30, 50, 30, 50: Mitunter wechseln die Tempovorgaben innerhalb Bremens auf kurzer Strecke mehrfach. Am Osterdeich zum Beispiel sorgt das seit Jahren für Ärger bei Autofahrern. Einmal nicht aufgepasst, droht ein Bußgeld. Geht es nach Maike Schaefer (Grüne), wird Tempo 30 in Bremen zur Regelgeschwindigkeit. "Das schafft mehr Sicherheit im Straßenverkehr, sorgt für weniger Lärm und Emissionen und räumt mit dem Flickenteppich auf", ist Bremens Verkehrssenatorin überzeugt. Auch der Schilderwald könnte sich dadurch lichten. Würde Tempo 30 als Standard eingeführt, könne man sämtliche Schilder mit dieser Vorgabe abschrauben, sagt Schaefers Sprecher Jens Tittmann. "Und davon gibt es sehr viele", ergänzt er.
Wie berichtet, spricht sich die Verkehrsministerkonferenz (VMK) geschlossen dafür aus, dass die Kommunen zukünftig mehr Einfluss auf die Geschwindigkeitsvorgaben bekommen sollen. Das bedeutet nicht, dass alle Bundesländer flächendeckend Tempo 30 vorgeben wollen – vielmehr geht es um die Möglichkeit, eigenständig entscheiden zu können. Verbindlich ist der VMK-Beschluss nicht. Um ihn umsetzen zu können, müsste die Straßenverkehrsordnung (StVO) geändert werden. Dafür wäre laut Tittmann eine Mehrheit im Bundestag notwendig. Ob es diese Mehrheit bei einer Abstimmung gäbe, ist fraglich. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte sich zuletzt im Interview mit dem WESER-KURIER gegen ein flächendeckendes Tempo-30-Gebot ausgesprochen. Man sei aber bereit, "die heutigen Anforderungen an Tempo-30-Zonen zu überprüfen".
Über Geschwindigkeitsvorgaben diskutieren auch die Ortspolitiker in den Bremer Stadtteilen immer wieder. Größtenteils einig ist man sich dabei in dem Wunsch, auf lokaler Ebene selbstständig entscheiden zu können. "Das wäre im Sinne des Beirats, wenn wir die Instrumente dafür hätten", sagt der Huchtinger Ortsamtsleiter Christian Schlesselmann. Er erinnert an einen Fall, der das Problem seiner Ansicht nach gut verdeutlicht. Seit Oktober 2021 dürfen auf dem Huchtinger Wardamm die Autos wieder mit 50 km/h fahren, nachdem dort zuvor jahrelang Tempo 30 vorgegeben war. Gegen dieses Tempolimit hatte ein Rechtsanwalt vor dem Verwaltungsgericht Widerspruch eingelegt. Weil das Gericht keine Rechtsgrundlage für Tempo 30 sah, nahm die Verkehrsbehörde die Anordnung zurück. Schlesselmann ist weiterhin davon überzeugt, dass 30 km/h auf dieser Straße angemessen seien – für die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer.
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Über Tempolimits für einzelne Straßen wird mitunter jahrelang gestritten
Auch an anderer Stelle werde regelmäßig über Tempo-30-Bereiche diskutiert. Vor allem gehe es dabei um Straßenabschnitte vor sozialen Einrichtungen wie Kitas und Altenpflegeheimen. Insbesondere für diese Bereiche lässt sich laut StVO derzeit Tempo 30 verordnen. Schlesselmann zufolge funktioniert es aber nicht in jedem Fall, dieses Limit tatsächlich umzusetzen – zum Beispiel, wenn Auswirkungen auf den ÖPNV dagegensprächen.
Ungleich komplizierter wird es laut Tittmann, wenn eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus Lärmschutzgründen erfolgen soll. Dann seien Gutachter und umfangreiche Messungen gefragt. Dass Autos mit 30 km/h leiser unterwegs sind als mit 50 km/h, bezweifelt der ADAC Weser-Ems. Das Umweltbundesamt kommt in einer Studie von 2016 zu einem anderen Schluss. "Tempo 30 führt in der Mehrzahl der untersuchten Fälle zu wahrnehmbaren Lärmentlastungen", heißt es dort.
Die aktuelle Gesetzgebung sieht vor, dass das Amt für Straßen und Verkehr jedes Tempo-30-Limit genehmigen muss. Über Anordnungen für einzelne Straßen wird mitunter jahrelang gestritten. "Sehr viel Überredungskunst" sei zum Beispiel notwendig gewesen, bis vor einigen Jahren auf großen Teilen der Hemmstraße in Findorff Tempo 30 eingeführt wurde, sagt Ulrike Pala, Leiterin des Ortsamts West. Ähnlich wie Schlesselmann sieht sie in ihrem Gebiet keinen einheitlichen Wunsch nach einer flächendeckenden Tempo-30-Vorgabe – man wolle aber selbst über bestimmte Bereiche entscheiden können.
Für Tempo 30 als Standard innerorts sprechen sich die Beiräte Mitte und Östliche Vorstadt aus. Was würde passieren, sollte dieser Wunsch tatsächlich in Erfüllung gehen? Mit dem Abbau der Tempo-30-Schilder wäre es nicht getan, räumt Behördensprecher Jens Tittmann ein. Die Ampelanlagen müssten ihm zufolge neu geschaltet und die Auswirkungen auf den ÖPNV überprüft werden. Zudem steht die Frage im Raum, auf welchen Straßen die Bremer Autofahrer auch zukünftig schneller als 30 km/h fahren dürften. Tittmann nennt Ausfallstraßen als Beispiel. All das, so sein Fazit, sei aber unkomplizierter als die aktuelle Regelung.