Am 26. September wählt Deutschland den 20. Deutschen Bundestag. Eine Wahl, die Spannung verspricht und gleichzeitig eine Zäsur ist: Kanzlerin Angela Merkel steht nicht zur Wiederwahl. Wir möchten Ihnen den Überblick erleichtern: Beginnend an diesem Sonntag folgen bis zum 12. September, jeweils am Sonntag, sieben Übersichten zu den Wahlprogrammen der im Bundestag vertretenen Parteien. Dieser Teil beschäftigt sich mit Wirtschaftspolitik und Fragen rund um grüner Industrie, Digitalisierung, Globalisierung, Hafenwirtschaft und Fachkräftemangel.
Wie kann Deutschland einen Spitzenplatz bei der Digitalisierung erreichen?
CDU/CSU: Ein eigenes Bundesministerium für digitale Innovationen und Transformation soll die entsprechenden Kompetenzen bündeln. Die Union will der IT-Wirtschaft einen größeren Datenschatz zugänglich machen, ohne den Datenschutz zu vernachlässigen. Sie will den Ausbau des schnellen Internets („Gigabit-Ausbau“) und Mobilfunks „mit Hochdruck“ vorantreiben. Das Arbeitsrecht soll sich an das Aufkommen digitaler Arbeitsformen anpassen. Der Staat soll künftig digital arbeiten und trotz steigender Bedeutung der Digitalwirtschaft die entscheidende Ordnungsmacht bleiben.
SPD: Die dritte „Zukunftsmission“ des SPD-Programms soll „digitale Souveränität“ bringen. Die Partei will dafür eine IT-Infrastruktur auf Weltklasseniveau einführen, darunter auch Gigabit-Anbindung für alle. Das soll auch Mittelständlern auf dem Lande helfen, ihre Produkte und Dienste weltweit anzubieten. Der Staat wird alle Dienste einfach und digital anbieten. Die Schulen sollen digital unterrichten und Schülerinnen und Schüler mit hoher Technikkompetenz ausbilden. Der stationäre Handel darf hinter dem Onlinehandel steuerlich nicht ins Hintertreffen geraten.
Grüne: „Grüne Digitalisierung“ wird als eigenes Schlagwort eingeführt. Die Industrie soll in rechtssicherer Weise Daten verarbeiten dürfen, um moderner zu werden. Diese sollen aber in einer europäischen Cloud liegen, um die Nutzung durch andere Mächte zu verhindern. Start-ups sollen mehr Geld erhalten. Die Internetindustrie soll mehr Frauen anstellen, strenger reguliert werden und ihre Algorithmen offenlegen.
Linke: Das Digitalisierungskonzept der Linken legt einen Schwerpunkt darauf, die Bürgerinnen und Bürger vor den negativen Auswirkungen und Gefahren zu schützen. Die bisherige Politik der Regierung habe nur aus milliardenschweren Subventionen für Konzerne bestanden. Die Digitalisierung drohe in neoliberaler Weise zu mehr prekärer Arbeit zu führen, warnt die Linke. Sie will die Produktivitätsgewinne nutzen, um die Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche zu verkürzen. Die Macht der Plattformen will sie einschränken.
FDP: Mehr Digitalisierung kommt im Programm der FDP fast als Allheilmittel vor – beim Wachstum, für die neue Arbeitswelt, den Tourismus, in der Umweltpolitik, für neue Mobilität oder für die Verwaltungsreform. Die bisherige Digitalpolitik sei jedoch „unkoordiniert, ziellos und chaotisch“. Die Liberalen wollen daher ein eigenes Ministerium für digitale Transformation. Alle im Land sollen Zugang zu Gigabit-Internet erhalten. Bemerkenswert ist die aggressive Förderung der Künstlichen Intelligenz. Jedes Ministerium soll zur Umsetzung konkreter KI-Anwendungen verpflichtet sein.
