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Früherer Friedhof Reitbrake Gestritten wird auch mit zweifelhaften Argumenten

Um den früheren Friedhof an der Reitbrake wird gestritten. Bürgerinitiative und Friedensforum bringen auch zweifelhafte Argumente. Doch auch der Bürgermeister agiert nicht immer glücklich, meint Frank Hethey.
05.02.2022, 05:00 Uhr
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Gestritten wird auch mit zweifelhaften Argumenten
Von Frank Hethey

Seit fast zwei Jahren schwelt der Streit um den früheren Friedhof für sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter an der Reitbrake. Man hätte meinen können, mit Beginn der Grabungen beruhigen sich die erhitzten Gemüter. Doch weit gefehlt, die Bürgerinitiative Oslebshausen und das Bremer Friedensforum lassen nicht locker. Zweifellos ist es ein Verdienst, den fast vergessenen Ort wieder ins kollektive Gedächtnis zu holen. Gleichwohl muss man sich fragen, ob das historische Geschehen instrumentalisiert wird, um die geplante Bahnwerkstatt zu verhindern.

Die BI weist den Vorwurf weit von sich. Und doch bleibt ein fader Beigeschmack. Es gibt keine Pressemitteilung von BI und Friedensforum, in der Bahnwerkstatt und Friedhof nicht in Zusammenhang gebracht werden. Die Initiativen betonen, beides gehöre zusammen. Das ist gar nicht mal aus der Luft gegriffen: Beim deutschen Vernichtungskrieg hat die damalige Reichsbahn eine fatale Rolle gespielt. Und Alstom ist zwar ein französischer Konzern, hat aber ein deutsches Unternehmen geschluckt, das am Unrecht gut verdient hat.

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BI und Friedensforum bemühen sich nach Kräften, den Senat der "Geschichtsvergessenheit" zu überführen. Bürgermeister Andreas Bovenschulte wird als Bremser vom Dienst hingestellt – als der Mann, dem Wirtschaftsinteressen wichtiger sind als würdiges Gedenken. Sogar die lobenden Worte für die Arbeit der Landesarchäologie klingen hohl. Immer wieder lässt man durchblicken, wie stark der politische Druck sei, genehme Ergebnisse zu liefern. Obendrein gibt es Belehrungen – wie etwa den Rat, auch außerhalb des einst umzäunten Friedhofsbereichs nach Toten zu suchen.

Garniert wird das Ganze mit Rechtsgutachten. Völkerrechtlich bleibe ein Grab immer ein Grab, heißt es da, auch wenn sich keine sterblichen Überreste mehr auffinden lassen. Zuletzt wurde als neuester Trumpf die ewige jüdische Totenruhe ins Feld geführt. Viele der gefangenen Rotarmisten stammten aus dem jüdischen Ansiedlungsrayon, die Wahrscheinlichkeit, dass Juden unter ihnen waren, sei also "sehr hoch". Diese Frage hätte, so die Kritik der BI, "vor dem ersten Spatenstich geklärt sein müssen".

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Aber wie soll das möglich sein, wenn jüdische Sowjetsoldaten nach Einschätzung der BI gegenüber den Deutschen keine wahrheitsgemäßen Angaben machten? Da wird die Argumentation wirklich hanebüchen und entlarvend. Offenbar ist jedes Mittel recht, um die Bahnwerkstatt zu verhindern.

Irritierend ist auch, mit welcher Selbstverständlichkeit von der Reitbrake als "Kriegsgräberstätte" gesprochen wird. Damit  suggeriert man, es würde mit Exhumierung und Umbettung gegen geltendes Recht verstoßen. So einfach liegt die Sache aber nicht. Im "Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft" wie auch im deutsch-russischen Kriegsgräberabkommen gibt es Regelungen zur Verlegung von Gräbern. Sterbliche Überreste zusammenzuführen, ist internationale Alltagspraxis im Umgang mit Kriegsgräbern. Eine Kriegsgräberstätte entsteht erst, wenn man sich darauf verständigt hat.

Dazu könnte es an der Reitbrake natürlich kommen. Das zu fordern, ist gutes Recht. Ebenso wie eine Gedenkstätte für die Zwangsarbeiter zu schaffen, die in mehreren nahen Lagern untergebracht waren. Ob das wirklich sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin gibt es schon den Denkort Bunker Valentin. 

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Mangelnde Transparenz kann man dem Senat kaum vorwerfen. Über die Ergebnisse der Grabungen wird regelmäßig berichtet, die Nationen der Opfer waren von Anfang an informiert. Doch weder Russland noch die Ukraine haben Kritik geübt.

Also alles richtig gemacht? Nicht ganz. Es war mindestens ungeschickt von Bovenschulte, schon vor Abschluss der Grabungen vollendete Tatsachen zu schafften. Das passierte im Vertrauen darauf, dass keine vollständigen Skelette auftauchen würden. So gab es grünes Licht für die Bahnwerkstatt und Umbettung möglicher Knochenfunde auf die zentrale Kriegsgräberstätte in Osterholz. Das war ein voreiliger Alleingang.

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