Wenn ein Bremer an Landwirtschaft denkt, reist er im Kopf schnell über die Landesgrenze. Niedersachsen, das Agrarland mit den großen Feldern, auf denen große Maschinen fahren. Und Bremen? Wird vom Bund bei der Erhebung landwirtschaftlicher Statistiken mit den anderen Stadtstaaten zusammengefasst. Viele sind die Bremer Landwirte tatsächlich nicht, etwa 130 haupterwerbliche Betriebe gibt es noch, aber auf sich aufmerksam machen sie regelmäßig.
Lichterfahrten sind in der Corona-Zeit entstanden
Jens Heumann und Uwe Michaelis wird man in den kommenden Tagen sogar kaum übersehen können. An diesem Freitag geht es für die beiden Landwirte im Konvoi auf festlich beleuchteten und geschmückten Treckern von Bremen-Nord in die Innenstadt. In den Wochen bis Weihnachten folgen weitere Fahrten im Bremer Umland. Die Lichterfahrten, die vor drei Jahren zum ersten Mal stattgefunden haben, sind bereits zur Tradition geworden.
Heumann ist in der Region von Beginn an als Organisator dabei, auch in diesem Jahr wird er ganz vorne mitfahren. Seinen Trecker hat er schon vorbereitet, auch die Route ist größtenteils festgelegt, aber letzte Absprachen mit den Behörden stehen noch aus. Der 46-Jährige hat viel organisiert und mobilisiert in den vergangenen Wochen. Dazu kommt das Alltagsgeschäft, die Kühe darf er nicht warten lassen: Heumann führt in Niederblockland einen Milchviehbetrieb. 160 Tiere, 90 Hektar Grünland. 80 bis 100 Teilnehmer erwartet er für die Fahrt am Freitag – der Konvoi, so habe es die Polizei geschätzt, werde eine Länge von rund einem Kilometer haben.
"Es ist toll, die strahlenden Kinderaugen zu sehen, wenn wir vorbeifahren", sagt Uwe Michaelis. Anderen eine Freude zu machen, sei das Ziel der Lichterfahrten – heute noch, aber vor allem damals, im Dezember 2020, als ansonsten nicht viel möglich gewesen sei. "Wir wollten dafür sorgen, dass die Leute wenigstens zur Weihnachtszeit mal vor die Tür gehen konnten", sagt Michaelis. Das Motto "Ein Funken Hoffnung", unter dem die Lichterfahrten auch in diesem Jahr stattfinden, ist aber auch ein Verweis auf die eigene Zunft.
Heumann und Michaelis stehen für ihren Berufsstand ein, sind gut organisiert und vernetzt. Beide haben an den Bauern-Demonstrationen der vergangenen Jahre teilgenommen. Michaelis erinnert sich an die große Trecker-Demo im Herbst 2019 in Berlin, die Bremer Protestaktion im Januar 2020 hat er mitorganisiert. "Mit den Lichterfahrten wollen wir zeigen, dass wir noch da sind", sagt der 60-Jährige. Den Landwirten, von denen es bundesweit immer weniger gibt, werde es schwer gemacht. In Deutschland fehle zum Beispiel eine richtige Pflicht, die Herkunft der Produkte zu kennzeichnen – schlecht für diejenigen, die mit Regionalität punkten wollen.
Bremer Landwirte sammeln Spenden
Auf die regionale Landwirtschaft aufmerksam zu machen, sei deshalb ein weiteres Anliegen der Bremer Lichterfahrt, sagt Michaelis. Vor einigen Jahren hat er seinen Betrieb in Mahndorf umgestaltet – von konventioneller Landwirtschaft zum Bioanbau. Auf seinen Feldern wachsen Weizen, Ackerbohnen und Dinkel. Er verkaufe zum Beispiel an lokale Bäckereien, sagt Michaelis. Den Betrieb, den er von seinen Eltern übernommen hat, gebe es seit dem 16. Jahrhundert.
Eine Nachfolgerin hat Michaelis bereits gefunden: Seine Tochter wird übernehmen. Andere Betriebe haben weniger Glück, Nachwuchssorgen sind in der Landwirtschaft allgegenwärtig. Hinzu kämen strenge Kontrollen einerseits und die Konkurrenz aus dem Ausland andererseits, erklärt Michaelis. Kurzum: Heutzutage einen landwirtschaftlichen Betrieb wirtschaftlich rentabel zu betreiben, sei schwierig.
Umso wichtiger sei die Gemeinschaft, betonen Michaelis und Heumann. Die Lichterfahrt habe sich vor drei Jahren auch deshalb deutschlandweit wie ein "Lauffeuer" verbreitet, weil die Landwirte sehr gut vernetzt seien. "Überall haben sich Leute gefunden, die Spaß daran haben, das zu organisieren", sagt Michaelis. Der gute Zweck, auch das hat bei den Lichterfahrten Tradition, soll über den schönen Anblick hinausgehen. Auch in diesem Jahr sammeln die Landwirte wieder Spenden für die Kinderhospize "Sternenbrücke" und "Löwenherz" in Hamburg und Syke sowie für den Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes. Im vergangenen Jahr sind laut Heumann 15.000 Euro zusammengekommen.