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Shakespeare Company Bremen Schauspieler Simon Elias: "Hamlet kann man auf 100 Arten spielen"

Schauspieler Simon Elias spielt in der Shakespeare Company den Hamlet – auf Englisch. Warum er die Originalsprache für besser hält und was für ihn an dem Stück so besonders ist.
07.10.2023, 05:00 Uhr
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Von Sebastian Loskant
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"Schon als Schüler dachte ich, es wäre schön, einmal den Hamlet zu spielen", erzählt Simon Elias. "Ich hatte ich eine ganz tolle Englischlehrerin, die mit uns den ,To be or not to be"-Monolog einstudiert hat." Der Sohn eines Schauspielers ist in Bremen zur Schule gegangen, entdeckte im Fach "Darstellendes Spiel" seine eigene Begeisterung für die Bühne. Seit 2017 gehört er zum Ensemble der Shakespeare Company, und nun, mit 34 Jahren, erfüllt sich sein Traum. "Sein oder nicht sein": Er spielt den grüblerischen dänischen Prinzen von Dänemark – auf Englisch, in der aktuellen Inszenierung von Guy Roberts, die am Freitag Premiere hatte.

Vor Shakespeare im Original müsse man keine Angst haben, betont Elias. Zumal die Inszenierung mit den klapp- und verschiebbaren Treppen (Bühnenbild: Heike Neugebauer) eine klassische Auslegung und gut gekürzt sei. Zwar wisse er auch aus seinem Bekanntenkreis: "Bei vielen Menschen geht da der Rolladen runter. Die sagen sich: Mein Englisch ist nicht fließend, dafür bin ich zu doof."

"Die Worte liegen besser im Mund"

Doch es sei ein Missverständnis zu glauben, man müsse im Theater jedes Detail verstehen und verstimmt sein, wenn man nicht jedes Wort begreife. "Die Kernsätze bekommt man mit, es wird ein hochemotionales Erlebnis und schon deshalb berühren", verspricht der Schauspieler. "Zu Shakespeares Zeit ging es auch nicht darum, jeden Halbsatz zu verstehen. Deshalb sagt Hamlet in seinem Monolog mehrmals dasselbe, nur in anderen Worten und mit anderen Bildern." 

Was macht den Reiz der Originalsprache aus? "Die Worte liegen besser im Mund", fiel Simon Elias beim Textlernen sofort auf, "man muss nicht mehr an ihnen arbeiten, weil sie genau so gemeint waren." Jede Übersetzung sei auch Interpretation: "Wo Shakespeare in einem kurzen Satz unglaublich brutal sein kann, brauchen deutsche Übersetzer drei Zeilen." Die Kürze des englischen Textes komme einem oft entgegen, auch in der Aktion. "Shakespeares Truppe hatte drei Proben, dann war Premiere", erläutert er. "Deshalb steckt der Text voller Codes, voller Aufforderungen an den Darsteller, wie er den Ablauf zu gestalten hat."

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Regisseur Guy Roberts habe das überwiegend nicht muttersprachliche Ensemble auch darauf hingewiesen, dass Shakespeare mit Absicht einsilbige Wörter benutze, wo der Text hochemotional ist. "Er gibt einem auf diese Weise vor, dass man langsam sprechen muss. Das funktioniert in der Übersetzung nicht: So viele einsilbige Wörter kennt die deutsche Sprache gar nicht."

"Unfassbar kluger Text"

Und was ist für Elias das Besondere an "Hamlet", diesem Über-Stück? "Anders als den geradlinigen ,Macbeth' kann man ihn auf 100 verschiedene Arten spielen. Der unfassbar kluge Text lässt Freiheit zu, er fächert sich auf, man kann Nuancen immer wieder ändern" so beschreibt es der Darsteller. "Bei ,Hamlet' darf man nie in die Zukunft und nie in die Vergangenheit blicken. Das Stück ist wie ein Zug, in den man einsteigt und nicht weiß, wohin er fährt."

Über seine eigene Rolle, die Titelfigur, hat sich der Mime natürlich auch Gedanken gemacht. "Hamlet ist überfordert. Sein Vater, der ein Krieger war,  erscheint als Geist und weiß nichts Besseres zu sagen als: ,Räche mich.' Hamlets erster Impuls ist es, verrückt zu spielen, um sich Zeit zu kaufen, um sein Tun zu überdenken. Und später, als er den Mörder seines Vaters töten könnte, ohne jemand anderem zu schaden, lässt er die Gelegenheit verstreichen. Da liegt etwas psychisch vor." Hamlet sei eben ein Prinz. "Man kann das Stück nicht mit einer Bäckerfamilie spielen." Ab einem bestimmten Punkt sehe Hamlet alles nur noch schwarz-weiß – ein Schelm, wer da keine Parallelen  zu heutigen Mächtigen entdeckt. Elias lächelt: "Am Ende, wenn alle tot sind, stehe ich auf der Bühne und denke: Wofür war das jetzt gut?"

Info

Die nächsten Abendvorstellungen sind am 7. und 27. Oktober, 8., 9., 22. und 29. November sowie am 13. Dezember um 19.30 Uhr. Für einige Vormittagsvorstellungen gibt es noch Restkarten. 

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