In einer Disziplin ist Bremen schier unschlagbar – kaum irgendwo sonst werden Projekte so lange hin- und hergewendet, dass selbst Befürworter irgendwann die Nase voll haben und lieber einen Strich drunter machen, als noch eine und noch eine Runde zu drehen. Jüngstes Beispiel ist die Verlegung der Straßenbahn in der Innenstadt. Seit fast 30 Jahren wird diskutiert, die Schienen aus der Obernstraße herauszunehmen und sie in der Martinistraße laufen zu lassen. So lange dauert schon das Tauziehen – mit den ewig gleichen Argumenten: Weg mit der Bahn vom Weltkulturerbe Rathaus und Roland, weg mit den Schienen ein paar Meter weiter auch aus der Haupteinkaufsmeile, um dort einen Ort zu schaffen, an dem man sich gerne aufhält – die Obernstraße mit Bäumen, vielleicht einem kleinen Wasserlauf, mit Bänken und anderen Möglichkeiten, sich auszuruhen, ohne konsumieren zu müssen, mit Außengastronomie, Kunst im öffentlichen Raum und einem im Ganzen völlig anderen Flair. Das war der Ansatz, und ganz blöd ist er nicht. Es hätte durchaus etwas für sich, wenn in der Obernstraße keine der so groß und schwer gewordenen Straßenbahnen fahren würde.
Dass nun anders entschieden wird, ist aber genauso nachvollziehbar. Erstens hat die Stadt mit dem Rückbau der vorher vierspurigen Martinistraße endlich die Voraussetzungen geschaffen, die Barriere zwischen City und Weser zu schleifen. Das ist zwar noch lange nicht perfekt, weil die Autos dort manchmal Stoßstange an Stoßstange stehen und die neuen Radwege zuweilen als Ladezonen für Lastwagen missbraucht werden. Auch funktionieren die Übergänge bisher nicht richtig. Der Weg ist aber beschritten. Wäre die Bahn gekommen, hätte das den Effekt gehabt, die trennende Wirkung der Martinistraße wieder zu verstärken, es sei denn, der Autoverkehr wäre vollkommen verbannt worden.
Zweitens steht schon lange fest, dass eine Verlegung der Straßenbahn horrend teuer würde, ohne dass der Bund einen Zuschuss zahlt. Hinzu kommt die erschreckend lange Planungs- und Bauzeit: Das Projekt wäre erst in acht, zehn oder zwölf Jahren fertig, prognostizieren die Gutachter. Undenkbar für alle, die der darbenden Bremer Innenstadt auf die Beine helfen wollen.
Straßenbahn-Streit sorgte für Dissens in der Bremer Koalition
Die Fakten liegen auf dem Tisch, ein Sack voll mit Studien der Fachleute. In Workshops wurden sie geprüft, beraten und zur Grundlage von Empfehlungen gemacht. Nie in dieser ganzen Zeit lugte auch nur einmal ein profundes, unschlagbares Argument für die Verlegung hervor, außen eben dieses eine, dass es dem Marktplatz und der Obernstraße guttun würde, wenn dort keine Straßenbahn mehr führe. Das freilich ist nur ein Wunsch, ein Wille, eine Vorstellung – gegen die harten Fakten kommt es nicht an. Sie sprechen eine eindeutige Sprache.
Komisch nur, dass diese Sprache lange Zeit nicht von allen verstanden wurde. Fast bis zuletzt gab es einen Dissens in der Regierungskoalition. Die hartnäckigen Befürworter der Verlegung waren drauf und dran, einen Wortbruch zu riskieren. SPD, Grüne und Linken hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet, den Straßenbahn-Streit endgültig ad acta zu legen, und zwar, so wörtlich, "noch in diesem Jahr". Sachlich war das nicht unbedingt geboten, denn was macht es schon aus, ein paar Monate zu warten, wenn die Angelegenheit seit Jahrzehnten schwelt. Unter politischen Gesichtspunkten verhält es sich allerdings anders. Schon wieder dicke Backen gemacht und nicht geliefert, hätte sich der Senat zurecht vorhalten lassen müssen, wäre die Entscheidung einmal mehr auf die lange Bank geschoben worden.
Nun bleibt also alles beim Alten und zwar auf Dauer. Was sich so manche erhofft hatten, entpuppt sich als unrealistisch. Gut und mehr als überfällig, dass das jetzt klar ist. Nun geht es hoffentlich sehr bald an den Umbau der Domsheide, der teilweise mit einer möglichen Verlegung der Straßenbahn verquickt war. Und warum nicht neu auf die Obernstraße schauen? Die Bahn wird nicht verschwinden, aber es gibt sicher noch andere Möglichkeiten, den Straßenzug attraktiver zu machen.