AfD: Das Programm der AfD erkennt die Bedeutung der Digitalisierung für die Erhöhung des Lebensstandards an. Sie wendet sich jedoch vehement gegen staatliche Bespitzelung mit digitalen Methoden. Viel Augenmerk legt sie darauf, dass die Plattformen Meinungsbeiträge nicht filtern oder inhaltlich prüfen sollen. Vor dem weiteren Ausbau des Mobilfunkstandards 5G soll eine Prüfung der gesundheitlichen Risiken erfolgen. Es sollen mehr europäische IT-Firmen entstehen, um sich von fremden Anbietern unabhängig zu machen.
Welche Chancen bietet die Globalisierung, aber auch welche Nachteile?
CDU/CSU: Die deutsche Industrie soll sich von länderübergreifenden Wertschöpfungsketten unabhängiger machen und mehr Lieferbeziehungen in der EU aufbauen. Internationaler Handel ist wichtig („In Deutschland hängt jeder vierte Arbeitsplatz vom Export ab“), soll jedoch fair sein. Die EU soll mehr Freihandelsabkommen abschließen. Deutsche Standards sollen auch international gelten. Die EU soll sich auch für mehr Handel mit Afrika im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung öffnen.
SPD: Die Handelspolitik soll die Welt sozialer und ökologischer machen. Dafür soll der Handel mit nachhaltigen Gütern besonders gefördert werden. Vor allem die weniger entwickelten Länder sollen profitieren. Die Vereinten Nationen sollen dafür sorgen, dass die Globalisierung im Sinne der Menschenrechte gestaltet wird.
Grüne: Die Grünen zeigen sich den positiven Seiten der Globalisierung gegenüber betont aufgeschlossen: Freier Handel sei eine der Grundlagen des deutschen Wohlstands. Doch der Handel müsse „fair und nachhaltig“ sein. Handelsabkommen sollten dem Wohl der Menschen dienen. Bestehende Verträge sollten nach Möglichkeit durch internationale Mechanismen ersetzt werden, die für alle Länder gelten.
Linke: Soziale Gerechtigkeit soll weltweit gelten. Durch eine Aufwertung der Lebensverhältnisse in ärmeren Ländern will die Linke den Fluchtursachen entgegenwirken. Auf europäischer Ebene will sie den Reichtum von oben nach unten umverteilen lassen. Waffenexporte will die Linke verbieten. Zu Globalisierung und Welthandel schweigt das Programm weitgehend.
FDP: Die FDP will Deutschland zu einem aktiven „Fürsprecher des Freihandels“ machen. Daher taucht das Wort im Programm besonders oft auf. Deutschland und die EU sollen mit mehr Ländern entsprechende Verträge abschließen. Das Wirtschaftsministerium wollen die Liberalen in „Bundesministerium für Wirtschaft, Freihandel und Energie“ umbenennen. Die Abkommen sollen durch die EU schneller verhandelt werden. Nationale Parlamente sollen weniger mitreden dürfen. Priorität habe die Umsetzung freien Handels mit Nordamerika.
AfD: Das Programm der AfD betont die Stärkung der Heimat und spricht sich dafür aus, von Auslandsmärkten und -zulieferern unabhängiger zu werden.
Wie geht es weiter mit der Hafenwirtschaft?
CDU/CSU: Die CDU/CSU will die maritime Wirtschaft und den Werftenstandort stärken. „Die Schifffahrt und Häfen müssen international wettbewerbsfähig bleiben.“ Es soll Ladestationen für Binnenschiffe geben.
SPD: Das SPD-Programm schweigt sich über die Bedeutung der Häfen weitgehend aus. Es gibt lediglich den Hinweis, mehr Güterverkehr vom Lkw auf Binnenschiffe verlagern zu wollen.
Grüne: Einer umweltverträglichen Schifffahrt gilt ein eigener Absatz im Programm. Für Deutschland sei „international wettbewerbsfähige maritime Wirtschaft“ von hoher Bedeutung. Die Grünen wollen ein gemeinsames Seehafenkonzept von Bund und Ländern schaffen. Ziel: „Kooperation der Standorte statt Konkurrenz.“ Damit Schiffe künftig weniger Öl verbrauchen, soll es in den Häfen Landstromanlagen geben. Terminals werden emissionsarm.
