400.000 Euro insgesamt; 200.000 Euro pro Jahr. So viel Geld steht im Haushalt 2022/23 für freien Eintritt in Museen und sogenannte Outreach-Programme bereit. Das sind Angebote, mit denen die Museen neue Zielgruppen ansprechen sollen. Die Bremer Linkspartei hatte sich für diesen Topf starkgemacht – mit Erfolg.
Eigentlich war der Plan der Linken, dass die Bremer Museen mit dem Geld nicht nur neue Zielgruppen anlocken, sondern auch einen eintrittsfreien Tag etablieren. Die Museumsdirektoren zeigten sich allerdings von Anfang an wenig begeistert von diesem Plan und halten diesen Ansatz auch weiterhin nicht für die beste Möglichkeit, neue Besucher zu erreichen. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt der bisher mithilfe des Haushaltstopfes umgesetzten Projekte woanders. Ein Überblick.
Focke-Museum
Mit dem Projekt "Die Vahr entdeckt das Focke-Museum. Nachbarn finden zueinander" gewährt das Museum allen Bewohnern des Stadtteils noch bis 31. August freien Eintritt. Zudem sollen gemeinsam mit 23 sozialen und kulturellen Einrichtungen in der Vahr Angebote für Erwachsene entwickelt werden, die sich gezielt an deren Interessen orientieren. Geplant sind unter anderem Besuche von Museumspädagogen in Pflegeheimen; das Mütterzentrum wird mit Frauen und ihren kleinen Kindern im Museum zu Gast sein.
Übersee-Museum
Das Übersee-Museum setzt mit "Auf gute Nachbarschaft - To good Neighbourhood" auf ein ganz ähnliches Projekt wie das Focke-Museum. Gemeinsam mit Anwohnern will das Museum die Zukunft des Stadtteils und die Neuausrichtung des Museums gestalten. Wer in der Bahnhofsvorstadt wohnt, kommt 2023 kostenlos ins Museum. Es sollen gemeinsame Veranstaltungen wie offene Spieltreffs, Feste, Spaziergänge und mehr organisiert werden. "Wir wollen gesellschaftliche Teilhabe im Museum erlebbar machen. Gelingen kann dies insbesondere dann, wenn die Museen dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen und sich unter anderem für Partizipation und Austausch öffnen", sagt Museumsdirektorin Wiebke Ahrndt.
Museen Böttcherstraße
Die Museen Böttcherstraße verlegen ihr Kinderatelier in die Stadtteilbibliotheken in Osterholz, Huchting und der Vahr und geben kleinen Künstlern zwischen sechs und zehn Jahren die Möglichkeit, eigene Kunstwerke nach Vorbildern, die im Museum hängen, zu gestalten. Die Kinder erhalten außerdem zwei Freikarten für erwachsene Begleitpersonen, mit denen sie anschließend eine Familienführung in den Museen Böttcherstraße besuchen können. Auch die Fahrkarten für Bus und Straßenbahn zum Museum sind inklusive. "Die Familien und Kinder, die an den kreativen Nachmittagen bisher teilgenommen haben, begrüßen es sehr, dass ein Museum aktiv wird", sagt Sprecherin Claudia Klocke. "Mit dem Kinderatelier on Tour bewegen wir uns auf die Menschen zu, begegnen ihnen an ihren gewohnten Orten. Im direkten Miteinander wird die Vorstellung widerlegt, es handele sich bei unserem Museum um einen Elfenbeinturm."
