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Streifzug So lief die Lange Nacht der Bremer Museen

Auch die Lange Nacht der Museen in Bremen ist nach der Corona-Pause wieder da. Eindrücke von einem Abend, der lang war, aber kurzweilig.
19.06.2022, 13:55 Uhr
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Von Iris Hetscher Alexandra Knief

Ein warmer Sommerabend, draußen essen und trinken und von einem Museum zum nächsten schlendern. Oder anders gesagt: Die Lange Nacht der Museen ist zurück aus der Corona-Pause. Am Sonnabend öffneten in Bremen und in Bremen-Nord 29 Häuser ihre Türen; längst sind nicht mehr nur klassische Museen mit dabei, sondern auch andere Einrichtungen wie die Botanika oder das Olbers-Planetarium. Eindrücke vom Abend:

19 Uhr: Wilhelm-Wagenfeld-Haus

Mal wieder die Originale der berühmten Lampe aus der Nähe betrachten oder das Geschirr, das Wilhelm-Wagenfeld in den 1950er-Jahren für die Lufthansa entwarf? Bremens Design-Museum zeigt die Entwürfe ihres Namensgebers derzeit in der Ausstellung "Wilhelm Wagenfeld A bis Z" alphabetisch geordnet. Ein bisschen eng ist es derzeit in dem Haus, das dieses Jahr wegen Bauarbeiten auf einen Lange-Nacht-Klassiker verzichten muss: Getränke und Häppchen im Hof. Schon kurz nach der Eröffnung tummeln sich Interessierte in den Räumen und schnuppern auch beim Design-Flohmarkt vorbei, bei dem es sogar den einen oder anderen Orden zu erwerben gibt oder merkwürdige kugelförmige Gebilde in kreisch-orange - der neueste Schrei in den 1970er-Jahren. Später wird Maud Vanhauwaert hier noch Lyrik performen.

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20 Uhr: Schulmuseum

"Wer nicht hören will, muss...", diesen Halbsatz kann jeder vervollständigen. Im Schulmuseum Auf der Hohwisch lohnt es sich, die zwei Treppen zur aktuellen Ausstellung über die Geschichte der Schulstrafen hinaufzusteigen. Die ist vielfältig: Bis ins 19. Jahrhundert mussten Übeltäter sich auch schon mal ein schwarzes Schild umhängen, auf dem "Esel" stand. Ein Heft ist zu sehen, in dem in Schönschrift nur ein Satz steht: "Ich habe nicht nach vorn zu laufen, ohne mich zu melden". Aber auch über "Versuchsschulen", die nach 1918 ohne Prügel auskommen wollten, kann man einiges erfahren. Viele Besucher lassen es sich zudem nicht nehmen, für ein Selfie auf den Holzbänken des naturwissenschaftlichen Hörsaals Platz zu nehmen. Großer Andrang herrscht bei der Kurzführung durch den einzigen erhaltenen Erdbunker Bremens – 280 gab es während des Zweiten Weltkriegs. Birgit Landau von der Museumspädagogik muss bei ihrem spannenden und kenntnisreichen Vortrag einige Kniffe anwenden, um verstanden zu werden. Wer will, kann den Bunker danach im Dunkeln, nur erleuchtet durch eine Taschenlampe, erkunden.

21 Uhr: Paula Modersohn-Becker-Museum

Am Sonnabend gibt es eine letzte Chance, "Luigi Colani und der Jugendstil" anzuschauen – und die nutzen viele, auch auffallend viele junge Menschen. Stefan Sündermann vom Fraunhofer Institut IFAM Bremen macht den "Reality Check" ganz oben im Museum, wo Colanis kühne Modelle für Lastwagen, Großflugzeuge, Autos, Motorräder und sogar Städte zu besichtigen sind. Der Wissenschaftler lobt das Design, das Windschnittige, Stromlinienförmige. Doch was das Material angehe, seien Colanis Annahmen inzwischen überholt. Auch Wasserstoff als Benzinersatz halte er nicht für zukunftsweisend, so Sündermann: viel zu aufwendig und daher wenig ökologisch. Treppe runter, zurück zum Anfang der Schau, noch einmal auf einer der Colani-Liegen herumfläzen und dabei die Bilder von Paula Modersohn-Becker aus ungewohnter Perspektive betrachten. Und dann auf der Terrasse einen Cocktail beim "Blauen Fasan" schlürfen. Gibt's auch ohne Alkohol, dafür mit, Achtung, "flambiertem Rosmarin". Lecker.

