Bremen. Schon zwei Jahre lang dauert die Debatte über die Zukunft der Weserburg. Jetzt soll im Frühjahr oder Sommer über den Standort entschieden werden. Warum dauert es so lange, zwei Alternativen zu prüfen?
Ende Oktober wollte der Stiftungsrat der Weserburg eigentlich erklären, welchen Standort er für das Museum vorzieht: den Teerhof oder einen Neubau in der Überseestadt. Von anderen Orten wie etwa der umgedrehten Kommode, hatte man sich schon verabschiedet. Die Entscheidung wurde wieder vertagt: Klaus Sondergeld, Vorsitzender des Stiftungsrates, spricht mittlerweile vom Juni. Warum dauert es so lange, sich für einen Standort zu entscheiden? Oder geht es um viel mehr? Um die Möglichkeit, eine städtische Immobilie, den Sitz der Weserburg, gut zu verkaufen? Und um die Chance, mit einem neuen Museum die Überseestadt aufzuwerten? Kunst also als Mittel der Stadtentwicklung zu nutzen.
Dass sich das Museum in der Standortfrage Zeit nimmt, dafür gibt es überall Verständnis, auch bei der CDU. "Natürlich müssen alle Optionen und die Finanzierung intensiv erarbeitet werden", sagt Rita Mohr-Lüllmann, CDU-Fraktionssprecherin für Kultur. Auch der erfahrene Bauunternehmer und Mäzen Klaus Hübotter sagt: "Dass es dauert, liegt auch an der schwierigen Materie: Moderne Kunst ist kein Kassenmagnet – vielleicht sollte man losen."
Frage nach Besucherverlust
Die Frage ist eben auch, ob das Museum in der Überseestadt Besucher verlieren würde. Swantje Markus, Geschäftsführerin der Weserburg, und Carsten Ahrens, Direktor, wollen vermeiden, dass es zu Kostensteigerungen kommt wie etwa bei der Elbphilharmonie. Und auch der Stiftungsratsvorsitzende Klaus Sondergeld betont: "Wir wollen nie wieder Sorgenkind der Stadt werden." Die Kulturbehörde möchte das Thema nicht näher kommentieren und zieht sich in dieser Debatte, in der auch über die künftige kulturelle Landkarte der Stadt entschieden wird, auf die Rolle des begleitenden Beobachters zurück: Die Weserburg sei eine Stiftung privaten Rechts, die selbst über ihren Standort entscheide, betont Sprecher Heiner Stahn.
Auf Sand gebaut – so steht es schon an der Außenmauer der Weserburg, die als Insel der modernen Kunst vom Fluss umströmt wird. Dem Museum bröckelt das Fundament weg, es braucht dringend eine Klimaanlage, eine neue Dämmung und neue Sicherheitssysteme. Einige Risse im Haus sind schon jetzt so groß, dass die Mäuse hindurchlaufen könnten. Investieren muss die Weserburg in jedem Fall – sei es in die Sanierung ihres jetzigen Standorts oder in einen Neubau in der Überseestadt.
Der Entwurf für den Neubau stammt von Arno Brandlhuber, der momentan als Architekt der Stunde gehandelt wird – drei Ausstellungen stellen derzeit in Deutschland seine Werke vor. "Brandlhuber klagt nicht über die engen Rahmenbedingungen, er betrachtet sie geradezu als Herausforderung für seine Fantasie", sagt Carsten Ahrens. Der vorgelegte Entwurf fasziniert ihn offenkundig, doch die Entscheidung sei noch nicht getroffen, betont der Direktor.
Ein Ufo in der Überseestadt
Der Neubau-Entwurf erinnert an ein Ufo, das am Eingang der Überseestadt hinter dem Wesertower landen könnte. Diese kreisrunde Betonschüssel ruht auf vier gläsernen Quadern, zwischen denen sich ein überdachter Innenhof auftut. Oben im Rundbau gäbe es 3000 Quadratmeter, die sich durch flexible Wände immer wieder neu bespielen ließen. Gehängt würde so in rechteckigen Räumen, erklärt Ahrens: "Der Architekt hasst die runden Wände im Guggenheim-Museum genauso wie wir."
13 bis 14 Millionen Euro brutto könnte dieser Neubau kosten, so der letzte Stand. Doch derzeit wird alles noch einmal durchgerechnet, sowohl für den Neubau als auch für das Teerhof-Gebäude. Dem Stiftungsrat der Weserburg waren die ersten Rechnungen zu ungenau. Sie sind mit dem Budget von sechs bis 6,4 Millionen Euro, das der Weserburg aus den Verkäufen eigener Bilder zur Verfügung steht, nicht zu finanzieren.
Für die Sanierung wurden zuletzt rund acht Millionen Euro angesetzt. Hinzukämen die Kosten für die Stabilisierung des Fundaments, die aber nicht die Weserburg zahlen würde – das Gebäude gehört der Stadt. Im Fall eines Neubaus würden sechs Millionen Euro nicht reichen. Die Weserburg will Sponsoren anwerben, rechnet aber auch mit Mitteln aus dem Verkauf des Hauses. Das Grundstück neben dem Wesertower gehört der Firma Siedentopf, die der Weserburg das Grundstück schenken und im Gegenzug die frei werdende Weserburg kaufen will – ein Altbau in bester Lage.
So mancher vermutet hinter dem Angebot einen geschickten Immobiliendeal. Kritik übt zum Beispiel Janneke de Vries, Direktorin der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK), deren Mitglieder gerade noch einmal bekräftigt haben, dass die GAK bleiben will, auch wenn die Weserburg umziehen sollte. "Die Firma Siedentopf würde zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Man möchte die Überseestadt aufwerten und kommt gleichzeitig an ein diamantenes Grundstück in der Innenstadt."
Im Grunde würden Immobilieninvestoren über die Kulturpolitik der Stadt entscheiden, so de Vries. Bei Siedentopf wollte man das eigene Angebot an das Museum gestern auf Anfrage nicht kommentieren. Weserburg-Direktor Ahrens macht aber deutlich, dass er keine Grundlage für diese Kritik sieht: "Wenn es zu einer Übertragung des Teerhof-Gebäudes an die Firma Siedentopf kommen sollte, wäre dieser Kauf auch eine mäzenatische Geste."