IT-Experten der französischen und der niederländischen Polizei ist es gelungen, die verschlüsselten Nachrichten von europaweit vernetzten Drogenhändlern zu „knacken“. Dies führte zu einer Verhaftungswelle im gesamten westeuropäischen Raum. Auch in Bremen, wo Polizei und Zoll im September 20 Wohnungen durchsuchten, größere Mengen an Drogen, Waffen und Telefonen beschlagnahmten und mehrere Männer in Untersuchungshaft nahmen. Montag und Dienstag beginnen nun am Landgericht zwei Prozesse gegen insgesamt sechs Angeklagte, die mit Drogenhandel über sieben Millionen Euro erwirtschaftet haben sollen.
Das umfangreichere Verfahren wird am Dienstag gegen fünf Männer verhandelt, um die gebotenen Corona-Schutzregeln einhalten zu können in der Messehalle 4. Vier der Angeklagten im Alter zwischen 28 und 42 Jahren wird vorgeworfen, sich zu einer Bande zusammengeschlossen zu haben, um Cannabis und Kokain in großen Mengen einzuführen und zu verkaufen.
Dabei sollen sie unterschiedliche Aufgaben übernommen haben, von den Verhandlungen mit Lieferanten und Abnehmern über das Anlegen von Lagern bis hin zu Kurierfahrten. In mindestens 25 Fällen sollen sie jeweils mehrere Kilogramm Marihuana und Kokain verkauft und damit zwischen 2,5 und drei Millionen Euro erwirtschaftet haben.
Über sieben Millionen Euro
Der fünfte Angeklagte, ein 42-Jähriger, soll von März bis September 2020 erhebliche Mengen Marihuana vor allem aus Spanien in die Bundesrepublik eingeführt und mit einem Teil davon die Bande beliefert haben. Laut Staatsanwaltschaft hat er damit etwa 3,5 Millionen Euro erwirtschaftet.
Bereits Montag beginnt der Prozess gegen einen weiteren Mann, dem ebenfalls Drogenhandel vorgeworfen wird. Der 30-Jährige soll seit Dezember 2018 mit Betäubungsmitteln in großer Menge Handel getrieben und dadurch rund 1,2 Millionen Euro erwirtschaftet zu haben. Seine Ware soll er auch von einem der Angeklagten aus dem anderen Verfahren bezogen haben.
Auf die Spur kamen die Ermittlungsbehörden den Tätern, weil es gelungen war, deren Kommunikation untereinander zu entschlüsseln. Die Angeklagten hatten sich über Enchrochat-Geräte verständigt, sogenannte Krypto-Handys, die eine vollständig verschlüsselte Kommunikation mit anderen Encrochat-Teilnehmern erlaubten und als abhörsicher galten. Ermittler in Frankreich konnten die per Enchrochat codierten Nachrichten jedoch knacken und auswerten. Auf dem Wege der europäischen Rechtshilfe wurden die Daten auch an das Bundeskriminalamt weitergegeben, das seinerseits mehrere Landeskriminal- und Zollfahndungsämter mit den Ermittlungen betraute.
Krypto-Handys geknackt
Krypto-Handys sehen wie normale Mobiltelefone aus, sind jedoch mit einer speziellen Verschlüsselungssoftware ausgestattet. Durch Eingabe eines Codes wird eine versteckte Oberfläche auf dem Gerät sichtbar, worüber dann die verschlüsselte Kommunikation läuft. Aus nachvollziehbaren Gründen erfreuen sich diese Geräte in Kreisen der organisierten Kriminalität großer Beliebtheit. Französischen IT-Experten der Polizei gelang es jedoch, Millionen von Nachrichten mitzulesen, bevor sie codiert wurden. Laut Medienberichten soll es anschließend quer durch Westeuropa zu mehr als 1000 Verhaftungen gekommen sein. Dem Vernehmen nach hatten sich die Kriminellen in ihren Chats absolut sicher gefühlt und deshalb völlig offen und sehr detailliert über ihre Verbrechen geredet.
Allerdings brachten die erfolgreichen Hacks der Ermittlungsbehörden auch Datenschützer und Strafrechtler auf den Plan. Zugriffe auf persönliche Kommunikationsinhalte dürfen nicht verdachts- und anlasslos erfolgen. Ein Aspekt, der auch in den Bremer Prozessen eine Rolle spielen dürfte. Die Staatsanwaltschaft sieht dem jedoch gelassen entgegen. Die Daten seien im Zuge der Rechtshilfe aus Frankreich gekommen, erklärt Pressesprecher Frank Passade. „Die Franzosen haben nach ihrem Recht über deren Verwertung entschieden, nicht unsere Strafprozessordnung ist also entscheidend, sondern die französische.“ Im Übrigen gebe es bereits Entscheidungen mehrerer Oberlandesgerichte (OLG), die die Verwendung der Daten als zulässig eingestuft hätten, darunter das OLG Bremen.