Bremens Innenstadt hatte im Dezember mit dem Weihnachtsmarkt einen starken Frequenzbringer. Es war einiges los, Corona hin oder her. Nicht so viel allerdings wie während der Adventszeit vor Beginn der Pandemie, weswegen der Einzelhandel das zweite Jahr in Folge über deutliche Umsatzeinbußen klagt. Die Geschäftsleute müssen einen langen Atem haben, um diese Phase zu durchstehen. Sie brauchen Luft, die ihnen nicht nur von der Seuche genommen wird. Es gibt – neben dem Trend zum Einkaufen im Internet – noch einen anderen und enorm wichtigen Faktor, der in den vergangenen Monaten etwas in den Hintergrund gerückt ist: Die Innenstädte taumeln durch eine Dekade der Ungewissheit. Das ist überall so, ganz besonders aber in Bremen.
Wohin die Reise ungefähr gehen soll, ist allen klar und wird oft hinausposaunt: Läden, ja, und nicht wenige, aber bitte kleinteilig und originell. Das Gleiche wünscht man sich für die Gastronomie – Cafés, Bars, Kneipen und Restaurants, die ein eigenes, sehr ausgeprägten Profil haben. Ein Beispiel ist die erfolgreiche Markthalle Acht am Domshof.
Besser wäre noch, wenn zu dieser Art von Handel und Gastronomie kulturelle Angebote hinzukommen – Lesungen, Happenings, Konzerte, was auch immer. Und wenn es gelingt, öffentliche Institutionen in die Innenstadt zu holen: Die Stadtbibliothek mit einem großen Bücher-Café, das Staatsarchiv, die Volkshochschule oder das Focke-Museum, um Bremens Geschichte an dem Ort zeigen, wo sie ihren Anfang nahm. Ausstellung und Stadtführung in einem. Warum nicht? Zumal das Museum ab 2023 an seinem Stammplatz in Schwachhausen wegen Umbauarbeiten für drei Jahre pausiert.
Schließlich, ganz wichtig, das Wohnen in der City. Der Senat hat dafür mit neuen rechtlichen Vorgaben den Weg geebnet. Woran es hakt, ist die Bereitschaft der Eigentümer, ihre Immobilien entsprechend zu verändern. Da muss offenbar noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden – eine schwierige Aufgabe, weil die Gebäude oft in Besitz großer, anonymer Fonds sind. Sie ist aber alle Anstrengung wert, denn nur wenn in der Innenstadt wieder mehr gelebt wird, entwickelt sich ein echtes Quartier. Heute gehen in Bremens guter Stube viel zu früh die Lichter aus: Totentanz auf historischem Terrain.
Die grobe Linie ist gezeichnet, in einem 58 Seiten starken Konzept, das der Senat im Oktober verabschiedet hat und das als Wegweiser bis zum Jahr 2030 dient. So etwas ist unverzichtbar, wenn im Zusammenhang geplant werden soll und nicht nur punktuell. Frappierend jedoch, dass auch in diesem Papier wieder die gleichen Versatzstücke auftauchen – Ziele und Projekte, die gut und richtig sind, die aber partout nicht verwirklicht werden.
Bremen kommt nicht aus dem Quark, das ist das Problem. Selbst das Geringste dauert Jahre, wenn es überhaupt angepackt wird. Ein Beispiel ist der Wochenmarkt auf dem Domshof, der so lange schon einen erbärmlichen Eindruck macht. Man braucht kein Konzept, um das zu ändern, nur mutiges Handeln und Konsequenz. Doch daran fehlt es.
Ob mehr Schwung da ist, wenn im Februar die City-Projektgesellschaft ihre Arbeit aufnimmt, darf man hoffen, fest darauf bauen sollte man nicht. Da kommt kein Messias und übernimmt die Geschäfte. Der Mann, ein Architekt, wird außerdem von zwei Staatsräten flankiert. Manche sagen, zur Unterstützung, andere glauben, dass sich die Ressorts Bau und Wirtschaft ihren Einfluss sichern wollen. Die Spitzen der beiden Behörden machen sich in der Innenstadt seit jeher Konkurrenz, sie kämpfen um Zuständigkeiten, und das Rathaus streitet mit, seitdem der Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) heißt. Noch ein Übel in diesem Zusammenhang: die überbordenden Egoismen einzelner Regierungsmitglieder. Maike Schaefer (Grüne) und Kristina Vogt (Linke) trennt mehr im Senat als sie vereint.
Bei Bremens City ist es wie mit dem Gordischen Knoten: Man kriegt ihn nicht auf, wenn alle dran zerren. Der Schlag muss aus einer Richtung kommen, und er muss fest sein. Bisher hat der Knoten noch keine einzige Faser verloren.