Linke: Die Linke will es deutschen Reedereien verbieten, Schiffe unter „Billigflagge“ fahren zu lassen. Die Konkurrenz der Häfen untereinander müsse einer „engen Kooperation“ weichen. In europäischen Gewässern sollen nur noch mit Diesel oder umweltfreundlicheren Antriebsarten betriebene Schiffe fahren dürfen. Staatliche Hilfen für die Schifffahrt müssen an soziale und ökologische Kriterien geknüpft werden.
FDP: „Leistungsstarke Hafenanlagen“ gehören für die Liberalen zum europäischen Transportnetz. Die deutschen Häfen sollen Förderung erhalten, um international mit Standorten wie Rotterdam und Piräus mithalten zu können. Die Schifffahrt sei der umweltfreundlichste Verkehrsträger. Das See- und das Binnennetz sollen besser verzahnt werden. Bei der Instandhaltung von Wassertiefen sollen Bund und Länder stärker zusammenarbeiten.
AfD: Häfen tauchen im Programm nur als Orte auf, über die „gebietsfremde“ Tierarten ins „heimische Ökosystem“ eindringen, was zu unterbinden sei.
Wie ist der Fachkräftemangel zu beheben?
CDU/CSU: Die Lehre soll dem Studium gleichgestellt sein, was auch äußerlich erkennbar sein soll. Die Unionsparteien wollen daher wieder mehr Gewicht auf die Berufsausbildung legen. Mit einer nationalen Bildungsplattform will sie einen „digitalen Bildungsraum“ schaffen, der mehr Menschen erreicht als bisher – auch für die Weiterbildung. Es soll mehr Förderung geben: ein flexibleres Bafög, Aufstiegs-Bafög und eine Stärkung der Bildungsprämie.
SPD: Das Handwerk sei der entscheidende Partner für die Ausbildung, stellt die SPD fest. Sie will Gebühren für Techniker- und Meisterkurse abschaffen. Die Ausbildung soll praxisnäher werden. Mehr Gleichstellung und Vielfalt soll die qualifizierte Ausbildung größeren Personengruppen eröffnen, darunter Menschen mit einer Behinderung.
Grüne: Mehr Investitionen in Bildung – auch in berufsbegleitende Maßnahmen – steht an erster Stelle der grünen Ideen gegen Fachkräftemangel. Die klassische Lehre mit dualer Ausbildung soll aufgewertet werden. Der Meisterbrief soll kostenfrei zu haben sein. Es sollen mehr Migranten, Frauen, Ältere und Menschen mit Behinderung Zugang zu qualifizierter Ausbildung erhalten.
Linke: Es soll mehr Ausbildungsplätze geben, die nicht nur kostenlos, sondern auch gut bezahlt sein sollen. Bewerbungen sollen anonym erfolgen, um mehr Vielfalt zu ermöglichen. Betriebe, die nicht ausbilden, sollen dafür bezahlen. Die Linke gibt besserer Ausbildung Priorität vor Abwerbung im Ausland.
FPD: Vor allem der Mittelstand sei auf mehr Fachkräfte angewiesen, um seine Stärke zu halten, stellt die FDP fest. Sie will Mitarbeitern mehr Zugang zu Firmenanteilen geben, um deren Motivation zu stärken. Die duale berufliche Bildung sei ein deutscher Erfolgsfaktor und soll gestärkt werden. Eine Exzellenzinitiative und Begabtenförderung sollen die Konkurrenz um die beste Ausbildung ankurbeln. Zugleich soll es mehr Flexibilität und internationalen Austausch geben. Die FDP befürwortet das Aufstiegs-Bafög.
AfD: Das Programm sieht vor, der dualen Berufsausbildung Vorrang vor dem Studium zu geben („Meister statt Master“). Einwanderung zur Milderung des Fachkräftemangels lehnt die AfD ab. Stattdessen will sie die Familien und den deutschen Nachwuchs stärken. Bafög-Empfängern soll bei der Geburt eines Kindes die Kreditrückzahlung erlassen werden.
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