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Konzept gegen Lehrermangel Aulepp will Lehrkäfte notfalls gegen ihren Willen abordnen

Beim Kampf gegen den Lehrermangel will Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) auf kein Instrument verzichten. Bei der Vorstellung des Konzepts zur Personalversorgung sprach sie auch über Lehrerabordnungen.
14.04.2023, 12:39 Uhr
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Aulepp will Lehrkäfte notfalls gegen ihren Willen abordnen
Von Frank Hethey

Um den Lehrermangel an Bremer Schulen zu beheben, setzt Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) auch auf die Abordnung von Lehrkräften. Das hat Aulepp am Freitag bei der Vorstellung des Konzepts für die Personalversorgung an Bremer Schulen unterstrichen. "Notfalls werden wir das Instrument der Abordnungen auch gegen den Willen der Lehrkräfte nutzen", sagte die Senatorin in einer Sondersitzung der Bildungsdeputation. Zugleich warnte sie davor, Abordnungen als Allheilmittel gegen Personalknappheit zu verstehen.  

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Laut Aulepp müssen Lehrkräfte mit Beginn des neuen Schuljahrs damit rechnen, an unterversorgte Schulen versetzt zu werden. Im Idealfall soll das freiwillig geschehen. In dem 160-Seiten-Konzept heißt es, diese Möglichkeit sei bislang "zu wenig offensiv angeboten und demzufolge zu wenig nachgefragt" worden. Aulepp räumte ein, dass es einfacher sein dürfte, unterversorgte Schulen auszumachen als Schulen, die Lehrkräfte abgeben könnten.

Beifall gab es von den Grünen: Christopher Hupe warb dafür, in Abordnungen eine "Chance in der Krise" zu sehen, das neue Umfeld müsse als "etwas Normales und Positives" gesehen werden. Dagegen wirft der Zentralelternbeirat Aulepp vor, beamtenrechtliche Abordnungen nicht wirklich zu wollen. Im Personalkonzept werde das Thema nur in "müden vier Zeilen" berührt. "Wenn das alles ist, was der Senatorin für Kinder und Bildung einfällt, kann man nur hoffen, dass hier spätestens nach der Wahl massiv nachgesteuert wird."  

Die Bürgerschaft hat die Bildungsbehörde im März 2022 beauftragt, ein Personalversorgungskonzept Schule für das Land Bremen auszuarbeiten. Das Konzept bündelt die verschiedenen Ansätze zur Verbesserung der Personalsituation an Schulen in Bremen und Bremerhaven. Dabei werden die kurz- und mittelfristigen Planungen und schon umgesetzte Maßnahmen zusammengeführt. Jedes Jahr soll das Konzept aktualisiert werden. Die Bildungsbehörde rechnet damit, dass angesichts kontinuierlich steigender Schülerzahlen bis 2030 insgesamt 3150 neue Lehrkräfte eingestellt werden müssen. In das Konzept fließt auch der Bedarf an nicht unterrichtendem pädagogischen Personal ein. "Bremen ist das erste Land, das nicht nur Lehrkräfte, sondern auch diese Gruppe mit einbezieht", sagte Staatsrat Torsten Klieme.  

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Für die Stadt Bremen rechnet die Bildungsbehörde mit knapp 57.400 Schülerinnen und Schülern im Jahr 2030. Das sind bis zu 5500 Schüler mehr als im aktuellen Schuljahr. Die höchsten Schülerzahlen werden von 2029 bis 2032 erwartet, erst danach gehen alle Berechnungen von leicht sinkenden Zahlen aus. Den daraus resultierenden "Riesenpersonalbedarf" (Aulepp) versucht Bremen mit grundständig ausgebildeten Lehrkräften, Quer- und Seiteneinsteigern sowie ausländischen Lehrkräften zu decken. In Grundschulen in sozialen Problemlagen soll es Doppelbesetzungen mit einer Lehrkraft und einer Erzieherin pro Klasse geben. Zudem muss Bremen dem Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung in Grundschulen ab dem Schuljahr 2026/27 genügen. Parallel will Bremen die inklusive Beschulung vorantreiben und multiprofessionelle Teams installieren.  

Prinzipiell bekennen sich alle Parteien zur Notwendigkeit eines Personalkonzepts. In der Sondersitzung reklamierten Regierungs- und Oppositionsparteien sogar das Verdienst für sich, den entscheidenden Anstoß gegeben zu haben. Die Opposition fürchtet allerdings, dass das vorgelegte Konzept überambitioniert ist. "Inklusion kann nur mit Fachpersonal gelingen, dieses fehlt schon heute an allen Ecken und Enden", sagte der bildungspolitische Sprecher der FDP, Hauke Hilz. Auch seine Kollegin Yvonne Averwerser (CDU) wies auf die "Mammutaufgabe" der inklusiven Pädagogik hin. Als "besonders besorgniserregend" sieht Miriam Strunge (Linke) den Personalbedarf im Rahmen der Inklusion an. "Die Erhöhung auf bis zu 590 Stellen in diesem Bereich bis 2030 ist absolut notwendig."

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Aus Averwersers Sicht ist die "dramatisch schlechte Personalsituation" das Ergebnis schwerer Versäumnisse in den Vorjahren. Kritisch sieht sie die wachsende Zahl von Lehrern ohne akademische Lehramtsausbildung. "Wir brauchen multiprofessionelle Teams, aber auch grundständig ausgebildete Lehrkräfte." Der Lehrerberuf könne nicht von jedem Menschen ausgeübt werden. Aulepp stellt das nicht in Abrede. "Wir benötigen in erster Linie grundständig ausgebildete Lehrkräfte an den Schulen", sagte sie. Die Grünen sehen indessen auch Vorteile in weniger stringenten Arbeitsbiografien. "Der Seiten- und Quereinstieg wird in Zukunft normal werden", sagte Hupe, "das muss ein Gewinn sein."  

Hilz vermisste in dem Papier den Ganztagsausbau in der Sekundarstufe 1, um sozial benachteiligten Kindern die Chancen auf einen soliden Bildungsweg zu eröffnen. Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Gönül Bredehorst, stimmte ihm zu. "Aber es mussten Prioritäten gesetzt werden." Was sie bedauerte: dass es in dem Papier keine Zuweisungsrichtlinie für nicht-unterrichtendes Personal gibt, um Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Dabei soll es aber nicht bleiben. Aulepp kündigte an, die Richtlinie in der neuen Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. 

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