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Anlaufstellen fehlen Schnelle Hilfe bei Impfschäden ist bislang nicht in Sicht

Was tun, wenn man glaubt, nach einer Corona-Impfung langwierig an Nebenwirkungen zu leiden? Hilfsangebote sind rar, Wartelisten lang. Ein Mediziner fordert, Schwerpunktzentren in den Bundesländern einzurichten.
07.09.2022, 05:00 Uhr
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Schnelle Hilfe bei Impfschäden ist bislang nicht in Sicht
Von Marc Hagedorn

Telefonisch habe man ihr nicht weiterhelfen können, schreibt eine Leserin dem WESER-KURIER. Die Spezialambulanz in Marburg, die sich um Menschen kümmert, die unter Nebenwirkungen nach einer Corona-Impfung leiden, sei nicht erreichbar. Zwei E-Mails habe sie geschrieben, so die Bremerin weiter, aber einen Termin habe sie auch auf diesem Wege nicht bekommen. Die Berliner Charité, ein zweiter möglicher Anlaufpunkt für Menschen wie sie, habe ihr auf Anfrage mitgeteilt, dass man momentan keine freien Kapazitäten habe. Das Fazit der Frau: „Als Betroffene kann ich Ihnen sagen, dass es sehr schwierig ist, kompetente ärztliche Hilfe zu bekommen.“

Seitdem der WESER-KURIER über das Thema Impfschäden berichtet hat, haben sich mehrere Betroffene aus Bremen und Niedersachsen in der Redaktion gemeldet. Ausführlich schildern sie ihre Leiden, die sie auf eine Impfung gegen das Coronavirus zurückführen. Einige fühlen sich belächelt und ihr Schicksal nicht ernst genommen, fast alle bemängeln, dass es in der Nähe keine eigene zentrale Anlaufstelle für Betroffene gebe.

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Das bekommen die beiden Ambulanzen in Marburg und Berlin zu spüren. Über 5000 Namen stünden aktuell auf der Warteliste, sagt Professor Bernhard Schieffer, Direktor der Klinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Marburg. "Wir sind bis Sommer 2023 ausgebucht.“ Zehn Fälle bearbeite man zurzeit pro Tag, so Schieffer, dem ein zwölfköpfiges Team zur Verfügung steht, das die Ergebnisse auch wissenschaftlich aufbereitet.

Wir versuchen, eine nationale Initiative auf die Beine zu stellen.
Professor Berhard Schieffer

Viel Arbeit, die nach dem Willen von Schieffer perspektivisch auf mehrere Schultern verteilt werden muss. „Wir versuchen, eine nationale Initiative auf die Beine zu stellen“, sagt der Kardiologe. Ihm schweben Schwerpunktzentren in jedem Bundesland vor, Fort- und Weiterbildungen für Hausärzte, damit sie sich immer auf den neuesten Stand bringen können. Denn das Thema, so Schieffer, entwickle sich rasant.

In Bremen, teilt das Gesundheitsressort mit, sei eine Anlaufstelle für Betroffene des sogenannten Post-Vac-Syndroms derzeit nicht in Planung. „Da es im Land Bremen nach unserem Kenntnisstand derzeit wenig Fälle gibt und sich die Symptome sehr unterscheiden“, heißt es aus der Behörde, sollten die Betroffenen im System der niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzte behandelt werden, um bestmöglich versorgt zu sein. Auch das niedersächsische Gesundheitsministerium verweist auf die Haus- und Fachärzte. Diese könnten für ihre Patienten je nach Diagnose auch einen Termin bei der Long-Covid- oder der neurologischen Ambulanz der Medizinischen Hochschule Hannover vereinbaren.

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Wer das Glück hat, in Marburg einen Termin zu haben, muss einen 20-seitigen Fragebogen ausfüllen. Nach einem etwa einstündigen Gespräch folgt ein gründlicher Check, zu dem Blutabnahme, Belastungs-EKG, Ultraschall vom Herzen und eine genaue Anamnese gehören. Vorerkrankungen, die möglicherweise verantwortlich für die Symptome sind, sollen so ausgeschlossen werden. „Das ist Detektivarbeit“, sagt Schieffer.

Vor allem junge Menschen, in drei von vier Fällen sind es Frauen, stellten sich in Marburg vor, so der Mediziner weiter. Die meisten von ihnen schildern ähnliche Symptome wie sie bei Long Covid auftreten, also Müdigkeit, Schwäche, Schwindel, aber auch Lähmungen, Herzkreislauf-Probleme und Nervenschmerzen.

Wir sind Befürworter der Impfung.
Professor Bernhard Schieffer

Die Forschung stehe noch am Anfang, sagt Schieffer. Es gebe viele Vermutungen, etwa dass „schlummernde“ Viren im Körper durch die Impfung oder eine Corona-Infektion „geweckt“ werden könnten. Auch genetische Defekte könnten durch eine Infektion oder eine Impfung aufgedeckt worden sein. „Das Wichtigste ist, die körpereigene Immunkompetenz wieder herzustellen“, sagt Schieffer.

Mit Blick auf neue Impfstoffe und eine weitere Impfkampagne für den Herbst sagt Schieffer: „Wir sind Befürworter der Impfung. Ihr Nutzen ist bei Weitem größer als das Risiko.“

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Wenige Anträge werden anerkannt

Wer seit mindestens sechs Monaten mit einiger Wahrscheinlichkeit an den Folgen einer Impfung leidet, sollte laut Gesundheitsministerium in Niedersachsen einen Antrag auf Versorgung beim Landessozialamt stellen. In Bremen ist das Amt für Versorgung und Integration zuständig. Bis Ende Juli war in Bremen von 34 Anträgen noch keiner anerkannt worden. In Niedersachsen waren laut Landesamt für Soziales bis Mitte August sieben von 340 Anträge bewilligt worden.

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