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Ausstellung verdeutlicht die Provenienzforschung zur NS-Zeit Kunsthalle auf Spurensuche

Die Kunsthalle Bremen erforscht seit einigen Jahren die Herkunft ihrer Sammlung. Aufgeklärt werden soll, ob sie Werke enthält, die während des Nationalsozialismus ihren Besitzern unrechtmäßig enteignet worden sind.
22.10.2014, 00:00 Uhr
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Kunsthalle auf Spurensuche
Von Alexandra Albrecht

Die Kunsthalle Bremen erforscht seit einigen Jahren die Herkunft ihrer Sammlung. Aufgeklärt werden soll, ob sie Werke enthält, die während des Nationalsozialismus ihren Besitzern unrechtmäßig enteignet worden sind. Die Ergebnisse werden jetzt in einer Ausstellung und dem begleitenden Katalog der Öffentlichkeit dargestellt.

Seitdem die spektakuläre, jahrzehntelang der Öffentlichkeit verborgene Sammlung Gurlitt durch einen Zufall entdeckt wurde, hat das Bundesministerium für Kultur die Provenienzforschung der Museen noch einmal finanziell gestärkt. Einige Einrichtungen hatten bereits vorher damit begonnen, ihre Sammlungen nach Raubkunst zu durchsuchen, darunter auch die Kunsthalle Bremen. Der Anlass war häufig die Rückforderung von Erben der jüdischen Kunstsammler, die von den Nationalsozialisten unrechtmäßig enteignet worden waren. So meldeten die Nachfahren von George Grosz etwa vor Jahren Ansprüche an drei Arbeiten aus dem Besitz der Kunsthalle an. Der Forderung wurde nach Prüfung der Sachlage nicht stattgegeben.

Unabhängig von solchen Rückforderungen hat Brigitte Reuter vor drei Jahren damit begonnen, die Bremer Sammlung systematisch zu erforschen. Um das Gebiet sinnvoll einzugrenzen, hat sie die Herkunft der Werke untersucht, die einst durch die Bremer Sammler und Händler Arnold Blome, Heinrich Glosemeyer und Hugo Oelze in den Besitz der Kunsthalle gelangten. Die Ergebnisse stellen sie und Dorothee Hansen, stellvertretende Leiterin des Hauses, jetzt in der Ausstellung „Eine Frage der Herkunft: Drei Bremer Sammler und die Wege ihrer Bilder im Nationalsozialismus“ dar.

Die Provenienzforschung ist für Außenstehende kaum zu durchschauen, zu schwierig gestaltet sich die Rechtslage. In dem Eingangssaal zur Sonderausstellung werden die wichtigsten Themen und Fragen gestellt und auch beantwortet. Der Besucher bekommt eine Vorstellung, wie kompliziert allein die Rekonstruktion der Besitzverhältnisse an einem Gemälde sein kann. Im Zweiten Weltkrieg sind beispielsweise die Geschäftsbücher vieler Galerien verloren gegangen, die Provenienzkette ist dann häufig abgerissen. Manchmal wurden auch die Titel von Gemälden verändert. Die Kuratorinnen machen das an dem Bild „Zwei Mädchen“ von Fritz von Uhde deutlich. Bis heute weiß man nicht, wer das 1909 geschaffene Gemälde 1940 im Berliner Auktionshaus Lange versteigern ließ. Auch über den Käufer gibt es keine Dokumente. 1942 verfasst der Bremer Sammler Heinrich Glosemeyer sein Testament und vermacht der Kunsthalle elf Gemälde, darunter das von Uhde. Als die Amerikaner ihn nach dem Krieg verhören, gibt er an, das Werk von einem Dresdner Kunsthändler erworben zu haben. 1998 übergibt die Familie Glosemeyer das Bild an die Kunsthalle.

Bei rund einem Drittel der untersuchten Werke konnten die verschlungenen Werke vom Künstleratelier bis in die Sammlung der Kunsthalle lückenlos geklärt werden. Das gilt auch für gewichtige Stücke wie die „Papageienallee“ von Max Liebermann aus der Sammlung Glosemeyer, für das „Haus in Dangast“ von Erich Heckel und „Das rote Haus“ von Karl Schmidt-Rottluff. Bei den übrigen in der Ausstellung präsentierten Arbeiten, zu denen Gemälde und Zeichnungen gehören, konnte die Vorgeschichte nicht vollständig recherchiert werden. Die jetzt gewonnenen Erkenntnisse stehen auch anderen Provenienzforschern und Häusern zur Verfügung, sodass damit zu rechnen ist, dass sie von den Arbeiten anderer Wissenschaftler ergänzt werden. Die Kunsthalle hat einen weiteren Förderantrag an die Bundesregierung gestellt und ist zuversichtlich, weiterhin Gelder zu erhalten. Momentan gibt es ein Rückgabeersuchen an die Kunsthalle, um welches Werk es sich hier handelt, wollte Direktor Christoph Grunenberg während der laufenden Verhandlungen nicht sagen. Seit 2006 sind vier Arbeiten restituiert worden.

Die Ausstellung leistet über ihren Einblick in die Provenienzforschung noch weitaus mehr, sie arbeitet Regionalgeschichte auf. Denn erstmals wurden Leben und Wirken der Bremer Händler und Sammler Arnold Blome, Heinrich Glosemeyer und Hugo Oelze erforscht. Sie bedachten die Kunsthalle mit Schenkungen, verkauften aber auch an sie oder in ihrem Auftrag. Glosemeyer, dem die Kunsthalle großartige Werke zu verdanken hat, verkaufte wie auch Oelze Werke an das im Aufbau befindliche „Führermuseum“ in Linz. Von Blome weiß man, dass er an Versteigerungen teilnahm, auf denen unrechtmäßig enteignetes Kulturgut angeboten wurde. Blome verstand sich auch als Künstler, und als solcher wird er hier mit seinen Zeichnungen und Collagen erstmals vorgestellt. Weil die Werke, die über die drei Bremer in den Besitz der Kunsthalle gelangten, von großer Qualität sind, konnte eine Ausstellung gelingen, die nicht nur Informationen vermittelt, sondern auch „Anschauungsmaterial“, darunter alte Niederländer und französische Impressionisten.

Die Ausstellung ist bis zum 4. Januar in der Kunsthalle zu sehen. Der Katalog kostet in der Ausstellung 24 Euro und im Buchhandel 29,95 Euro.

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