Plötzlich wird es still im Bürgerhaus Weserterrassen. Mehr als eine halbe Stunde ist bis dahin sehr emotional über ein neues Leistungszentrum von Werder in der Pauliner Marsch diskutiert worden. Nun erhebt sich Tarek Brauer von seinem Platz. Werders Geschäftsführer, ab jetzt beim Fußball-Bundesligisten zuständig für das Millionenprojekt, sagt: „Wie geht’s weiter?“ Und nach einer kurzen Pause, „ich werde es Ihnen heute nicht sagen können.“ Enttäuschtes Gemurmel und höhnisches Lachen hier und da machen klar: Ein Teil der Anwohner und Werder werden bei diesem Thema nicht mehr zueinanderfinden, auch wenn das einmal ganz anders gedacht war.
Zur Erinnerung: Vor drei Jahren war ein 17-köpfiges Begleitgremium zusammengestellt worden, bestehend aus Anwohnern, Lokalpolitikern, einem Mitglied der Verwaltung, Werder-Entscheidern und drei Vertretern von anderen Vereinen, die in der Pauliner Marsch zu Hause sind. Das Gremium sollte die Interessen aller Beteiligten, vor allem von Werder und den Anwohnern, moderieren.
38 Mal hat sich die Gruppe seit Juni 2020 zu einer Sitzung getroffen, drei Mal hat es sogenannte Beteiligungsspaziergänge durch die Pauliner Marsch gegeben, dazu kommen sieben Workshops zu sieben Themenbereichen mit bis zu 140 Teilnehmern. Fast 300 Menschen insgesamt haben sich in die Diskussionen eingebracht. Der 42-seitige Abschlussbericht, der in einer Sondersitzung des Beirats Östliche Vorstadt jetzt Thema war, fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
Schon vor drei Wochen war bekannt geworden, dass das Begleitgremium mit 9:7-Stimmen bei einer Enthaltung ein Ende des Moderationsverfahrens empfohlen hatte. Der Grund: Die Interessen aller Beteiligten liegen zu weit auseinander, auch wenn die Notwendigkeit eines Neubaus grundsätzlich anerkannt wird. Viele Positionen aber, etwa zum Thema Hochwasserschutz und Überschwemmungsgefahr in der Pauliner Marsch, decken sich nicht. Werder will neu und ausbauen, obwohl Experten Überflutungen in diesem Gebiet in den nächsten zehn Jahren für wahrscheinlich halten.

Zur Kritik, Werder konzentriere sich nur auf einen Neubau in der Pauliner Marsch, sagt Geschäftsführer Tarek Brauer: „Wir prüfen alle Optionen seit vielen Monaten.“
Kritik gibt es auch an der Dimensionierung des neuen Leistungszentrums. Werder plant für seinen Bundesliga-Nachwuchs, die Bundesliga-Frauen und den Breitensport mit neun Sportplätzen, zwei dreigeschossigen Neubauten sowie einem überdachten Stadion für 5000 Zuschauer zusätzlich zum bestehenden Platz 11. Das erscheint vielen Kritikern zu groß. Die Aufenthaltsqualität in der Pauliner Marsch, so eine weitere Befürchtung, könnte dadurch leiden.
Werder-Geschäftsführer Brauer sagte am Dienstag bei der Diskussion des Abschlussberichtes, dass man die Hinweise aus dem Papier ernst nehme. „Wir haben als Werder jetzt drei Möglichkeiten“, sagte Brauer. Man werde prüfen, was in der Pauliner Marsch von den Plänen weiterhin umsetzbar sei. „Aber natürlich“, Variante zwei, „schauen wir auch nach Alternativen in Bremen.“ Option drei: „Wenn wir hier nichts realisieren können, müssen wir woanders hin.“ Gemeint ist damit das niedersächsische Umland.
Daran, dass Werder tatsächlich und ernsthaft alternative Standorte in Bremen und im Umland prüft, äußerten mehrere Anwohner und Mitglieder des Begleitgremiums ihre Zweifel, obwohl Brauer beteuerte: „Wir prüfen alle Optionen seit vielen Monaten.“ Klären muss Werder auch die Frage nach der Finanzierung. Der Verein hat längst eingeräumt, dass er ohne öffentliche Gelder das Projekt nicht stemmen kann. Im Abschlussbericht heißt es dazu: „Vor dem Hintergrund der Schuldenbremse und der Haushaltsnotlage und den Anforderungen des Stabilitätsrats ist derzeit eine umfassende staatliche Finanzierung nicht zu erwarten. Das gilt auch für alternative Standorte.“
Der Abschlussbericht des Begleitgremiums ist für Werder nicht bindend, eher die Empfehlung, die geäußerten Kritikpunkte bei den weiteren Planungen zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: Werder könnte seine Pläne auch unverändert durchziehen, müsste dann aber erst recht mit massivem Widerstand rechnen. Die Anwohnerinitiative Peterswerder hat für diesen Fall in einem offenen Brief bereits rechtliche Schritte angekündigt.
Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald, der vor Brauer beim Bundesligisten für das Thema Nachwuchsleistungszentrum zuständig war, ist für die SPD mittlerweile in die Bremische Bürgerschaft gewählt worden. In einem Interview auf der vereinseigenen Homepage sagte er kürzlich, dass er sich dafür verwenden werde, dass das Thema Leistungszentrum „auf der politischen Agenda in Bremen bleibt und sich auch im neuen Koalitionsvertrag wiederfindet“.