Das Land Bremen muss in diesem Jahr noch mehr Flüchtlinge aufnehmen als erwartet. Bislang hat die Sozialbehörde mit rund 5000 Menschen aus Krisen- und Kriegsregionen gerechnet, nach neuesten Zahlen werden es bis Ende des Jahres bis zu 6000 Flüchtlinge sein. „Das ist der obere Wert, auf den wir uns einstellen“, sagt der Sprecher der Sozialbehörde, Bernd Schneider. Hinzu kämen rund 1500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
Vor allem die Stadtstaaten geraten bei der Unterbringung der Flüchtlinge immer stärker an ihre Grenzen. Hamburg hat deshalb jetzt bisherige Grundsätze aufgegeben und Großlager angekündigt: In den sieben Bezirken der Stadt sollen Container-Dörfer für insgesamt rund 20 000 Flüchtlinge aufgestellt werden. „In jedem dieser Dörfer können bis zu 3000 Menschen untergebracht werden“, sagt Björn Domröse, der Sprecher des Hamburger Innensenators Michael Neumann (SPD). Darüber hinaus gibt es im Hamburger Stadtgebiet bereits fünf Standorte mit mehreren Großzelten. „Wir sind uns bewusst, dass das keine Dauerlösung sein kann, aber wir müssen alles daran setzen, die Menschen vor Obdachlosigkeit zu bewahren“, sagt der Sprecher.Massenunterkünfte in Container-Lagern plant Bremen derzeit zwar nicht, aber der Druck auf das Unterbringungssystem wächst laut dem Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) täglich: „Wir stehen vor einer riesigen Herausforderung in den nächsten Monaten“, so Schneider. Weshalb Bremen weitere Zelte aufstellen lässt, um den ankommenden Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf bieten zu können.
Neben den bereits bezogenen Zelten auf dem Stadtwerder und am Fallturm, in denen 35 beziehungsweise 120 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht sind, wird es drei weitere Standorte für Erwachsene und Familien geben: vier Zelte am Überseetor mit 300 Plätzen – die Belegung hat Ende vergangener Woche begonnen –, Zelte für 400 Menschen im Technologiepark sowie ein Standort im Büropark Oberneuland mit 300 Plätzen. Damit werden insgesamt rund 1150 Flüchtlinge in Zelten untergebracht sein.
Parallel dazu läuft die Suche nach Gebäuden auf Hochtouren, damit die Zelte vor dem Winter abgebaut werden können. „Das ist der Plan, aber es gibt Unwägbarkeiten bei den Zugangszahlen. Und bevor wir gar nichts haben, müssten Zelte stehen gelassen werden. Aber wir arbeiten fieberhaft an Lösungen“, so Schneider.
Im August sollen alle Gebäude und Grundstücke, auf die Bremen über das städtische Unternehmen Immobilien Bremen Zugriff hat und die sich für die Unterbringung von Flüchtlingen eignen, in einer Prioritätenliste erfasst werden. „Sie werden daraufhin geprüft, wie schnell sie genutzt werden können und wie groß der bauliche sowie finanzielle Aufwand dafür ist“, erklärt Ulrike Bendrat, Sprecherin des Finanzressorts, unter dessen Regie das Vorhaben läuft. Bisher gebe es nur einzelne Listen nach unterschiedlichen Kriterien. „Eine zentrale Erfassung mit einheitlichen Bewertungen ist dringend notwendig, um überhaupt einen Überblick zu haben und um schneller reagieren zu können.“ Bei den Gebäuden könnte es sich beispielsweise auch um Sporthallen handeln, auf freien Flächen könnten Container aufgestellt werden. Bendrat: „In der aktuellen Situation können wir es uns nicht aussuchen, denn wir können die Menschen nicht unter freiem Himmel übernachten lassen. Das ist ein humanitäres Gebot der Stunde.“Wie bei den Zeltstandorten setzt Bremen inzwischen auch auf Gebäude, in denen mehr Flüchtlinge als bisher untergebracht werden sollen: „Wir können nicht mehr in unseren Größenordnungen von 70 bis 120 Plätzen denken“, betont Schneider. Grund sei der hohe Arbeitsaufwand für die Verwaltung bei mehr kleineren Unterkünften. Bauanträge müssten genehmigt, Beiräte informiert, Baumaßnahmen umgesetzt werden. Schneider: „Das zwingt uns, größer zu denken als wir eigentlich wollen.“
Bisher hatte Bremen darauf gesetzt, Flüchtlinge in Unterkünften mit überschaubarer Größe unterzubringen. Um Konflikte zwischen Menschen aus anderen Kulturkreisen und unterschiedlichen Glaubens zu verhindern und um die Integration zu fördern. Nach der Unterbringung in Zelten muss Bremen nun auch von diesem Grundsatz abrücken.
Nach Angaben der Sozialbehörde hat das Land Bremen bis Ende Juni 2213 Flüchtlinge aufgenommen – das ist eine Verdreifachung gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr. Die Flüchtlinge werden nach einer festen Quote auf die 16 Bundesländer verteilt, diese liegt für Bremen bei knapp unter einem Prozent. Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge hat sich vervierfacht – in der ersten Jahreshälfte liegt sie bei 538.