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21:30 Uhr: Kunsthalle

In der Kunsthalle herrscht die gesamte Museums-Nacht reger Betrieb. Insbesondere die Richard Mosse-Ausstellung lockt am Sonnabend zahlreiche Besucher an. Aber auch die einzelnen Programmpunkte im Museum werden gut angenommen. Bis 22 Uhr zum Beispiel können sich kleine Künstler im offenen Atelier daran versuchen, Tierdarstellungen aus bekannten Kunstwerken nachzumalen. Und viele wagen den Versuch.

Zwei Mal an diesem Abend füllt auch das Bremer Musik-Aktions-Ensemble Klank die erste Etage des Museums mit, sagen wir mal, ungewöhnlichen Klängen. Da wird ein Gelber Sack ebenso zum Musikinstrument wie zwei knisternde Rettungsdecken, es wird auf einem großen Stück Styropor Geige gespielt, es werden Tannenzapfen auf Trommeln geschlagen, wird mit einem Plastikdeckel über Holz geschrappt. Einige Besucher machen sogar vorsichtig mit. Andere können mit diesen ungewöhnlichen Klängen eher weniger anfangen, man sieht gerunzelte Stirnen. Besser schnell entschwinden in einen anderen Raum oder doch lieber vor dem Museum eine Bratwurst essen. 

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23 Uhr: Planetarium

Die Schlange für die kurzen Präsentationen im Kuppelraum des Olbers-Planetariums reicht bis zur Eingangstür. Kaum ist eine Gruppe durch, strömt die nächste in den Raum und besetzt schnell jeden einzelnen Platz. Wer Pech hat, muss eine Runde warten, kann aber die Zeit nutzen, um einen Blick in die Sternwarte des Planetariums zu werfen. Und auch hier herrscht reger Betrieb. „Man kommt hier kaum zur Pause, aber genau dafür sind wir ja hier“, sagt Olbers-Mitglied Peter von Petkewitsch. „Es ist toll, wenn die Leute Interesse haben.“ Leider muss er trotzdem vielen erklären, dass es zum Sternegucken viel zu bedeckt ist – im Sommer klappe das allgemein nur selten. Aber immerhin, berichtet er, konnten zu früherer Stunde einige Besucher einen Blick auf die Sonne werfen.

Im Kuppelraum nimmt Marlon Mehrstedt vom Planetarium die Besucher derweil mit auf eine kleine, amüsante Reise durch den Nachthimmel, erzählt, dass der Große Wagen in den USA „Große Suppenkelle“ heißt und zeigt am Himmel auch direkt, dass dies gar nicht so abwegig ist. Er erklärt, dass der Polarstern eigentlich nur auf dem 46. Platz der hellsten Sterne steht, dass er dafür aber ziemlich faul sei, weil er sich kaum bewegt. Getreu des diesjährigen Lange-Nacht-Mottos „Vom Hören Sehen“ führt er vor, wie es klingen würde, wenn jemand auf dem Mars spricht, oder wie sich Radiowellen vom Jupiter anhören. Eine kurzweilige kleine Reise durchs Universum, auf die vor der Tür um zwanzig nach elf bereits die nächste große Menschengruppe wartet.

Mitternacht: Übersee-Museum

Bereits kurz vor Mitternacht steht Museumsdirektorin Wiebke Ahrndt mit einem Schild im Foyer des Übersee-Museums. Fast so, als würde sie am Flughafen auf jemanden warten. Auf dem Schild steht jedoch kein Name, sondern nur der Hinweis, dass hier gleich die Mitternachtsführung zum Totenkult in Mexiko starten wird. Und diese zieht zur Geisterstunde locker um die 100 Menschen an, die Ahrndt schließlich (Zitat: „Wie der Rattenfänger von Hameln“) zur entsprechenden Sektion im zweiten Stock des Museums führt, wo sich die Menschen um sie und mehrere große Glaskästen voll mit bunten mexikanischen Skeletten versammeln; teils im Schneidersitz auf dem Fußboden sitzend, wie bei einer Märchenstunde.

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Dreißig Minuten lang erzählt Ahrndt - ausgestattet mit glitzerndem Totenschädel-T-Shirt - unter anderem, was es mit dem "Día de los Muertos", dem Tag der Toten, in Mexiko auf sich hat, seit wann und warum es die im Museum zu sehenden Skelettfiguren gibt, was eine Ofrenda ist, und warum Studentenblumen bei dem Fest eine wichtige Rolle spielen. Dabei zieht sie Besucher aller Altersgruppen in ihren Bann. Ein gelungener Abschluss für eine insgesamt sehr gut angenommen Lange Nacht der Bremer Museen.

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