Für ihren Arbeitsplatz pendeln immer mehr Berufstätige nach Bremen. Nach Angaben der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) sind es so viele Menschen wie noch nie. Demnach sind im vergangenen Jahr etwa 117.000 Menschen aus beruflichen Gründen in die Hansestadt gefahren. Das sind 21 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Damals waren es 97.000 sogenannte Einpendler. Dabei bezieht sich die IG Bau auf Zahlen vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Die Gewerkschaft habe diese Daten vom Institut extra auswerten lassen, sagte der BBSR-Sprecher dem WESER-KURIER.
Die Bezirksvorsitzende der IG Bau für die Region Bremen, Inge Bogatzki, spricht von einem „alarmierenden Trend“ und macht als Hauptursache für die Arbeitswege den Mangel an bezahlbaren Wohnungen in der Stadt verantwortlich: „Eine wachsende Zahl von Menschen kann sich die hohen Mieten und Immobilienpreise gerade dort nicht mehr leisten, wo in den letzten Jahren besonders viele Jobs entstanden sind.“ Die Folge seien immer längere Staus und überfüllte Züge.
Auch in Hannover, das auf sein Umland eine noch stärkere Sogwirkung als Bremen hat, nahm die Zahl der Pendler zu. Demnach kamen dort im vergangenen Jahr rund 305.000 Menschen zum Arbeiten regelmäßig in die niedersächsische Landeshauptstadt – das waren 18 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Bremens IG-Bau-Bezirksvorsitzende Bogatzki nutzt diese Statistik als Appell für eine „drastische Wende“ in der Wohnungsbaupolitik: „Die öffentliche Hand muss viel mehr als bisher investieren, um bezahlbaren Wohnraum in den Metropolen und Ballungsräumen zu schaffen. Es fehlen vor allem Wohnungen im sozialen und im bezahlbaren Segment.“ Ebenso fordert die Gewerkschafterin massive Investitionen ins Schienen-, Straßen- und Radwegenetz.
10.000 zusätzliche Wohnungseinheiten
Was den Bau von zusätzlichen Wohnungen in Bremen angeht, verweist der Sprecher des Bauressorts, Jens Tittmann, auf den Koalitionsvertrag der rot-grün-roten Regierung. Darin heißt es: „Wir wollen die Voraussetzungen für 10.000 zusätzliche Wohnungseinheiten in dieser Wahlperiode schaffen. Neubau alleine wird nicht ausreichend preisdämpfend wirken. Den kommunalen Wohnungsbauunternehmen wie Gewoba, Stäwog und Brebau kommt daher eine wichtige Rolle zu. Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und privaten Investoren sehen wir als Partner und Akteure des Wohnungsbaus.“
Allerdings zeigen weitere Statistiken, dass der Grund für das Pendeln nicht allein die Kosten für das Wohnen seien. So fragte im vergangenen Jahr die ARD in ihrem wöchentlichen Deutschlandtrend, wo die Menschen am liebsten leben würden, wenn sie die freie Wahl hätten. Die Antworten zeigten klar eine Tendenz zum beschaulicheren Heim. Demnach gaben damals 40 Prozent der Befragten an, sie wohnten am liebsten in einer Kleinstadt. 38 Prozent entschieden sich damals für ein Leben auf dem Dorf, und nur für 21 Prozent war eine Großstadt die erste Wahl. Die Auswertung der IG Bau berücksichtigt auch nicht unterschiedliche Lebenssituationen. So gibt es beispielsweise Ehepaare, von denen der eine in Bremen und die andere in Bremerhaven arbeitet. Dieses Paar könnte sich daher bewusst für einen Wohnort zwischen diesen beiden Städten entscheiden – und für ein Haus im Grünen.
Grundsätzlich gilt seit mehreren Jahren, dass ungefähr jeder zweite Arbeitnehmer in Bremen arbeitet, jedoch im niedersächsischen Umland wohnt. Unabhängig von den Gründen für die Wahl des Wohnorts, macht das Berufspendeln krank. Das hat die Techniker Krankenkasse in ihrem letzten Gesundheitsreport festgestellt. Denn An- und Abreise gehe auf die Nerven: Zwar sind Pendler seltener krankgeschrieben, wenn sie jedoch ausfallen, stecke häufiger eine psychische Diagnose dahinter als bei Nicht-Pendlern.
Die Fehltage wegen Depressionen und anderen psychischen Leiden lagen bei männlichen Pendlern fast elf Prozent höher, bei Frauen waren es sogar 15 Prozent. „Wir gehen davon aus, dass die höheren psychisch bedingten Fehlzeiten durchs Pendeln entstehen“, hieß es in dem Report. Gewerkschafterin Inge Bogatzki fordert von den Firmen mehr Gleitzeit oder mehr Arbeitsplätze im Homeoffice, um das Pendeln erträglicher zu machen.
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