Gerhard-Marcks-Haus/Wilhelm-Wagenfeld-Haus
Mit "Auf den Tisch" setzen das Gerhard-Marcks-Haus und das Wilhelm-Wagenfeld-Haus ein gemeinsames Projekt mit "Kultur Vor Ort" um. Darin wird zum einen das Kinder- und Jugendatelier "Roter Hahn" aus Gröpelingen mit den beiden Museen verbunden. Zudem gibt es Projekte, in denen zweite und sechste Klassen aus Gröpelingen bei praktischem Arbeiten in den Museumsateliers und der Galerie "Roter Hahn" die "Hauskünstler" der beiden Museen besser kennenlernen. Ein dritter Teil des Projektes soll die Zusammenarbeit sichtbarer machen und das Interesse an den Museen fernab des Projektes wecken. "Bremen ist eine Stadt mit einem vielfältigen Kulturangebot, aber dieses Angebot erreicht nur einen Teil der Bevölkerung", sagt Museumsdirektor Arie Hartog. "Wir haben ein großes Interesse daran, das zu ändern. Breite Teilhabe tut einer Gesellschaft gut."
Kunsthalle
Die Kunsthalle will mit drei Teilprojekten neue Zielgruppen erreichen. Zum einen will das Museum kostenfreie, niedrigschwellige Veranstaltungen ausweiten. So findet das Fest "Kunst unlimited" (Kunst unbegrenzt) in diesem Jahr unter dem Titel "Fest für alle" im September an zwei Tagen anstatt wie bisher nur an einem Tag statt. Mit einem kostenfreien Programm im, vor und hinter dem Museum will man versuchen, Bremer und Bremerinnen mit unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Interessenlagen für die Kunsthalle zu begeistern, so Hartwig Dingfelder vom Museum.
Außerdem ist das Museum gerade dabei, Schul- und Kitaworkshops auszuweiten. Es finden laut Dingfelder in diesem Jahr noch Aktionen mit mindestens elf Kitas und Schulen statt. Im Programm "Kunsthalle Unterwegs" unter dem Motto "Kinder-Kunst-Netz" sollen die Kleinen in Projekten, die sich auf Werke, Werkgruppen oder Künstler aus der Kunsthalle beziehen, kreativ werden. Die Ergebnisse werden dann zuerst in den jeweiligen Quartieren und schließlich in einer großen Ausstellung in der Kunsthalle neben den Originalen ausgestellt.
Außerdem will das Museum seine Social-Media-Aktivitäten ausbauen und hat dafür eine Volontärin eingestellt. Und die Kunsthalle setzt auf sogenannte Alternativtexte, die zum Beispiel Bildbeschreibungen für blinde und sehbehinderte Menschen bereitstellen.
Weserburg
Die Weserburg ist mit zwei Projekten gestartet: Anlässlich der Ausstellung "Until we meet again" (Bis wir uns wiedersehen) mit Künstlerpublikationen aus dem südostasiatischen Raum wurden gezielt Bremer und Bremerinnen mit Wurzeln in entsprechenden Ländern angesprochen und ins Museum eingeladen. Und unter dem Motto "Das sagt mir was" holt das Team kostenlos Schulklassen aus benachteiligten Stadtteilen ins Haus und bringt ihnen Kunst mithilfe eines museumseigenen Comics näher. "Wir hatten mit 40 Schulklassen kalkuliert – und die Plätze waren innerhalb von 14 Tagen vergeben", sagt Museumsleiterin Janneke de Vries. "Die Resonanz war so überwältigend, dass wir das Angebot dieses Jahr wiederholen werden – inklusive eines neuen Museumscomics." Insgesamt hätten die beiden Projekte schon jetzt mehr als 1300 neue Besucher ins Museum gebracht, so de Vries.
Miriam Strunge (Linke) freut sich, dass mit dem Geld nach Angaben der Museen offenbar museumsferne Gruppen angesprochen werden konnten. Einen eintrittsfreien Tag würde sie sich aber weiterhin wünschen. "Gerade in der jetzigen Situation – mit der hohen Inflation und den stark gestiegenen Lebenshaltungskosten – würde man so sicher vielen Bremerinnen und Bremern entgegenkommen", sagt sie. "Wir werden das Gespräch mit den Museen suchen und so herausfinden, ob wir Hürden bei der Planung und Umsetzung eintrittsfreier Tage abbauen können."