gewoba meldet für ihre Bestände praktisch Vollvermietung. Anlass für weitere grundlegende Restrukturierungsmaßnahmen gibt es also nicht.

Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht des Senats an der Zeit, das städtebauliche Entwicklungsprojekt Osterholz-Tenever, in das seit 1973 rund 27,7 Millionen Euro an öffentlichen Fördermitteln flossen, formal  abzuschließen. Dafür bedarf es eines Beschlusses der Stadtbürgerschaft, den der Senat nun anstößt.

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Was die Stadtentwicklungspolitik angeht, geben die vergangenen fünf Jahrzehnte aus Sicht von Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne) Anlass zu kritischer Reflexion. „Osterholz-Tenever war ein Paradebeispiel für eine ambitionierte, aber letztlich doch verfehlte Wohnungsbaupolitik", hält Schaefer fest. "Obwohl nur die Hälfte der geplanten Gebäude gebaut wurde, war die Verdichtung und Monostruktur sowie die dadurch entstehende Anonymität in dem Quartier zu hoch und zu problematisch." Die jüngere Vergangenheit habe dann aber bewiesen, dass Bremen solche Fehler korrigieren kann. Schaefers Fazit: "Heute ist Osterholz-Tenever das sympathische ,OTe', wo die Menschen gerne leben. Eine Quartiersentwicklung mit einem wirklich guten Ende." Ganz ähnlich sieht es Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). Menschen müssten sich dort, wo sie leben, wohlfühlen können. "Die Rahmenbedingungen dafür sind in Tenever inzwischen geschaffen."

Der Chef der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Mustafa Güngör, stimmt im Grundsatz zu, schränkt aber ein: "Es gibt hier nichts abzufeiern. Wir haben in Tenever immer noch soziale Probleme und weiteren Handlungsbedarf. Wenn das nicht so wäre, bräuchten wir auch nicht die beschlossene Außenstelle des städtischen Ordnungsdienstes." Richtig sei zwar, dass man für den Ortsteil "einen hohen Grad an friedlichem Zusammenleben konstatieren kann". Zur Euphorie bestehe aber kein Anlass.

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