Zweimal hat es in Bremen schon einen parteiübergreifenden Konsens zur Schulentwicklung gegeben, kurz: Bremer Schulkonsens. Der erste wurde 2008 ausgehandelt, der zweite 2018 erneut mit zehnjähriger Laufzeit. Ob 2028 noch ein dritter Schulkonsens zustande kommt, ist nach der Bürgerschaftsdebatte von Mittwoch allerdings alles andere als sicher. Die FDP bekräftigte ihre ablehnende Haltung, skeptische Töne waren diesmal aber auch aus dem Lager der Regierungsparteien zu hören.
Was will der aktuelle Schulkonsens?
Im September 2018 haben sich SPD, CDU, Grüne und Linke zum obersten Ziel gesetzt, die Verknüpfung von Bildungserfolg und sozialer Herkunft spürbar zu verringern. Ein weiterer wichtiger Punkt: die Durchsetzung der Inklusion an Bremer Schulen. Insgesamt verständigten sich die beteiligten Parteien damals auf zehn Zielsetzungen. Darunter eine schrittweise Angleichung der Pro-Kopf-Ausgaben für jeden Schüler an das Niveau der anderen Stadtstaaten, eine deutliche Verbesserung der schulischen Basiskompetenzen und eine Ausweitung der Sprachförderung.
Warum debattierte die Bürgerschaft überhaupt den Schulkonsens?
Bereits im Mai hatte die CDU eine Große Anfrage zu Sachstand, Ergebnissen und Zukunftsaussichten der aktuellen Auflage des Schulfriedens gestellt. Zur Begründung erklärte die CDU, man wolle "mit genügend Abstand zu einem Wahlkampf" in einen sachlichen Diskurs eintreten – ein Argument, das hinfällig geworden ist. Die Debatte um die Senatsantwort vom August stand am Mittwoch auf der Tagesordnung der Bürgerschaft. Auf 27 Seiten hat der Senat Stellung bezogen. Zur Inklusion heißt es, Bremen habe mit 0,8 Prozent die niedrigste Exklusionsquote in Deutschland. Mit Blick auf die Ausgaben pro Schüler stellt der Senat fest, 2022 wären Mehraufwendungen in Höhe von rund 209 Millionen nötig gewesen, um das Niveau von Hamburg zu erreichen. Eine Evaluation der Ziele und Maßnahmen soll im kommenden Schuljahr starten und vor Ablauf der Konsens-Phase zu Beginn des Schuljahres 2027/28 vorliegen.
Wie bewertet die Opposition den aktuellen Umsetzungsstand?
Kurz gesagt: als unbefriedigend. CDU-Bildungsexpertin Yvonne Averwerser kritisierte, die Koalitionsparteien hätten die Mehrheit, die gemeinsamen Vereinbarungen des Schulfriedens umzusetzen, "aber sie schaffen es nicht". Dass mehr finanzielle Mittel nötig sind, stellt Averwerser nicht in Abrede. "Aber ganz sicher kein Sondervermögen." Fynn Voigt (FDP) forderte neben mehr Geld eine höhere Priorität für Bildung. Holger Fricke vom Bündnis Deutschland (BD) geißelte die "komplett misslungene Inklusion" und sprach für eine Rückkehr zum Drei-Säulen-System aus Förderschule, Oberschule und Gymnasium aus.
Sind die Koalitionsparteien zufrieden mit der Umsetzung?
Nein, die linke Bildungsexpertin Miriam Strunge räumte ein, es reiche alles nicht, in Bremen sei der Bildungsabschluss noch immer vom Sozialstatus abhängig. Mit Hinweis auf die hohe Kinderarmutsquote erklärte sie, Bremen müsste pro Schüler sogar noch wesentlich mehr Geld investieren als Hamburg. Das Problem: die Ebbe im Haushalt. Darum fordern die Linken ein Sondervermögen für Bildung. Auch Franziska Tell (Grüne) stellte Nachholbedarf fest. Ähnlich äußerte sich Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD): "Die Ziele sind bei Weitem noch nicht erreicht." Dennoch habe sich die Zahl inklusiver Abschlüsse verdreifacht.
Ist eine dritte Auflage des Schulfriedens zu erwarten?
Nach derzeitigem Stand eher nicht. Die FDP hält einen Schulkonsens ohnehin für überflüssig. Wichtig ist laut Voigt, dass man debattiert. Ebenfalls wenig Interesse daran zeigen die Linken. "Wir wollen Weiterentwicklung statt Stillstand", sagte Strunge. Als Bremsklotz machte sie die CDU aus. Fazit: "Der Schulkonsens sollte 2028 auslaufen." Auch Tell gab zu bedenken, ob ein Format mit zehnjähriger Laufzeit angesichts atemberaubender Veränderungen in Schule und Gesellschaft adäquat sei.