Oh, wie süß! In Raum 6 im ersten Obergeschoss der Kunsthalle Bremen dürfte es in den kommenden Wochen Gedränge geben. Dort hat der Bremer Künstler Paul Ole Janns ein halbes Dutzend Hunde vor dem Ganzkörperporträt des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm und seinem Windspiel platziert. Der großspurigen Attitüde des Gemäldes von Anthonis van Dyck setzt Janns die Hundebegeisterung der kleinen Leute entgegen. Sorgsam aus Holz geschnitzte und mit Fell verkleidete Promenadenmischungen scheinen die Besucher anzuspringen (Streicheln ist trotzdem nicht erlaubt). "Weil Hunde in der Kunsthalle keinen Zutritt haben, schmuggele ich sie auf diese Weise hinein", bemerkt der Künstler schmunzelnd.
An 20 Punkten vom Erd- bis zum Dachgeschoss wird die ehrwürdige Sammlung der Kunsthalle aktuell aufgemischt. 16 Mitglieder des Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK) Bremen – von einer Jury aus 120 Bewerbungen ausgesucht – greifen in die Dauerausstellung ein, reiben sich am Bestand, intervenieren. Mal witzig, mal tiefgründig, die Ausstellung "Resonanz" gleicht einer Schnitzeljagd.
Manche Störung der Optik ist nicht zu übersehen: Im "Battlefield"-Saal mit den Schlachtengemälden tränen einem fast die Augen vor den Fleischmassen eines Menschengewühls in Grellrosa, das Willehad Eilers dort platziert hat. Wie Janns bezieht sich dieser Maler auf ein konkretes Bild: 1613 schuf der Rembrandt-Lehrer Pieter Lastman die "Schlacht zwischen Konstantin und Maxentius", die nur ein paar Schritte weiter hängt. Auf dem augenverwirrenden Bild purzeln rechts Soldaten und Pferde des unterlegenen Maxentius von der Milvischen Brücke, während links die Truppen Kaiser Konstantins nachdrängen.
"Mir fiel auf, dass sich das Getümmel kaum von der Darstellung einer feiernden, betrunkenen Menge unterscheidet", bemerkt Eilers. Verformte, gerötete Gesichter, verrenkte Gliedmaßen: Eilers übernahm den kreisförmigen Aufbau des Bildes und die Personenverteilung, ließ aber alle Waffen weg und betonte die nackten Körperpartien. Eine Ballermann-Szenerie entstand, die nicht minder verheerend aussieht.
Andere Künstler greifen das Generalthema eines Saales auf. Im Raum der Düsseldorfer Künstlergruppe Zero hängt Pio Rahner neben ein Nagelbild Günther Ueckers ein Foto mit Malutensilien, stellt einen Plattenheber davor und betont somit die handwerkliche Seite der Kunst. In den Romantiksaal, zwischen Hünengräber und Blaue Grotte, legt David Hepp einen großen Findling. Aber kein norddeutsches Original, sondern ein aus Granitplatten vom Baumarkt zusammengeleimtes Kunstprodukt. Romantik ist ja oft nur eine Wunschvorstellung. In den Raum mit den Stillleben schleicht sich leise der Berliner Norman Sandler ein: Er häufelt in der Vitrine mühsam handgefertigte Kopien alter Kassenzettel aus seinem Portemonnaie auf.
Besonders hintersinnig wirken inmitten religiöser Andachtsbilder vier Ölgemälde Emese Kazárs: Sie hat Tattoos auf fahler Haut festgehalten. Den Ötzi und das Kreuz auf den Unterarmen von Brad Pitt ebenso wie das Kreuz, das sich auf dem Körper der Eismumie befand. Der Gedankensprung zum "Leib Christi" liegt in diesem Umfeld nahe. Mehrere Künstlerinnen beziehen sich auf Räumlichkeiten im Ganzen. Lisa Sinan Mrozinski unterstreicht im großen Oberlichtsaal mit blaubemaltem Plastikvorhang und Holzstuhl die Atelier-Atmosphäre, Franziska von den Driesch verfremdet in ihren Digitalbildern die Architektur der Säle. Vieles mehr wäre zu nennen: das nostalgische Video, in dem Patrick Peljhan liebevoll die jugoslawische Iskra-Bohrmachine seines Vaters repariert. Cordula Priesers hölzernes Schiffsskelett. Oder Jens Weyers' stimmungsvolle Schwarz-Weiß Fotos von Vorhängen.
Andere tragen dicker auf: Im Zentrum der eng gehängten Bilder im Mittelsaal prangt die Aufschrift "komplett mit Rahmen 490,--", handgemalt. "Wer das Bild kauft, muss 3900 Euro zahlen", verrät Künstler Christian Holtmann fröhlich. Und Amina Brotz hat in der Impressionismus-Sammlung einfach ein Gemälde von Henri Joseph Harpignies entfernt: "Die Arbeit wurde aufgrund des Zeitplans gestrichen", entschuldigt eine kryptische Schrift an der Wand den Eingriff. Respektlos, aber erfrischend, die Künstler vom BBK.